Streit über härtere Strafen Russland-Sanktionen spalten deutsche Wirtschaft

Deutsche Unternehmen leiden schon unter den Folgen der Russland-Sanktionen. Außenhandelspräsident Börner ist trotzdem für härtere Strafen gegen Moskau. Das sorgt für großen Unmut im Mittelstand.

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Die Krise in der Ost-Ukraine bereitet der deutschen Wirtschaft Sorgen. Die Sanktionen gegen Russland treffen besonders den Maschinenbau. Quelle: dpa

Berlin Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, hat die Forderung des Präsidenten des Handelsverbandes BGA, Anton Börner, nach härteren Russland-Sanktionen scharf zurückgewiesen. „Die Ukrainekrise kann nur am Verhandlungstisch gelöst werden. Jeder neue Dreh an der Sanktionsspirale treibt Russland weiter in die Arme Chinas“, sagte Ohoven dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Peking springe sofort für ausfallende westliche Exporteure ein. Das gelte für das Erdgasgeschäft ebenso wie für den deutschen Maschinenbau.

„Zugleich werden die Folgen der Sanktionen im deutschen Mittelstand zunehmend spürbar“, warnte Ohoven. „So verzeichnet etwa der stark exportorientierte Maschinen- und Anlagenbau in Sachsen-Anhalt Einbußen von bis zu 50 Prozent.“ Der Kursabsturz des Rubels verteuere zudem die deutschen Exporte insgesamt. „Auch Sanktionen auf dem Kapitalmarkt dürften kaum greifen“, betonte der Mittelstandspräsident. Russlands Auslandsschulden beliefen sich auf rund 80 Milliarden Euro. Dem stünden Fremdwährungs- und Goldreserven von 470 Milliarden Euro gegenüber. Allein in den letzten zehn Monaten, so Ohoven, habe Moskau seine Goldreserven um zehn Prozent auf 1104 Tonnen aufgestockt. Damit besitze Russland die weltweit fünftgrößten Goldreserven.

Ohoven wies zudem auf eine Analyse der US-Ratingagentur Standard & Poor’s hin, wonach mehr als 80 Prozent der russischen Unternehmen über ausreichend Liquidität verfügten. Ein Ausschluss Russlands vom internationalen Zahlungssystem Swift würde daher „die Bestrebungen anderer Schwellenländer beschleunigen, eine Alternative zu Swift zu entwickeln“, warnte der Verbandschef. „Vor diesem Hintergrund ist auch die Ausweitung des chinesischen Kreditkartensystems UnionPay auf den russischen Markt zu sehen.“  

Börner hatte am Montag in der Online-Ausgabe der Zeitung „Die Welt“ die EU aufgefordert, ihre Wirtschaftssanktionen deutlich zu verschärfen. Im Bereiche der Finanzmärkte gäbe es „einige Folterinstrumente“, die Russland noch massiver treffen könnten. Börner sieht mit dem Konflikt um die Ukraine „eine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Russland und weitere Krisen“ heraufziehen. „Das Jahr 2014 hat eine Zeitenwende eingeläutet“, sagte er in Anspielungen auf die Krisen in der Welt. „Wir werden alle Opfer bringen müssen.“

Börners Äußerungen stehen im Widerspruch zur Position des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (OA). Dessen Verbandschef Eckhard Cordes hatte am Wochenende kritisiert, die neuen Sanktionen der EU gegen Russland würden sicher nicht zur Entspannung beitragen. Die Europäer schadeten sich vielmehr letztlich damit selbst. Vermutlich befinde man sich am Beginn einer gefährlichen Sanktionsspirale. Die Äußerungen Börners wollte der Verband auf Anfrage des Handelsblatts nicht kommentieren.


Maschinenbauern brechen Russland-Geschäfte weg

Die EU hatte vergangene Woche neue Strafmaßnahmen in Kraft gesetzt, die sich vor allem gegen den Energie-, Rüstungs- und Finanzsektor richten. Mit Kontensperrungen und Einreiseverboten nahm die EU zudem weitere russische Politiker ins Visier.

In Deutschland befürchten die Werkzeugmaschinenbauer wegen der Sanktionen deutliche Auswirkungen auf ihre Geschäfte. Das liegt daran, dass auch Güter und Technologien, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können („Dual Use Goods“), strengeren Kontrollen unterliegen, was ihre Ausfuhr erschwert.

Derzeit lebe das Russland-Geschäft der Branche noch von Altaufträgen, sagte Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW), am Dienstag auf der Fachmesse ABM in Stuttgart. Der Auftragseingang im für die Unternehmen weltweit drittwichtigsten Markt sei aber im ersten und zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr bereits um 40 Prozent eingebrochen.

Die finanzielle Lage in Russland und die Schwäche des Rubels führten noch zu einer Verstärkung der Sanktionseffekte, erklärte Schäfer. Es sei zu erwarten, dass die Einschränkungen die Firmen nicht nur direkt treffen, sondern auch wichtige Kunden in Mitleidenschaft ziehen. „Selbstverständlich steht der Verband aber weiter hinter der politischen Marschrichtung, wohlwissend dass die Industrie darunter leidet“, betonte Schäfer. Für das zweite Halbjahr hofften die Werkzeugmaschinenbauer insbesondere auf die Nachfrage aus dem Inland.

Neben Russland macht dem Verband vor allem Asien Sorgen: Kunden in wichtigen Märkten wie China, Südkorea oder Thailand bestellten im ersten Halbjahr weniger Werkzeugmaschinen als im Vorjahreszeitraum. Vor allem in China werde sich die Lage aber bessern.

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