Steuerkrieg So will Schäuble im Steuerwettbewerb punkten

Seite 3/3

Schlechtfeld Osteuropa

Trumps Maßnahmen sind nur auf eine Weise zu verstehen, als „klare Kampfansage an andere Nationen“, sagt Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Das wiegt besonders schwer, weil die USA – anders als ökonomisch schwächere Länder, die Wettbewerbsnachteile durch ein günstiges Steuerklima ausgleichen wollen – schon jetzt als weltgrößter Markt besonders attraktiv sind. Bieten die Vereinigten Staaten nun solche Steueranreize, kann der Rest der Welt noch schwerer mithalten.

Was keineswegs heißt, dass es andere Regionen nicht zumindest versuchen würden – etwa Ungarn unter dem Autokraten Viktor Orbán. Zum 1. Januar 2017 senkte der ungarische Regierungschef die reguläre Körperschaftsteuer von 19 auf 9 Prozent, ein EU-Minusrekord.

Aus der Not geboren, behauptet der Ökonom András Inotai vom Budapester Institut für Weltwirtschaft. „Wir hatten in den letzten Jahren praktisch kaum Neuinvestitionen“, sagt Inotai.

Die Einkommensteuer per Goldhandel auf null drücken? Deutschlands oberstes Finanzgericht hat das jetzt in Altfällen für legal erklärt. Erlauben konnten sich das aber nur Reiche.
von Mark Fehr

Was Orbán aber genau bei dem Schritt vorschwebt, ist in Györ zu besichtigen, einer Stadt im Nordwesten des Landes, rund 130.000 Einwohner. Dort arbeiten 11.600 Menschen bei Audi, Tendenz steigend. Dazu kommen Dutzende Zulieferer.

In Györ ist eine Audi-Arena zu bestaunen. Der Autokonzern finanziert Kindergärten und Schulen, dazu drei Lehrstühle an der Universität, er unterhält ein eigenes Bildungszentrum. Sogar einen Eisenbahnanschluss gibt es nur für Audi.

Mit dem Neun-Prozent-Schnäppchen hofft der ungarische Regierungschef auf weitere Erfolgsgeschichten wie in Györ. Opel und Mercedes sind auch schon da.

Schäubles Konter

Und noch etwas hat Orbán erreicht – eine weitere Runde im Steuerkrieg der Mittel- und Südosteuropäer. In Bulgarien gilt eine Flat Tax von zehn Prozent, Rumänien diskutiert die komplette Abschaffung der 16-prozentigen Flat Tax.

Doch auch Nachbar Österreich mischt mit. Wie sehr, ist in einem der traditionellen Arbeiterviertel Wiens zu besichtigen, in Meidling. Dort investiert der Konzern Boehringer Ingelheim gerade 500 Millionen Euro in eine biopharmazeutische Anlage. Österreichs Bundeskanzler Christian Kern ließ es sich Anfang April nicht nehmen, den ersten Spatenstich zu setzen.

Die Entscheidung von Boehringer Ingelheim zugunsten von Wien dürfte nicht schwergefallen sein. Denn die Alpenrepublik erstattet dem Konzern zwölf Prozent Forschungsprämie auf alle Ausgaben in diesem Bereich. Ab nächstem Jahr sollen es sogar 14 Prozent sein.

Haben deutsche Unternehmen über unangemeldete Niederlassungen in Malta Steuern hinterzogen? Das legen laut NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans Ermittlungen nordrhein-westfälischer Steuerfahnder nahe.

Deutschland mag sich derlei Anreize bislang nicht leisten. Eindeutig ein Wettbewerbsnachteil, meint Boehringer Ingelheim. Vorstandschef Hubertus von Baumbach plädiert für eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (F&E) auch hierzulande. Es gehe darum, so von Baumbach, Deutschland „als attraktiven Zukunftsstandort zu positionieren mit dem Ziel, international wettbewerbsfähig zu bleiben“.

Die Botschaft stößt im Berliner Bundesfinanzministerium auf wenig Begeisterung – sie ist aber angekommen. Schäubles Beamte arbeiten seit Monaten insgeheim an einer Unternehmensteuerreform. Den regulären Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent (plus rund 15 Prozent kommunale Gewerbesteuer) wollen sie zwar nicht antasten. Das wäre wohl auch das falsche Signal an die anderen Beps-Länder. Schließlich hält Schäuble offiziell am Ziel seines Großprojektes fest.

Aber die Beamten wägen sorgfältig Vor- und Nachteile steuerlicher F&E-Varianten. Favorit ist derzeit ein direkter Lohnsteuerabzug. Unternehmen könnten danach bei all ihren Beschäftigten in Deutschland in den Bereichen Forschung und Entwicklung 10 bis 15 Prozent der Lohnsteuer am Monatsende direkt in ihre Firmenkasse umleiten. Eine Riesenersparnis, sofort wirksam.

Schäuble würde so gleich mehrere Ziele auf einmal verwirklichen. Er könnte mit diesem Steuernachlass gezielt Zukunftsinvestitionen fördern. Der Standort Deutschland stünde im Kampf um die digitale Wertschöpfung von morgen besser da. Besonders innovative Firmen und Wissenschaftler würden an Deutschland gebunden. Und das sichert dann langfristig auch erhebliche Steuereinnahmen.

So ein F&E-Bonus wäre zunächst natürlich teuer. Doch Schäuble hat genug Geld, vorige Woche konnte er weiter kräftig steigende Steuereinnahmen verkünden. Man wisse nicht, sagte der Minister bei der Vorstellung der Steuerschätzzahlen verschmitzt, wofür man die zusätzlichen Milliarden noch brauchen könne.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%