WirtschaftsWoche: Professor Koblenzer, der Bundesfinanzhof hat gerade die Arbeitsweise der Steuerfahndung harsch kritisiert. Das sei oft so, als schicke man die GSG 9 zur Regelung des Straßenverkehrs. Ist es in der Praxis so schlimm?
Thomas Koblenzer: Diese Pauschalkriminalisierung im Steuerverfahren ist unerträglich und allein auf Einkommensmaximierung gerichtet. Die Grenzen zwischen Steuerfahndung und Veranlagungsverfahren verschwimmen, was faktisch mit einer Entrechtung der Steuerpflichtigen einhergeht, weil natürlich im Steuerstrafverfahren die Mitwirkungspflichten eingeschränkt sind.
Gibt es schon Reaktionen auf Ihre Strafanzeigen gegen Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen und gegen den dortigen Finanzminister Norbert Walter-Borjans?
Ja, es gibt zumindest ein Aktenzeichen, was beweist, dass strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen wurden. Inzwischen versucht man aber, zu verzögern. Dafür spricht, dass man nach Wochen den Vorgang angeblich zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben hat. Man gibt also den Vorgang an diejenige Behörde zur Ermittlung, die selbst auch Gegenstand der Ermittlungen ist. Jeder mag sich seinen Teil dazu denken. Ich werde dran bleiben.
Sie werfen Beamten der Finanzbehörden vor, sich strafbar gemacht zu haben, in dem sie Gesetze gebrochen haben sollen. Starker Tobak, können Sie ein Beispiel nennen?
Wenn die CD-Lieferanten von deutschen Behörden mit Überweisungen auf Tarnkonten und unter dem irreführenden Begriff „Erbschaftsaufteilung“ belohnt werden, ist das ein klarer Verstoß gegen das Geldwäschegesetz. Außerdem muss den Behörden bekannt gewesen sein, dass diese Gelder vom Empfänger nicht versteuert werden sollten. Das ist eine Straftat.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Sie Steuerhinterzieher schützen wollen.
Auf gar keinen Fall. Wer Steuern hinterzieht, muss bestraft werden. Aber um Täter zu überführen, müssen sich auch Behörden an rechtsstaatliche Grundsätze und Prinzipien halten. Und das tun sie nach meiner Überzeugung in Sachen Daten-CD nicht.
Der Finanzminister in NRW, Norbert Walter-Borjans, behauptet, dass das Bundesverfassungsgericht den Kauf dieser Steuer-CDs für rechtens erklärt habe. Hat er Recht?
Nein, natürlich nicht! Das ist Unfug! Aber Walter-Borjans glaubt das wirklich! Der hat vermutlich diesen Beschluss noch nie in der Hand gehabt. Den Beschluss hat damals der heutige BFH-Präsident Rudolf Mellinghoff als Richter verantwortet. Dieser Beschluss betraf den Fall Liechtenstein und einen ganz anderen Sachverhalt.