Steuermodelle Die große Umverteilung

SPD,Grüne und Linkspartei wollen Besserverdiener durch höhere Vermögens- und Einkommensteuern schröpfen. Die Handelsblatt-Steuerexperten haben nachgerechnet, welche Belastungen das für die Betroffenen bedeuten würde.

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Eine Hand hält eine Sammelbüchse. Quelle: dpa

Berlin Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün: In der Steuerpolitik zumindest läuft alles auf einen klassischen Lagerwahlkampf hinaus. Und anders als 2005 und 2009 wird er 2013 von links befeuert werden. Der Angriff richtet sich gegen Spitzenverdiener und Unternehmer. Sie sollen mehr als bisher zur Staatsfinanzierung beitragen. "Jeder weiß, was notwendig ist: die Konsolidierung der Staatsfinanzen, mehr Geld für Bildung und für die Kommunen", begründet dies SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Grünen trauen sich sogar, ihre eigene, gut verdienende Wählerklientel zu belasten. "Unsere Wähler sind bereit, Steuererhöhungen zu akzeptieren, die sie selbst belasten, wenn dies im Sinne des Gemeinwohls ist", sagt Bärbel Höhn, Vize-Fraktionschefin der Grünen.

Wie die Grünen am vergangenen Wochenende will die SPD am kommenden Wochenende auf einem Parteitag Steuererhöhungen ins Programm schreiben. Beide Parteien wollen einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent, eine höhere Abgeltungsteuer (SPD) oder gar ihre Abschaffung (Grüne) sowie eine Besteuerung von Vermögen und eine höhere Erbschaftsteuer.

Wer im Monat brutto mehr als 6200 Euro verdient, muss bei Rot-Grün künftig höhere Steuern zahlen, hat Frank Hechtner, Experte für betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der FU Berlin, für das Handelsblatt berechnet. Die Grünen übertreffen demnach die Sozialdemokraten bei der Umverteilung. Relativ besonders groß ist der Unterschied im Bereich der Monatsbruttolöhne von 10000 Euro. Nach den Plänen der SPD würden darauf monatlich 185,15 Euro zusätzlich an Steuern fällig, bei den Grünen sind es 290,30 Euro.

Für den Fall, dass es nach der Wahl sogar zu einem rot-rot-grünen Bündnis käme, erhielten die Steuersätze für Spitzenverdiener zusätzlich Auftrieb: Die Linke will einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Sie würde allerdings mittlere Einkommen entlasten. Wer aber 10 000 Euro monatlich verdient, müsste 414,17 Euro mehr Einkommensteuer zahlen. Dass die Linke im Bund mitregieren wird, gilt allerdings als extrem unwahrscheinlich. Ein rot-rot-grünes Bündnis will erklärtermaßen keine der drei Parteien eingehen.


Kontroverse Diskussionen um die Besteuerung

In der Wirtschaft schockt vor allem die Kombination aus den Erhöhungen gleich mehrerer Steuern. Während der Verband der Familienunternehmer eine leichte Einkommensteuererhöhung auf 45 Prozent unterhalb der heutigen Reichensteuer mit Blick auf die Haushaltslage noch mittragen würde, kritisiert sein Präsident Lutz Göbel die Pläne für eine Besteuerung des Vermögens. Dies "schwächt die wirtschaftliche Substanz der eigentümergeführten Betriebe in Deutschland und macht sie krisenanfälliger". Aus dem gleichen Grund lehnen Mittelständler eine höhere Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen ab.

DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben hält die Pläne für den "falschen Weg zur Konsolidierung". Der Staat habe ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem, sagt er mit Verweis auf die Steuereinnahmen, die auf Rekordniveau seien. "Richtig wäre es, endlich die Kostenbesteuerung bei der Gewerbesteuer abzuschaffen und die mangelhafte Verlustverrechnung im Steuerrecht zu entschärfen", verlangt er. Und bietet im Gegenzug an, dass die Wirtschaft bereit sei, "hierdurch möglicherweise entstehende Mindereinnahmen durch einen umfassenden Subventionsabbau mitzutragen" - etwa durch eine Subventionskürzung um 15 Prozent.
BDI vermisst den Sparwillen.

