Manchmal kommen die guten Nachrichten just zum richtigen Zeitpunkt, etwa vor einer Landtagswahl. „Die Steuerquellen sprudeln“, heißt es neuerdings, und: „Der Staat hat einen Überschuss (von 18,5 Milliarden Euro) erwirtschaftet.“ Geld ist also da, Leute, und damit können wir noch ganz andere Dinger stemmen als eine unproduktive Energiewende oder eine unbedachte Politik der offenen Grenzen! Der Bürger wird das schon richtig verstehen und sein Kreuzchen dahin machen, wo es hingehört: ins Alternativlose.
Sprache ist was Schönes, vor allem, wenn sie verräterisch ist. „Steuerquellen sprudeln“: Hat jemand einen Brunnen gebohrt? Eine neue Quelle erschlossen? Und ist der Staat zum produktiven Sektor geworden, obwohl er ja gemeinhin nicht fürs Erwirtschaften, sondern fürs Ausgeben zuständig ist? Ach was. Der Staat hat schon seit langem kein Einnahmeproblem, und das liegt an einer noch immer verlässlichen Größe.
Denn natürlich sprudelt es lediglich aus jener bekannten und vertrauten „Quelle“, die gemeinhin im Generalverdacht steht, ein Sünderlein zu sein: der Steuerbürger hat in alter Treue seinen Obolus abgeliefert – „ein politisches Dressurergebnis, das jeden Finanzminister des Absolutismus vor Neid hätte erblassen lassen.“
Was tun mit der ganzen Kohle? Ausgeben – da wird sich schon was finden? Überraschung! Selbst die SPD ist derzeit der Meinung, dass dem Steuerbürger mehr als nur ein Schultertätscheln gebührt, ja, es müsse sogar „Steuererleichterungen“ geben.
Wir erinnern uns: mit diesem Programm ist 2005 Angela Merkel in den Wahlkampf gezogen – mit einem Programm, das nichts als vernünftig war. Insbesondere gelte es, den „Mittelstandsbauch“ glattzubügeln, hieß es damals, und die „kalte Progression“ abzuschaffen, durch die insbesondere in der unteren Mittelschicht jeder Lohnzuwachs umgehend weggesteuert wird und mit deren Hilfe der Staat sich Jahr für Jahr außergesetzlich bereichert.
Wir wissen: aus alledem wurde nichts, nicht in der ersten großen Koalition und noch nicht einmal in der Koalition der CDU mit den Liberalen.
Wir lernen: was der Staat einmal hat, gibt er nicht wieder her. Und so bleibt uns die Sektsteuer, eingeführt im Jahr 1902, ebenso ewiglich erhalten wie der „Solidaritätszuschlag“, mit dessen Hilfe einst die nun schon 25 Jahre alte deutsche Einheit finanziert werden sollte.
Überschuss längst ausgegeben?
Die meisten Steuerzahler werden es auf Wahlkampfgedöns schieben, dass wieder einmal von Steuersenkungen geredet wird. Die Kanzlerin hat im Übrigen längst abgewinkt. Denn es braucht nicht viel Phantasie, um sich auszurechnen, wofür das ganze Geld draufgehen wird: für allgemeine pädagogische Volksbeglückung, für allerlei Minderheitenprojekte und vor allem für die Folgekosten der unkontrollierten Zuwanderung.
Asylsuchende in Deutschland
Die beim Bamf eingegangenen Asylgesuche bilden die einzige gesicherte Zahl. Im Gesamtjahr 2015 waren das 476.649 und damit rund 273.800 oder 135 Prozent mehr als 2014. Die bisherige Rekordzahl liegt 23 Jahre zurück: Unter anderem als Folge der Balkan-Kriege gab es 1992 438.200 Asylanträge.
Hauptherkunftsländer der Antragsteller waren 2015 Syrien (162.510), Albanien (54.762), Kosovo (37.095), Afghanistan (31.902) und Irak (31.379). Nimmt man noch Serbien (26.945) und Mazedonien (14.131) hinzu, kamen rund 133.000 Asylanträge aus vier der sechs Westbalkan-Länder, die 2014 und 2015 zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden.
Eingereist sind 2015 weitaus mehr Flüchtlinge und Asylbewerber. Das zeigt die Datenbasis zur Erstverteilung von Asylsuchenden (Easy), in der Schutzsuchende registriert werden, um nach einem festgelegten Schlüssel auf die einzelnen Bundesländer verteilt zu werden. Dort wurden laut Innenministerium 2015 rund 1,092 Millionen Zugänge registriert. Darunter waren rund 428.500 Syrer (rund 40 Prozent). Während die Neuzugänge bis November jeden Monat deutlich stiegen, gingen sie im Dezember zurück auf 127.300 nach 206.100 im Vormonat.
