Steuerbetrug an der Ladenkasse Wie Mogel-Kassen den Staat um Milliarden bringen

Seit Jahren prellen Steuerbetrüger den Fiskus mithilfe von Schummelsoftware, falschen Rechnungen oder sogenannten Mogelkassen. Experten schütteln den Kopf über die Untätigkeit des Staates. Der will nun doch was tun.

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Wenn es um betrügerische Imbissbuden- oder Kneipenbesitzer geht, sind sich Steuerfahnder für nichts zu schade. Da zählen sie schon mal aus einem Versteck heraus mit dem Fernglas die Gäste. Oder sie lassen wie Detektive eine bestellte Pizza im Labor wiegen, um anhand der ermittelten Menge den Einkauf der Zutaten hochzurechnen, mit dem Verkauf zu vergleichen und mögliche verschwiegene Erlöse aufzudecken. Verdächtig ist auch, wenn ein Gastronom mehr Schnitzel einkauft, seine Einnahmen aber sinken.

Dass mit diesem Zeitreihenvergleich - so heißt die Kontrollmethode in der Sprache der Finanzbeamten - der Steuerbetrug in der Gastronomie im ganz großen Stil bekämpft werden kann, darf bezweifelt werden. Es hilft aber. Der Bundesfinanzhof mahnte jüngst jedoch einen zurückhaltenden Umgang mit dieser Schätzmethode an.

Die obersten Finanzrichter machen in ihrem Urteil aber auch klar: „Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar.“ Und von solchen Möglichkeiten werde in der betrieblichen Praxis durchaus Gebrauch gemacht. Was auch der Bundesrechnungshof in einem internen Bericht an das Bundesfinanzministerium jüngst beklagte.

Steuerbetrug über manipulierte Kassen - in der Gastronomie, in Einzelhandel, Apotheken und anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil wie Taxis, Tankstellen und Friseure - kostet den Staat Milliarden. Der Bundesrechnungshof spricht vom „Massenphänomen“ und schätzt, dass der Fiskus jährlich Einnahmen von bis zu zehn Milliarden Euro verliere, weil Unternehmen Umsätze nicht oder falsch erfassten. Die Steuergewerkschaft nennt diese zehn Milliarden nur ein Minimum.

Die kriminelle Energie der Täter ist groß: Einer soll die Steuern über eine Zeitraum von drei Jahren um 300.000 Euro verkürzt haben, indem er Kassenbuchungen nachträglich stornierte. Ein Apotheker wurde dabei erwischt, wie er das System manipuliert und über Jahre 370.000 Euro Barmittel aus der Kasse entnommen hat.

„Spezielle Software ermöglicht es Steuerhinterziehern inzwischen „spielend“, Aufzeichnungen ihrer Kassensysteme zu manipulieren“, heißt es im Rechnungshof-Bericht. Sie zeichneten Bedieneingaben nicht auf oder löschten Daten. Software ersetze ganze Datenbanken, erfasse nicht erfolgte Geschäftsvorgänge oder verkürze Umsätze.

Einige Beispiele für solche Mogeleien an Kassen - von primitiv bis raffiniert: Beliebt ist die „Trainingseinstellung“. Eingaben des „Trainingskellners“ werden als Übung abgebucht und nicht als tatsächliche Umsätze. Gern wird die „Zwischenrechnung“ missbraucht, die kein Kassenbon zum Abkassieren ist. Oder es werden nicht alle tragbaren Kassen-Geräte erfasst. Bei Hightech-Schwindeleien haben selbst IT-Experten Probleme, die versteckte und externe Manipulationssoftware sowie Schummelprogramme zu entdecken.

Seit mehr als zehn Jahren fordern die Rechnungsprüfer nach eigener Aussage eingriffssichere Kassensysteme. „Wir konnten bisher nicht feststellen, dass sich die Besteuerung bargeldintensiver Unternehmen verbessert hat“, heißt es in ihrem Bericht vom Mai.

Inzwischen gibt es Bewegung. Bis zum Herbst wollen Bund und Länder ein Gesamtkonzept vorlegen. Ende Juni verständigten sich die Länder-Finanzminister darauf, manipulationssichere Kassen einführen zu wollen und dabei auf den Wettbewerb verschiedener Anbieter und Lösungen zu setzen. Der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz, Hessens Ressortchef Thomas Schäfer (CDU), ist entschlossen: „Wir sagen diesen Steuerhinterziehern klar den Kampf an.“

Details aber sind weiter offen - etwa Übergangsfristen oder der Zeitplan. Statt auf eine EU-weite Regelung zu warten, würden die Länder notfalls auch in einem nationalem Alleingang vorpreschen. Der Chef der Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, gibt sich wenig optimistisch: „Ich sehe derzeit nicht, dass es schnell weitergeht.“

Nötig sei eine Pflicht für Registrierkassen und die verbindliche Einführung fälschungssicherer Chips. Das System dafür gebe es schon und koste relativ wenig. Und auch mit Blick auf das BFH-Urteil zu „Fesseln“ bei der Schätzmethode moniert Eigenthaler: „Wenn man die Methoden der Betriebsprüfer beschneidet, gleichzeitig aber nichts gegen Manipulationen unternimmt, darf man sich nicht wundern, wenn Jahr für Jahr Milliarden-Verluste für den Staat anfallen.“

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