Steuerhinterziehung Wie Schäuble weltweit Steuersünder jagt

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Nur wenige Abschleicher

Die Verstecke der Schwarzgeld-Schmuggler
"Haben Sie Bargeld dabei?"Zöllner kontrollieren stichprobenartig, ob Reisende hohe Bargeldsummen im Gepäck haben. Die Kontrollen können direkt am Grenzübergang stattfinden, aber auch durch mobile Einsatztrupps, die einige Kilometer im Landesinneren lauern. Wer mehr als 10.000 Euro dabei hat, muss dies den Zöllnern mitteilen. Wenn Reisende schweigen und die Ermittler trotzdem hohe Summen finden, informieren sie per Kontrollmitteilung das Finanzamt des Betroffenen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Schmuggelroute Bregenz - Lindau: Besonders häufig sind die Zöllner an den Grenzen zu Luxemburg und der Schweiz unterwegs. Zahlreiche Bargeldfunde melden traditionell die Beamten aus der Region Lindau am Bodensee. Dort - im Dreiländereck Schweiz-Österreich-Deutschland - kommen zahlreiche Steuerflüchtige vorbei, die ihr Schwarzgeld zurück in die Heimat schmuggeln wollen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Daten-CD's schrecken Hinterzieher auf: 2010 war für Deutschlands Bargeld-Fahnder ein Rekordjahr. Die Tatsache, dass der deutsche Fiskus eine CD mit Kundendaten der Schweizer Großbank Credit Suisse gekauft hatte, schreckte zahlreiche Hinterzieher auf. Viele entschieden sich für eine strafbefreiende Selbstanzeige beim Finanzamt, andere versuchten, ihr Geld heimlich zurückzuholen. Aber längst nicht allen Steuersündern gelang es, durch die Zollkontrollen zu schlüpfen. Quelle: Reuters
Angst vor dem Abkommen:Auch 2011 blieb die Angst vor Entdeckung groß - vor allem wegen des Steuerabkommens, über das Deutschland und die Schweiz verhandeln. Es sieht eine engere Kooperation der eidgenössischen Banken mit deutschen Steuerfahndern sowie eine pauschale Strafsteuer für Schwarzgeld vor. Ob das Abkommen in Kraft tritt, steht aber noch nicht fest, da die SPD Nachbesserungen fordert. Quelle: dapd
Scheine ohne Ende: Allein die Fahnder im Großraum Lindau (Bodensee) stellten 2011 rund drei Millionen Euro Bargeld sicher und fanden in den Unterlagen von Reisenden Konto- und Depotauszüge, die auf ein Auslandsvermögen von satten 500 Millionen Euro hindeuten. Schätzungen zufolge dürften sich daraus Steuernachzahlungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich für den deutschen Fiskus ergeben - allein durch Funde in Lindau und Umgebung, wohlgemerkt. Quelle: dpa
Schlechtes Versteck im Koffer:Nur selten liegt das Bargeld ganz offen im Koffer wie im Fall dieses Krimi-Fans, den die Lindauer Zöllner kürzlich schnappten. Die meisten Schmuggler lassen sich bessere Verstecke einfallen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Cash am Körper: Großer Beliebtheit erfreuen sich Taschen, die unter der Kleidung ganz eng am Körper getragen werden. Anfang März erwischten Zöllner am Grenzübergang Bietingen einen 59-jährigen Metzgermeister aus Bayern, der 147.000 Euro in zwei Bauchtaschen schmuggelte. Wegen Nichtanmeldens des Bargeldes muss er nun ein Bußgeld zahlen, zudem wird sein Heimatfinanzamt informiert - dem er dann erklären muss, woher das Geld stammt. Quelle: Hauptzollamt Ulm

Den Schweizer Banken sitzt die Angst im Nacken – nicht nur vor einem weiteren Reputationsverlust. Im Abkommen haben sie sich verpflichtet, vorab eine Garantiesumme von zwei Milliarden Franken (1,7 Milliarden Euro) an Deutschland zu überweisen. Dieses Geld bekommen sie erst dann komplett zurück, wenn vier Milliarden Franken aus der Nachversteuerung zusammengekommen sind. "Damit machen wir die Schweizer Banken zu unseren besten Verbündeten", freut sich Finanzstaatssekretär Koschyk.

