Nach der Veröffentlichung der sogenannten Panama-Papers hat Deutschland ausländischen Briefkastenfirmen den Kampf angesagt und will seine Steuergesetze massiv verschärfen. Sicher ist es richtig, wenn man internationale Konzerne dazu zwingt, ihren Anteil an Steuern und Abgaben in den Ländern zu zahlen, in denen sie tätig sind. Das Gesetz der Regierung mit dem prägnanten Namen Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz geht jedoch über diesen Zweck hinaus.
Geplant ist, das Bankgeheimnis faktisch abzuschaffen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Kreditinstituten und deren Kunden soll nicht mehr geschützt sein. Das geht entschieden zu weit und stellt jeden Steuerbürger unter den Generalverdacht der illegalen Handlung. Ziel ist nichts anderes als der umfassende gläserne Bürger.
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Hermann Otto Solms,76, war von 1991 bis 1998 Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und von 1998 bis 2013 Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Seit Dezember 2013 ist er zum dritten Mal Bundesschatzmeister der FDP.
Ein erster Schritt in diese Richtung war das Kontenabrufverfahren. Die Zahl der Kontenabfragen beim Bundeszentralamt für Steuern ist in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Während es im Jahr 2013 noch knapp 142.000 Anfragen gab, wurden 2015 bereits über 300.000 verzeichnet. Hier läuft etwas falsch. Die privaten Kontodaten haben den Staat nichts anzugehen und sind ein Eingriff in die Bürgerrechte.
Ein weiterer Schritt hin zum gläsernen Bürger sind die Pläne des Bundesfinanzministers, den Gebrauch von Bargeld einzuschränken. Es gibt sogar Forderungen, die das Bargeld ganz abschaffen wollen - angeblich um das organisierte Verbrechen besser bekämpfen zu können. International organisierte Kriminelle bedienen sich längst elektronischer Zahlungsinstrumente und sind auf das Bargeld gar nicht mehr angewiesen. Das wird auch durch ein Gutachten des renommierten Experten für Schattenwirtschaft Friedrich Schneider bestätigt.
Was im Entwurf zum Steuervermeidungsbekämpfungsgesetz geplant ist
Steuerpflichtige sollen ihre Geschäftsbeziehungen zu Drittstaat-Gesellschaften anzeigen müssen – und zwar unabhängig davon, ob sie an dem Unternehmen formal beteiligt sind oder nicht. Im Falle einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Verletzung dieser Mitteilungspflicht soll dies mit einem Bußgeld von bis zu 25 000 Euro geahndet werden können.
Finanzinstitute sollen den Finanzbehörden von ihnen hergestellte oder vermittelte Geschäftsbeziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Drittstaat-Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen mitteilen müssen. Im Falle einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Verletzung dieser Mitwirkungspflicht sollen die Finanzinstitute für dadurch verursachte Steuerausfälle haften. Zugleich soll die Pflichtverletzung mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro geahndet werden können.
Das sogenannte steuerliche Bankgeheimnis soll aufgehoben werden. Dadurch wird klargestellt, dass Kreditinstitute bei der Mitwirkung zur Aufklärung des steuerlichen Sachverhalts gegenüber den Finanzbehörden dieselben Rechte und Pflichten haben wie andere auskunftspflichtige Personen. Kreditinstitute müssen im Gegensatz zu Rechtsanwälten oder Steuerberatern keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht mehr beachten. Finanzbehörden sollen daher künftig ohne die bislang geltenden Einschränkungen Auskunftsersuchen und auch Sammelauskunftsersuchen genauso an inländische Kreditinstitute richten dürfen wie an andere Personen. Anlasslose Ermittlungen bei Kreditinstituten werden aber auch in Zukunft unzulässig sein.
Das automatisierte Kontenabrufverfahren für Besteuerungszwecke soll erweitert werden, um ermitteln zu können, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung ist.
Ein besonders schwerer Fall einer Steuerhinterziehung soll künftig vorliegen, wenn der Steuerpflichtige eine Drittstaat-Gesellschaft zur Verschleierung steuerlich relevanter Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Dafür gilt ebenfalls die zehnjährige Verjährungsfrist für die Strafverfolgung.
Die Zahlungsverjährungsfrist in Steuerhinterziehungsfällen soll allgemein von fünf auf zehn Jahre verlängert werden.
Und nun also die Abschaffung des Bankgeheimnisses. Schon heute steht es den Ermittlungen zu Steuerhinterziehung und Geldwäsche nicht im Wege. Die Regierung schießt mit ihren Plänen mal wieder über das Ziel hinaus. Der bürokratische Aufwand dürfte zudem in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen. Die Mehrheit der ehrlichen Steuerzahler betätigt sich nicht wirtschaftlich im Ausland, womit die meisten der gemeldeten Daten voraussichtlich nicht relevant sein werden. Dennoch soll anlasslos kontrolliert werden.
Wie so oft bei gesetzlich geschaffenen Eingriffsrechten in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zeigt sich auch hier, dass sehr begrenzt anwendbare Befugnisse sukzessive ausgedehnt und letztlich auch missbräuchlich angewendet werden. Der Staat verdächtigt 81 Millionen Bürger und unterstellt ihnen kriminelles Verhalten.
Das zeugt von einem mehr als gestörten Bürgerverständnis und erschüttert darüber hinaus das Vertrauen in einen angeblich fairen Steuerstaat Deutschland immer weiter.