Den Sparwillen vermisst auch BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber bei SPD und Grünen. "Die Finanzkonzepte sind aus der Zeit gefallen", sagt er. "Gerade die Unternehmen in der Realwirtschaft, die Deutschland gerade erst fix aus der Krise gezogen haben, sollen mehr Steuern zahlen", kritisiert Kerber. "Haben denn die Steuerfachleute in den beiden Parteien vergessen, wie positiv sich die sinkenden Steuersätze unter der rot-grünen Bundesregierung auf Unternehmen, Arbeitsplätze und Einkommenschancen ausgewirkt haben?" erinnert er. Für den Mittelstand bedeutete eine Wiedereinführung der Vermögensteuer einen Wettbewerbsnachteil.


Linkspartei: Alptraum für Reiche und Erbe

Politisch gilt ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei im Bund derzeit als ausgeschlossen. In Steuerfragen jedoch wäre der linke Dreiklang schnell gefunden, denn auch die Linkspartei will Besserverdienende, Reiche, Erben und Unternehmen stärker zur Kasse bitten als bisher Konkret will die Linke bei der Einkommensteuer alle zusätzlich belasten, die mehr als 5850 Euro monatlich verdienen. Der Spitzensteuersatz soll wie einst unter Kanzler Helmut Kohl wieder 53 Prozent betragen und ab einem zu versteuernden Einkommen von 65 000 Euro greifen. Im Gegenzug soll der steile Anstieg der Steuersätze im unteren Einkommensbereich, der Mittelstandsbauch, so abgeflacht werden, dass das Steueraufkommen insgesamt konstant bleibt.

Kapitalerträge sollen wieder in die Einkommensteuer integriert werden, so dass der günstige Abgeltungsteuersatz entfiele. Das Ehegattensplitting wollen die Linken so umbauen, dass es nur noch Ehepaare begünstigt, die Kinder haben oder Pflegebedürftige versorgen. Die Vermögensteuer soll für alle Vermögen ab einer Million Euro eingeführt werden und fünf Prozent betragen - also weit höher als bei SPD und Grünen sein.

Kapitalgesellschaften will die Linke dadurch zur Kasse bitten, dass die Körperschaftsteuer wieder von 15 auf "mindestens 25 Prozent" steigt. "Unsinnige Steuerbefreiungen" wie etwa die Gewerbesteuerfreiheit von Kapitalanlagegesellschaften will die Linke abschaffen. Zudem will die Partei eine Finanztransaktionssteuer einführen.

Erben sollen dadurch stärker belastet werden, dass alle Begünstigten unabhängig vom Verhältnis zum Verstorbenen den gleichen Steuersatz zahlen sollen. Ein Freibetrag soll für über 60-Jährige, Kinder, Gatten und eine vom Vererbenden benannte Person 300 000 Euro und für alle anderen 150 000 Euro betragen.


Mittelstand soll bei Rot-Grün mehr zahlen

In Deutschland schlagen Einkommensteuererhöhungen stärker als in anderen Ländern auf die Unternehmen durch. Mehr als 95 Prozent der Firmen sind als Personengesellschaft organisiert und zahlen daher Einkommensteuer. Wenn etwa ein Mittelständler ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 350 000 Euro erzielt hat, müsste er im Vergleich zu heute nach dem SPD-Konzept 15 782 Euro mehr Steuern zahlen, bei den Grünen gar 16 978 Euro: Denn der Durchschnittssteuersatz stiege von heute 40 Prozent auf 45 (SPD) beziehungsweise 45,4 (Grüne) Prozent. Das hat Frank Hechtner von der FU Berlin berechnet. Bei 500 000 Euro wären nach den SPD-Plänen 21 822 Euro mehr zu zahlen, bei den Grünen 22 978 Euro. Ein Kleinunternehmer, der 30 000 Euro versteuert, bliebe bei der SPD von Steuererhöhungen noch verschont, die Grünen verlangten von ihm acht Euro zusätzlich.