Viele Abschleicher gibt es offenkundig nicht. Nur ein Prozent der deutschen Vermögen sei bisher aus der Schweiz abgeflossen, ermittelten zwei Großbanken bei einer Depotanalyse. Bei der UBS gingen davon zwischen Mitte 2010 und 2012 rund 55 Prozent nach Deutschland, weitere 30 Prozent in andere europäische Staaten mit Informationsaustausch, in die USA oder zu anderen Schweizer Banken. In die übrigen außereuropäischen Länder floss "jeweils deutlich weniger als ein Prozent", teilte die UBS mit; bezogen auf die deutschen Kontovermögen insgesamt sind dies weniger als 0,1 Promille.

Das senkt die Steuerlast
Außergewöhnliche BelastungenIm Mantelbogen für die Einkommensteuererklärung können sogenannte außergewöhnliche Belastungen eingetragen werden, die die Steuerlast senken. Was genau als solche Belastung gilt, ist im Steuergesetz nicht klar abgegrenzt. „Wie der Name schon sagt, müssen es aber finanzielle Belastungen sein, die besonders sind und nicht jeden Steuerzahler betreffen“, sagt Wolfgang Wawro, Steuerberater und Vorstandsmitglied des Deutschen Steuerberaterverbandes. Einige Beispiele werden in dem Formular des Finanzamts genannt. Quelle: dpa
Behinderte Menschen und HinterbliebeneWer behindert ist, kann sich einen Behindertenpauschbetrag anrechnen lassen. Dieser richtet sich nach dem Umfang und der Art der Behinderung und liegt zwischen 310 Euro und 3.700 Euro jährlich. Hinterbliebenen wird unter besonderen Umständen ein Hinterbliebenenpauschbetrag von jährlich 370 Euro gewährt. Quelle: ZB
Pflege-PauschbetragPersonen, die einen hilflosen Angehörigen persönlich und unentgeltlich in der eigenen oder in der Wohnung des hilflosen Menschen pflegen, können dafür einen Pflege-Pauschbetrag bekommen. Dieser liegt bei 924 Euro. Auch dies gilt als außergewöhnliche Belastung. Quelle: dpa
Unterhaltszahlungen an bedürftige PersonenSteuerzahler, die eine bedürftige Person – beispielsweise die Großmutter oder ein Kind, für das kein Kindergeld gewährt wird – finanziell unterstützen, können auch dies als außergewöhnliche Belastung geltend machen. „Die Bedürftigkeit muss jedoch nachgewiesen werden“, sagt der Berliner Steuerberater Wolfgang Wawro. „Wenn Eltern ihren Sohn unterstützen, weil dieser zu faul zum Arbeiten ist, gilt er nicht als bedürftig und die Ausgaben wirken nicht steuermindernd.“ Wenn der Sohn aber wegen seines Studiums kein eigenes Einkommen hat, wird die Unterhaltszahlung vom Finanzamt anerkannt. Quelle: dpa
Andere außergewöhnliche BelastungenIm Mantelbogen der Steuererklärung findet sich zudem die Rubrik „andere außergewöhnliche Belastungen“. Als Beispiele werden Ehescheidungskosten, Fahrtkosten behinderter Menschen, Krankheitskosten, Kurkosten und Pflegekosten genannt. „Ehescheidungskosten sind außergewöhnliche Belastungen, weil ohne Gericht und Anwalt eine Ehe nicht geschieden werden kann“, erklärt Steuerberater Wawro. Quelle: dpa
SonderausgabenDie zweite große Kategorie von Ausgaben, die sich steuermindernd auswirken, sind Sonderausgaben. Was dazu zählt, ist in Paragraph zehn des Einkommensteuergesetzes geregelt. „Die Grenzen sind hier relativ starr“, sagt Steuerberater Wawro. „Wie der Name schon sagt, sind das besondere Ausgaben, die – anders als Betriebsausgaben oder Werbungskosten – nicht im Zusammenhang zu den Einkünften oder dem Betrieb stehen.“ Hinter der Begünstigung stecke häufig ein konkretes Interesse des Staates. So lassen sich etwa Versicherungen als Sonderausgaben geltend machen, denn es ist staatlich gewünscht, dass die Bürger für gegen bestimmte Risiken absichern. Zu diesen Versicherungen zählen beispielsweise: Sozialversicherungsbeiträge in die Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung, Berufsunfähigkeits-/ Erwerbsminderungsversicherung, Unfallversicherung. Sachversicherungen wie Hausrat-, Feuer-, Diebstahl- und Voll- oder Teilkaskoversicherungen beim Auto sowie Rechtschutzversicherungen gehören nicht dazu. Quelle: dpa
AltersvorsorgeFür das Alter vorsorgen lohnt sich doppelt. Denn Zahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung, für berufliche Versorgungswerke und Rürup-Verträge mindern die Steuerlast. Sie können unter der Rubrik Sonderausgaben angegeben werden. Für Alleinstehende werden pro Jahr maximal 20.000 Euro anerkannt (40.000 Euro für Eheleute). Tatsächlich von der Steuerlast abgezogen werden 72 Prozent (für 2011) dieser Ausgaben, also maximal 14.400 Euro. Jedes Jahr erhöht sich der Abzugsprozentsatz um zwei Prozent, bis im Jahr 2025 100 Prozent erreicht sind. Quelle: dpa

