Steuertricks im Fokus Angriff auf Kaffee-Gigant Starbucks

Dass globale Konzerne ihre Steuerschuld durch Gewinnverschiebungen in Staaten mit Niedrig-Steuern drücken, ist ein bekanntes Problem. In Bayern könnte es jetzt einem großen Unternehmen an den Kragen gehen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das Starbucks Firmenlogo an einer Starbucks-Filiale. Quelle: ap

Berlin Das Thema ist brisant – und ist auch schon auf die Agenda der großen Wirtschaftsnationen gelandet. Bei ihrem jüngsten Treffen haben die G20-Staaten sich in die Hand versprochen, den Steuervermeidungspraktiken der Multis das Wasser abzugraben. Bis zum Juni soll die Industrieländer-Organisation OECD dazu einen Aktionsplan vorlegen, wie die weitere Erosion der Steuerbasis gebremst werden kann. Deutschland werde das Thema "mit Macht" vorantreiben, sagte ein Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Der Kampf um die Steuer-Euros der internationalen Konzerne gleicht allerdings den Mühen des Helden Sisyphos. Firmen wie Amazon oder Google unternehmen einige Anstrengungen, um ja nicht einen Euro mehr als nötig an den Fiskus der Länder abzuführen, in denen sie ihre einträglichen Geschäfte machen. Dabei achten Horden von Beratern darauf, dass die Grenze zur Illegalität nicht überschritten wird.

Auch der Kaffee-Riese Starbucks weiß, wie man dem deutschen Fiskus ausweicht. Die Grünen wollen nicht warten bis die große Politik handelt. Sie sehen jetzt schon Möglichkeiten, gegen die in München ansässige Deutschland-Zentrale des Konzerns vorzugehen.

„Würde Starbucks seine Gewinne wie andere inländische Unternehmen in Deutschland versteuern müssen, könnten daraus mindestens 1,5 Millionen Euro Mehreinnahmen aus Körperschafts- und Gewerbesteuer generiert werden“, rechnet der Finanzexperte der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold, vor. Besonders betroffen sei davon die Stadt München durch Gewerbesteuerausfälle am Sitz der deutschen Tochtergesellschaft.

Wie Giegold sagte, sehen seine Parteikollegen im bayerischen Landtag die Staatsregierung in der Pflicht zu handeln. Sie fordern demnach, dass die Steuervermeidungspraktiken bei Starbucks Deutschland auf Unregelmäßigkeiten untersucht werden. Zudem solle die Landesregierung der Konzernführung „deutlich“ zu verstehen geben, dass sie in Deutschland mindestens Steuern entsprechend der Vereinbarung in Großbritannien nachzuzahlen hätten.

Nach einer Untersuchung des britischen Haushaltsausschusses hat das US-Unternehmen in Großbritannien zwar einen Marktanteil von 31 Prozent, erzielt seit seinem Start dort vor 15 Jahren dennoch nur Verluste. "Wir finden es schwer zu glauben, dass ein kommerzielles Unternehmen mit einem Marktanteil von 31 Prozent, das seinen Aktionären und Investoren gegenüber verantwortlich ist, einen angemessenen Gewinn zu machen, offenbar Jahr für Jahr Verluste erwirtschaften soll", heißt es in dem Bericht.  Inzwischen beugte sich die Kaffeehaus-Kette der massiven Kritik der britischen Regierung und will in diesem und im nächsten Jahr mehr Steuern in Großbritannien zahlen.


Das Problem sind die Gesetze selbst

Unter Einbeziehung des geringeren Umsatzes in Deutschland würde dieses Angebot nach Giegolds Einschätzung für die deutschen Haushalte Mehreinnahmen von 2,9 Millionen Euro bedeuten. Bisher habe Starbucks sich dazu aber noch nicht bekannt. „Der britische Steuerbürger wird besser behandelt als der deutsche oder Münchener“, kritisierte der Grünen-Politiker.

Nicht nur Starbucks ist mit dem Grundprinzip der Steuer-Optimierung bestens vertraut. Auch Konzerne wie Amazon oder Google wissen, wie es geht: Durch ein kompliziertes Geflecht von Mutter- und Tochterfirmen gelingt es, die Firmengewinne so über die Grenzen zu verschieben, dass - wenn überhaupt - Abgaben nur in Niedrig-Steuer-Staaten anfallen.

So meldete die Europazentrale des Versandriesen Amazon in Luxemburg 2011 einen Umsatz von 9,1 Milliarden Euro - und einen zu versteuernden Gewinn von 29 Millionen Euro. Google mit seiner Europa-Zentrale in Dublin schaffte es, bei 12,5 Milliarden Euro Umsatz in Irland nur auf 24 Millionen Euro Gewinn Steuern abzuführen.

Die Unternehmen beteuern, sich legal zu verhalten. Doch der Schaden, der durch solche Praktiken entsteht, ist immens. Nach Daten der EU-Kommission vom Dezember kosten die staatlich geduldeten Steuervermeidungs-Strategien der internationalen Konzerne die EU-Staaten jedes Jahr rund eine Billion Euro an Steuereinnahmen.

