Steuerlast Bis heute haben Sie nur für den Staat gearbeitet

Seite 3/4

Kalte Progression

Die größten Steuerverschwendungen der Regierung
Deutschland ist Weltmeister im Hopfenexport. Da könnte man meinen, diese Sparte der Landwirtschaft kann auch ohne Subventionen auskommen. Das sieht die Bundesregierung anders: Rund 260.000 Euro zahlt das Landwirtschaftsministerium für die Entwicklung einer automatischen Hopfenernte. Damit kann die Branche in Zukunft ihr Margen erhöhen – zu Lasten der Saisonarbeiter und des Steuerzahlers. Quelle: dpa
Auch der Sportwagenhersteller Porsche springt auf den Trend E-Auto an und arbeitet an einer elektrischen Version des Panamera. Da freut die Bundesregierung sehr – und zahlt Porsche dafür rund 850.000 Euro. Bei einem Gewinn in 2012 von 1,8 Milliarden Euro wohl Peanuts für die Stuttgarter – und umso ärgerlicher für das Gemeinwesen. Und das ist erst der Anfang: Mehr als 22 Millionen Euro Steuergelder fließen in ein E-Auto-Gemeinschaftsprojekt von führenden Industrieunternehmen und Universitäten – auch das ist Porsche mittendrin. Quelle: dpa
Die Deutschen mögen ihren Wein – so sehr, dass sie auch den Winzern unter die Armen greifen. Da Weinberge an manchen Stellen schwer zugänglich sind, geben die Bürger 800.000 Euro für die Entwicklung Roboter-Hubschraubers aus, der eigenständig Pflanzenschutzmittel auf den Reben verteilen soll. Quelle: dpa
Die großen Energieriesen in Deutschland wollen grüner werden – und das nicht nur aus Imagegründen.. Schon allein aus finanziellen Gründen haben die Unternehmen ein Interesse daran, ihre Emissionen zu verringern. Da helfen groß angelegte Forschungsprojekte, etwa an CO2-Filteranlagen für Braunkohlekraftwerke. Ein Glück, das trotz der Milliardenumsätze der Konzerne auch die Bundesregierung ihren finanziellen Beitrag – oder besser, den der Bürger – dazu leisten will: bis 2013 noch gut 4,2 Millionen Euro aus der Staatskasse. Und das für eine etwas saubere Verbrennung eines fossilen Energieträgers. Quelle: dpa
Die Fußball-Fans freuen sich über die Erfolge der deutschen Teams in der Champions League. Gerade Bayern München und Borussia Dortmund begeistern – und das soll auch mit Hilfe von Steuergeldern in Zukunft so bleiben. Denn gerade der BVB ist für die Zukunft gut aufgestellt – mit dem automatisierten Hightech-Trainingsraum Footbonaut. Damit der bald noch besser funktioniert, gibt der Bund rund 572.000 Euro für die Weiterentwicklung des Trainingsroboters aus. Quelle: dpa
Auch der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes für das Bauunternehmen Züblin liegt der Politik an Herzen. Da es als Demonstrationsobjekt für Niedrigstenergie-Gebäude dienen soll, gibt Vater Staat rund 560.000 Euro dazu. Und bevor sich das Säckel wieder schließt, hat sich Züblin – ein Konzern mit Milliardenumsatz – nach den Informationen des Steuerzahlerbundes weitere 600.000 Euro Forschungszuschüsse gesichert. Quelle: dpa
Firmen, die an Energiewende-Projekten arbeiten, profitieren momentan besonders von Subventionen. So gehen etwa 6,4 Millionen Euro an Bxi Innotech, die Brennstoffzellen für Eigenheime entwickelt – und das unternehmerische Risiko federt der Steuerzahler deutlich ab. Quelle: dpa

Als nichtstaatliche Abgabe zählt auch die Rundfunkgebühr von 17,98 Euro im Monat. Damit sich niemand der Gebühr entziehen kann, müssen seit Jahresbeginn jeder Haushalt und Betrieb zahlen – egal, ob sie Radio- oder TV-Geräte besitzen oder nicht. Für einen Privathaushalt sind das 215,76 Euro im Jahr; insgesamt kassieren ARD und ZDF rund 7,5 Milliarden Euro. Kalendarisch gesehen: Einen guten Tag arbeiten wir nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Also noch ein Sekt gefällig? Der 13. Juli böte einen Anlass.