Die Grünen versprechen den Unternehmern jedoch, für Gewinne, die im Unternehmen reinvestiert werden, bessere Steuervergünstigungen als die heutige Thesaurierungsrücklage. Diese Vergünstigung war 2008 mit der schwarz-roten Unternehmensteuerreform eingeführt worden, damit Personengesellschaften genauso von Steuersenkungen profitieren wie Aktiengesellschaften und GmbHs: Für diese wurde damals die Körperschaftsteuer gesenkt. Die Unternehmensverbände klagen jedoch unisono darüber, dass die Thesaurierungsrücklage so kompliziert sei, dass sie kaum ein Unternehmer nutze.

Bei den Grünen kritisiert etwa der DIHK, dass das Versprechen, dies zu verbessern, bisher nicht konkretisiert wurde. Im Prinzip könnten SPD und Grüne erwägen, Personenunternehmen die Wahl zum Körperschaftsteuerrecht zu ermöglichen, um Betriebe von der Einkommensteuererhöhung auszunehmen. Dies läuft allerdings für ausgeschüttete Gewinne ins Leere, weil beide Parteien zudem die Abgeltungsteuer abschaffen (Grüne) oder deutlich erhöhen (SPD) wollen. Im Mittelstand treiben die Pläne daher die Wähler wohl zu Union und FDP.


Vermögenssteuer: Fluch oder Segen?

Es klingt so einfach: Die erste Million bleibt steuerfrei, von jeder weiteren bekommt der Fiskus ein (SPD) oder gar 1,5 Prozent (Grüne). Wer zwei Millionen sein eigen nennt, soll also 10000 bzw. 15000 Euro Vermögensteuer oder -abgabe zahlen; wer 50 Millionen besitzt, 490000 bzw. 735 000 Euro. So wollen die Rot-Grünen Jahr für Jahr zehn Milliarden Euro einsammeln - die SPD für Bildung und Kommunen, die Grünen ausschließlich zur Schuldentilgung.

Wissenschaftlich stützen sich die rot-grünen Robin Hoods auf das gerade wieder salonfähig gewordene Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Erst letzte Woche titelte das DIW: "Spitzenverdiener wieder stärker belasten". Von Abteilungsleiter Stefan Bach stammt auch das Konzept der "grünen Vermögensabgabe". Angesichts der "erheblichen Konzentration des Vermögens auf das reichste ein Prozent" könne man bei einem Freibetrag von einer Million Euro, einem Kinderfreibetrag von 250 000 Euro sowie einem Betriebsvermögen-Freibetrag von zwei Millionen Euro mit einem Abgabensatz von gut zwei Prozent jährlich in den nächsten zehn Jahr 100 Milliarden Euro abschöpfen.

Auf den ersten Blick mögen Steuersätze von ein bis zwei Prozent vernachlässigbar klingen. Doch niedrige Zinsen werfen ein gar nicht mehr so mildes Licht auf die kleinen Steuersätze. Wer heute zehn Millionen Euro in deutsche Staatsanleihen investiert, bekommt dafür 200 000 Euro Zinsen; nach Abgeltungsteuer bleiben 150 000 Euro. Käme eine 1,5-prozentige Vermögensabgabe, wäre alles futsch.

Als problematisch gilt die Steuer auf Betriebsvermögen. Das wissen auch SPD und Grüne - schließlich sinkt die Zahl der Vermögensteuer-Fans rapide, wenn der eigene Job in Gefahr gerät. Um die Substanz nicht zu gefährden, soll die Vermögensteuer daher maximal 30 (SPD) oder 35 Prozent (Grüne) des Gewinns ausmachen.

Doch auch das würde teuer, warnt Christoph Spengel, Steuerexperte am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Um die Folgen von Steuergesetzen zu messen, hat sein Team "typische Unternehmen" gebildet. Für diese rechnen sie haarklein die Folgen von Steuerreformen aus. Fazit: Die Belastung für große Kapitalgesellschaften steigt durch die Grünen-Pläne um bis zu 25,75 Prozent. Sämtliche Varianten wirkten "investitionshemmend, verzerrend und krisenbeschleunigend" - vor allem Letzteres kann die deutsche Wirtschaft gerade am wenigsten brauchen.

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