Sozialdemokraten wollen Steuer-CDs

Die meisten Steuersünder wollen offenbar ihren Frieden schließen, zumindest aber nicht weiterflüchten. Viele der betroffenen Bundesbürger deponierten ihr Geld vor Jahrzehnten in Zürich, nicht allein um Steuern zu sparen. Nicht minder starke Motive waren die Angst vor einer weiteren Währungsreform und Russland. Der Kalte Krieg aber ist längst vorbei, und wer heute 70 oder 80 Jahre alt ist, möchte seinen Erben nicht unbedingt ein heißes Schweizer Konto hinterlassen.

Das Kontrastprogramm zum Abkommen heißt für die Sozialdemokraten Steuer-CDs. Sie seien "das wirksamste Instrument gegen Steuerhinterzieher", bekräftigt der nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans. Damit aber fällt er Bundesfinanzminister Schäuble in den Rücken. Denn im ausgehandelten Abkommen mit der Schweiz verzichtet die Bundesregierung ausdrücklich auf den weiteren Ankauf gestohlener Datenträger.

Immer weniger Selbstanzeigen

Der Erfolg der CDs ist umstritten. Verurteilt wurden deswegen allein in NRW erst elf Beschuldigte, räumte Walter-Borjans unlängst auf eine Anfrage der Piraten ein. Allerdings haben sich seit 2010 ungefähr 6700 Steuerflüchtlinge in NRW, bundesweit rund 30 000, selbst angezeigt. Aus Selbstanzeigen, Geldbußen und Strafen nahm NRW seit Frühjahr 2010 insgesamt 570 Millionen Euro ein. Doch nach der ersten Flutwelle ist die Zahl der Selbstanzeigen zu einem Rinnsal geschrumpft.

Derweil gestaltet sich die Auswertung der Daten äußerst schwierig. So müssen die meist ungeordneten Datenfragmente aufwendig zusammengefügt werden, was mehrere Jahre dauern kann. Zum anderen können die Daten auch gefälscht sein. Vor Gericht haben sie jedenfalls keine Beweiskraft. Sie bilden lediglich Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen – oder für eine Hausdurchsuchung, wie im Fall des früheren Top-Managers Klaus Zumwinkel. In dessen Haus erst haben die Fahnder beweiskräftige Unterlagen sicherstellen können.

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