Die Easy-Zahl übersteigt die Asylanträge, weil viele Asylsuchende schon vor dem Asylantrag von den Ländern an die Kommunen weitergeleitet werden, da die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen erschöpft sind. Der formale Asylantrag kann sich daher um Wochen verzögern. Eine unbekannte Zahl der bei Easy Registrierten nutzt Deutschland auch nur als Durchgangsstation etwa auf der Reise nach Skandinavien.
Das Bundesamt für Migration entscheidet zwar über mehr Anträge als im vorigen Jahr. Doch mit dem raschen Zustrom der Flüchtlinge hält es nicht Schritt. Laut Bilanz für 2015 wurden 282.726 Entscheidungen getroffen, mehr als doppelt so viele wie 2014. Davon erhielten 48,5 Prozent den Flüchtlingsstatus laut Genfer Konvention zuerkannt und dürfen damit in Deutschland bleiben. Davon wiederum wurden 2029 (0,7 Prozent aller Entscheidungen) als Asylberechtigte nach Artikel 16a des Grundgesetzes anerkannt. Von den entschiedenen syrischen Anträgen wurden 95,8 Prozent als Flüchtlinge anerkannt. Für Albaner, Kosovaren und Serben lag die Quote bei null Prozent.
Die Zahl der noch nicht entschiedenen Anträge stieg bis Ende 2015 auf 364.664. Hinzu kommt eine nicht bezifferbare Zahl von Flüchtlingen, die bereits registriert sind, deren Asylantrag aber noch nicht erfasst wurde. Der Antragsrückstau ist eines der größten Probleme. Das Bamf hat daher für 2016 4000 weitere Stellen bewilligt bekommen, wodurch die Mitarbeiterzahl auf etwa 7300 steigt. Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise, der auch Chef der Bundesagentur für Arbeit ist, zeigte sich am Dienstag zuversichtlich, dass die 4000 neuen Beschäftigten „im besten Fall bis Mitte des Jahres qualifiziert im Einsatz“ seien.
Als ersten Erfolg werten das Bamf und das Innenministerium, dass sich die Verfahrensdauer für Syrer verkürzt hat. Sie stieg nach Angaben des Innenministeriums von 3,5 Monaten (Januar 2015) zunächst auf 4,3 Monate (Juni), sank bis Dezember aber auf 2,5 Monate. Für Antragssteller, die seit Jahresbeginn 2016 eingereist sind, könnte es wieder länger dauern: Für sie gilt wieder die Einzelfallprüfung mit persönlicher Anhörung durch den sogenannten Entscheider.
Der Ökonom Bernd Raffelhüschen hat hochgerechnet, was der Migrantenzustrom kosten könnte – er rechnet mit 17 Milliarden jährlich, wenn es bei der bisherigen Zuwanderung bleibt und die Zuwandernden in ähnlichem Ausmaß wie die bereits hier lebenden Ausländer in den Arbeitsmarkt integriert werden können, was eine mehr als optimistische Einschätzung ist. Die Wirklichkeit dürfte weit weniger erfreulich sein, die wenigsten Zugewanderten haben eine dem Industrieland Deutschland entsprechende Qualifikation. Die kleine „Konjunkturwelle“, die die Zuwanderung verursacht, ist eine vernachlässigbare Größe, sie beruht auf Konsumausgaben oder der Einstellung von Lehrern und Sozialarbeitern, nicht auf zunehmender Produktivität.
Wenn Raffelhüschens Analyse stimmt, und er selbst hält sie für viel zu optimistisch, ist der sprudelnde Überschuss längst ausgegeben. Erheblich wahrscheinlicher als Steuersenkungen sind künftige Mehrbelastungen der Steuerbürger, sobald man nicht mehr dank niedriger Zinsen aufs Schuldenmachen ausweichen kann. Schuldenmachen aber verdeckt die Misere nur kurzfristig und hat auf nicht allzu lange Sicht noch dramatischere Folgen: Wachstum auf Pump schafft sozialen Unfrieden.
Der Ruf nach Steuersenkungen ist völlig richtig – und ist doch, kommt er von einer der Regierungsparteien, ausschließlich populistisch. Deutsche Regierungen haben es nicht erst unter Kanzlerin Merkel noch immer geschafft, Anlässe für Mehrausgaben zu erfinden, für die auch verlässlich zunehmende Einnahmen nicht ausreichen werden.
P.S.: Ein schöner Anlass wäre der Erhalt der deutschen Infrastruktur, die einst vorbildlich war. Ich bin mir sicher, dass mir darin alle zustimmen, die in diesem Sommer auf deutschen Autobahnen in die Ferien gereist sind.