Das Problem sind aus Sicht vieler die Gesetze selbst. "Manches international agierende Unternehmen zahlt durch geschickte Kunstgriffe nur fünf Prozent Körperschaftssteuer, wo kleinere Firmen auf 30 Prozent kommen", schrieb die OECD in ihrer Analyse für die G20-Staaten. Diese Taktiken seien zwar legal, beeinträchtigten aber die Steuergrundlage vieler Länder und gefährdeten die Stabilität des weltweiten Steuersystems. "In einer Zeit, in der Regierungen und Bürger an allen Ecken und Enden zum Sparen gezwungen sind, müssen alle Steuerzahler, ob Privatleute oder Unternehmen, ihren Anteil zahlen und darauf vertrauen können, dass das internationale Steuersystem transparent ist", kritisierte OECD-Generalsekretär Angel Gurría.


SPD stützt Schäubles Kurs gegen Steuer-Optimierer

Viele der von der OECD kritisierten steuerlichen Kunstgriffe basieren auf der Grundidee, Gewinne so zu etikettieren, dass sie getarnt als Lizenz- oder Markengebühren ins steuergünstigere Ausland verschoben werden können. Manche Regierungen dulden das nicht nur, sondern fördern es geradezu. So haben Frankreich, Spanien, Belgien und die Niederlande in der Hoffnung, doch noch etwas vom Steuerkuchen abzubekommen, sogenannte Patent- oder Innovations-Modelle eingeführt. Sie ermöglichen es Unternehmen, Gewinne, die sie in Verbindung mit einem Patent gemacht haben, mit teils nur fünf Prozent besteuern zu lassen. Die Regierungen betonen zwar, dadurch sollten Innovationen gefördert werden, Kritiker sehen hier allerdings ein Steuerschlupfloch.

Lösen lassen sich die Probleme nur, wenn sich die europäischen Regierungen dazu durchringen, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für Unternehmensgewinne zu schaffen - davon ist zumindest das Europäische Parlament überzeugt, das im September einer entsprechenden Vorlage zugestimmt hat. Danach würde der Gewinn eines multinationalen Konzerns gemeinsam ermittelt und entsprechend dem Umsatz und der Beschäftigung unter den Ländern aufgeteilt. Diese würden ihr Stück vom Kuchen dann mit ihren jeweiligen nationalen Steuersätzen belasten.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, diese stehe hinter dem Vorschlag. Allerdings müssten alle 27 EU-Länder einem solchen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zustimmen - denn in Steuerfragen entscheidet die EU einstimmig. Irland, die Niederlande und Großbritannien haben bereits ihren Widerstand angekündigt oder wollen ihre Zustimmung verweigern.

Deutschland will gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien in den Kampf gegen die Steuertricks der Multis ziehen. Immerhin scheint hierzulande die Phalanx geschlossen. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) sicherte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Unterstützung beim Vorgehen gegen sogenannte aggressive Steuervermeidung zugesichert. „Wenn das Bundesfinanzministerium nun äußert, dass man für eine Verschärfung der Regeln „ein erhebliches politisches Momentum“ sehe, begrüße ich das und sichere dem Bundesfinanzminister für die Bekämpfung einer exzessiven Steuergestaltung durch internationale Unternehmen meine volle Unterstützung zu“, sagte Kühl, der auch die Arbeit der SPD-Finanzminister im deutschen Bundesrat koordiniert, Handelsblatt Online.


Lob für Einsatz der OECD

Steuerflucht müsse durch „Abzugsbeschränkungen“ bekämpft werden, die die Erosion der steuerlichen Bemessungsgrundlage verhinderten, schlug Kühl vor. Denn einen „Wettlauf um die günstigsten Steuersätze“ könne man nie gewinnen. „Der würde zum Ruin des Sozialstaats führen, das wäre das Ende des Gesellschaftsmodells, das wir nach dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa so erfolgreich aufgebaut haben und das noch immer Vorbild für viele Staaten in der Welt ist.“

Als „verdienstvoll“ bezeichnete es Kühl, dass auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das Thema aufgegriffen habe. Das deutsche „Problembewusstsein“ sei aber bereits geschärft, fügte er hinzu. So hätten Bund und Länder gemeinsam schon verschiedene Instrumente entwickelt, um den Gestaltungsspielraum internationaler Konzerne einzuengen. „Unternehmen, die mit Hilfe einer im Ausland registrierten Marke Geschäfte machen, dürfen beispielsweise maximal die ins Ausland entrichteten Lizenzzahlungen steuerlich verrechnen, die unter fremden Dritten angemessen wären“, erläuterte der SPD-Politiker. Mit Betriebsprüfungen solle sichergestellt werden, dass das auch so erfolge.

Der Finanzverwaltung wird nach Aussage Kühls auch dann aktiv, wenn ganze Unternehmensteile mittels der sogenannten Funktionsverlagerung vom Inland ins Ausland gehen. Dann würden die in den Unternehmensteilen ruhenden stillen Reserven aufgedeckt, um sie zu besteuern. Die sogenannte „Hinzurechnungsbesteuerung“ diene zudem dazu, im niedrig besteuernden Ausland geparkte Gewinne auch ohne Ausschüttung dem deutschen Anteilseigner für die sofortige Besteuerung zuzurechnen. Und auch die unter dem Schlagwort „Zinsschranke“ eingeführten Vorschriften hätten zum Ziel, den Betriebsausgabenabzug von Zinszahlungen ins Ausland zu beschränken, sagte der SPD-Politiker.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%