Zu den Tricks der Politik gehört auch, das Volk mit Euphemismen zu narkotisieren. Der Solidaritätszuschlag etwa hat nur noch wenig mit brüderlicher Aufbauhilfe für den Osten zu tun. Den 14 Milliarden Euro Soli-Aufkommen stehen in diesem Jahr nur schätzungsweise sechs Milliarden Euro an Ausgaben für den Aufbau Ost gegenüber. Bis 2019 summieren sich die Überschüsse aus der Sonderabgabe auf ungefähr 100 Milliarden Euro, die allein dem Bundeshaushalt zugute kommen. Ob der Soli danach wie ursprünglich vereinbart verschwindet? SPD, Grüne und die Linke fordern schon jetzt den dauerhaften Fortbestand des 5,5-prozentigen Zuschlags auf Einkommen-, Abgeltung- und Körperschaftsteuer. Das erinnert an die Sektsteuer, die im Kaiserreich zur Finanzierung der Kriegsflotte eingeführt wurde und unter den Nazis als Beitrag für den U-Boot-Bau galt. Zwei verlorene Kriege und 111 Jahre hat diese Steuer inzwischen überlebt.

Als „Ökosteuer“ adelte die rot-grüne Bundesregierung 1999 gar die Einführung der Stromsteuer und Aufschläge bei der Mineralölsteuer. Um die Akzeptanz zu erhöhen, versprach die Regierung, die Einnahmen zur Stabilisierung der Rentenversicherung zu verwenden. Ähnlich obskur war und ist der Umgang mit der Tabaksteuer. Diese wurde unter anderem erhöht, um zusätzliche Sicherheitsausgaben nach den New Yorker Anschlägen vom 11. September 2001 zu finanzieren. Kommentar des damaligen FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle: „Rauchen für die Sicherheit, Rasen für die Rente. Das ist keine Finanzpolitik, das ist Gaga.“

Dass Westerwelle später zu schwarz-gelben Koalitionszeiten auf eine Rücknahme dieser Steuern gedrängt habe, ist indes nicht überliefert. Einmal eingeführte Steuern fristen ein zähes Eigenleben, sobald sich das Volk an sie gewöhnt hat.

Heimliche Steuererhöhungen passen da ins Regier- und Kassiermuster. Am bekanntesten und effektivsten ist die sogenannte kalte Progression (siehe Tabelle). Beschäftigte rutschen dabei durch Lohnerhöhungen auf der progressiven Steuertarifkurve nach oben und müssen einen höheren Prozentsatz ihres Einkommens an den Fiskus abliefern. Bei einem Single mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 30.000 Euro beispielsweise bedeutet dies nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes: Gehaltszuwächse um 13 Prozent bis 2017 führen zu 23 Prozent mehr Steuerlast. Im Extremfall kann das dazu führen, dass Arbeitnehmer nach einer Lohnerhöhung netto weniger im Portemonnaie haben.

Musterrechnung: Ärgernis kalte Progression

Wenn das Einkommen innerhalb von

vier Jahren um 13,3 Prozent* steigt...

...erhöht sich die Steuerlast der Arbeitnehmer überproportional...

...und das zusätzlich verdiente

Geld bleibt z einem großen Teil beim Staat

2013201720132017

Veränderung

Einkommen (netto)

Veränderung

der Steuerlast

20.00022.60028233596+10,6 Prozent+27,4 Prozent
30.00033.9905908727410,923,1
40.00045.320947611.57110,622,1
50.00056.65013.52716.45410,221,6
60.00067.98017.93810,610,619,7

*Wert entspricht dem fortgeschriebenen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst; Annahme: Alleinstehender, konstanter Steuertarif

Quelle: Bund der Steuerzahler, eigene Berechnungen

Drei Milliarden Euro pro anno kassiert der Fiskus durch die kalte Progression. Ende vorigen Jahres wollte die schwarz-gelbe Koalition endlich diesen leistungsfeindlichen Automatismus abschaffen, doch scheiterte sie am rot-grünen Widerstand im Bundesrat. Die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen und SPD-Wortführerin Hannelore Kraft erklärte ihr Nein zum Abbau der kalten Progression mit den Worten: „Auch ich würde gerne Geschenke verteilen, aber Ländern und Kommunen fehlen dafür die notwendigen Finanzmittel.“

Krafts Worte sind bemerkenswert. Zum einen reichen die Rekordeinnahmen offenbar immer noch nicht aus, um die öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen. Zum anderen illustriert die Formulierung der SPD-Politikerin – „Geschenke verteilen...“ –, wie sie das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern sieht. Was der Staat seinen Bürgern nicht wegnimmt, versteht die Sozialdemokratin als „Geschenk“. Das wirkt wie roter Absolutismus.

Dazu passen trefflich die Wahlprogramme von SPD, Grünen und der Linken, die Einkommensteuer für Gutverdiener zu erhöhen und die Vermögensteuer wiederzubeleben. Allein die Grünen-Pläne würden das Steueraufkommen um 40 Milliarden Euro in die Höhe treiben, errechnete der Wirtschaftsverband Die Familienunternehmer. Statistisch gesehen müssten die Deutschen dann noch eine Woche länger für den Staat arbeiten – bis zum 20. Juli.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%