Stephans Spitzen

Die Zeit des Herrschaftswissens ist vorbei, Herr Steinmeier

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Fangt schon mal an

Steinmeiers Philippika zeigt überaus anschaulich, dass viele Politiker noch immer nicht begriffen haben, dass die Zeit des Herrschaftswissens vorbei ist. Denn neben all dem Unsinn, der im Internet trollt, ist hier zugleich eine gepflegte Gegenöffentlichkeit entstanden, in der genau das geschieht, was Steinmeier sich wünscht: ein beständiges Überprüfen dessen, was politische und Meinungseliten in die Welt setzen, also just jene Wahrheitssuche, die er so eindringlich fordert. Es ist genau dieser Faktencheck – sei es in Fragen der „Energiewende“, der EU- und Europolitik oder der Einwanderungskrise - , der das postfaktische politische Moralisieren entlarvt hat. Wer braucht noch Desinformation durch ausländische Trolle, wenn er – siehe der Versuch, die Ereignisse der Kölner Silvesternacht zu verschleiern – von den eigenen Regierenden desinformiert wird?

Werden „wir“ wirklich von der Komplexität der Welt überfordert? Ja, zugegeben, bisweilen sehr – doch manch einen trifft es ganz besonders schlimm, etwa Steinmeiers Parteifreund und Kabinettskollegen Heiko Maas, Justizminister. Der ließ jüngst twittern: „Wir werden Kinderehen nicht akzeptieren. Kein Kind gehört an den Traualtar.

Stimmt. Jedenfalls nicht, um zu heiraten oder um geheiratet zu werden. Das ist bei Christen in Deutschland unüblich. In Moscheen wiederum steht kein Traualtar. Was lässt uns der Minister also damit sagen? Dass es das Problem recht eigentlich gar nicht gibt?

Oder dass man in seinem Ministerium die Wahrheit nicht auszusprechen vermag, dass nämlich das Problem der Kinderbräute importiert wurde, dass es mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis und überwiegend muslimischen Glaubens ins Land kam und dass man das eine nur verhindern kann, indem man das andere lässt?

Steinmeier hat jedenfalls in einem recht: es ist hohe Zeit, „unsere Fähigkeit zum produktiven, wahrheitssuchenden Diskurs“ zu optimieren. Fangt schon mal damit an.

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