Streit um die Besoldung Das Beamtentum wird ausgetrocknet

Nordrhein-Westfalen und andere Bundesländer verweigern ihren Beamten die übliche Erhöhung der Bezüge. Dahinter steht Grundsätzliches. Die Politik will an den Beamten ihren Sparwillen zeigen. Diese müssen jetzt zeigen, was der Staat an ihnen hat.

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Beamte demonstrieren am 10.07.2013 in Düsseldorf vor dem Landtag. Quelle: dpa

Die höheren Beamten in Nordrhein-Westfalen sind sauer auf ihren Dienstherrn. So sauer, dass sie es bei ihren Demonstrationen vor dem Landtag in Düsseldorf auch nach Ansicht von Jochen Ott, Oberstudienrat a.D. und SPD-Landtagsabgeordneter, "übertrieben" haben: Theatralisch hängten Lehrer, Polizisten und Ministerialreferenten vor einigen Tagen ihr "letztes Hemd" an eine überdimensionierte Wäscheleine, um gegen das neue Beamtenbesoldungsgesetz der Landesregierung zu demonstrieren. Das gab zwar schöne Bilder für die Presse, doch allzu viel Mitleid haben sie von den Nichtbeamten, erst recht ihren nicht verbeamteten Kollegen im Schul- oder Ministerialdienst da nicht zu erwarten. "Unterm Strich", so Ott, "steht man als Beamter doch sehr günstig da."

Das verdienen unsere Staatsdiener
Geschichts-Unterricht an einer Hauptschule Quelle: dpa
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle und seine Richter haben eine schwierige Aufgabe vor sich: Sie sollen klären, ob Richter und Staatsanwälte in Deutschland genug verdienen. Das Verfahren am Bundesverfassungsgericht ist nicht nur heikel, es könnte auch Signalwirkung für andere Beamtengruppen haben. Bis 2006 wurden alle Richter und Staatsanwälte nach einem bundesweiten Tarif bezahlt. Im Rahmen der Föderalismusreform sind nun die Länder für die allermeisten Angehörigen dieser Berufsgruppen zuständig. Der Bund zahlt die Gehälter für die Bundesrichter und Bundesanwälte. Wie Beamte auch können Richter und Staatsanwälte ihr Gehalt nicht frei aushandeln. Sie haben zwar Privilegien, dürfen zum Beispiel aber nicht streiken. Das Grundgesetz schreibt daher vor, dass Beamte nach dem „Alimentationsprinzip“ bezahlt werden. Das heißt, ihr Dienstherr muss ihnen und ihrer Familie lebenslang einen angemessenen Lebensunterhalt garantieren. Was das ist, sagt das Grundgesetz aber nicht genau. In der Ordnung „R“ gibt es zehn Besoldungsgruppen, wobei die drei höchsten Stufen von einem Festgehalt ausgehen. Zwischen etwa 3.400 Euro und 11.300 Euro verdienen demnach Richter und Staatsanwälte zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Quelle: dapd
Allgemein gilt für deutsche Staatsdiener, dass sie so entlohnt werden sollen, dass sie wirtschaftlich unabhängig und entsprechend vor Bestechung und Korruption geschützt sind. Das ist mit dem sogenannten Alimentierungsprinzip in Artikel 3, Absatz 5, des Grundgesetzes festgeschrieben. Die Besoldungsbestimmungen sind in Bund und Bundesländern ähnlich, auch die Höhe der Besoldung. Angestellte von Bund und Kommunen können je nach Berufsbild mit einer Bezahlung ab 1900 Euro rechnen. Quelle: dpa
Professoren sind zum Teil in die Besoldungsordnung "W" einsortiert. Die Besoldungsgruppen W1 bis W3 bringen im Bund nach Angaben des Beamtenbundes dbb Grundgehälter von etwa 3.800 Euro bis 5.300 Euro brutto, in den Bundesländern selbst gibt es leichte Abweichungen. Darüber hinaus gibt es flexible Gehaltsbestandteile. Quelle: dpa
StudienratAls Studienrat erklimmt ein Lehrer einen wichtigen Schritt: Er ist dann nämlich von dem gehobenen in den höheren Dienst gewechselt. Die Eingruppierung in A13 bedeutet für ihn dann eine Bezahlung zwischen etwa 3.150 Euro und 4.300 Euro im Monat. Quelle: dpa
Im Ausland unterwegs und dort die deutschen Interessen vertreten: Ein Job im Auswärtigen Amt ist begehrt, der Posten als Botschafter ohnehin. Im höheren Dienst werden sie in den Besoldungsgruppen A15 bis B3 eingeordnet. Das bedeutet eine Bezahlung von etwa 4.700 Euro bis 6.600 Euro im Monat. Quelle: dpa
Der Job als Arzt ist aufreibend, gerade im Krankenhaus. Wenn es einer der „Götter in weiß“ dann aber mal bis zum Chefarzt gebracht hat, dann gibt es mit A14 eine Eingruppierung in den höheren Dienst. Zwischen etwa 3.300 Euro bis 4.700 Euro im Monat liegt dann der Verdienst. Quelle: dpa

So denkt vermutlich auch eine Mehrheit der Wähler. Und daher kann die NRW-Regierung unter Hannelore Kraft es wohl politisch verkraften, die höheren Landesbeamten - unter denen die SPD traditionell treue Anhänger hat - gegen sich aufzubringen. Sie verweigert ihnen per Gesetz die "Anpassung" der Besoldung an die Gehaltserhöhung der Angestellten des öffentlichen Dienstes. Nur die unteren Besoldungsgruppen (bis A10) erhalten die ausgehandelten Tariferhöhungen von 5,6 Prozent, die Bezüge in den mittleren Besoldungsgruppen werden 2013 und 2014 nur um jeweils ein Prozent erhöht, die höheren Besoldungsgruppen ab A13, also auch schon Studienräte und Oberamtsräte gehen leer aus. Und Kraft steht damit nicht allein in Deutschland. Ihr Genosse Torsten Albig in Kiel tut es ihr gleich - und erntet die gleiche Beamtenwut. Alle Länder außer Bayern und Hamburg verzögern die Anpassung bis 2014 oder begrenzen sie deutlich.

Vordergründig argumentiert die Düsseldorfer Landesregierung allein mit dem akuten Sparzwang. Die Schuldenbremse im Grundgesetz verpflichtet den Bund ab 2016 und die Länder ab 2020 auf neue Schulden zu verzichten. Landeshaushalte bestehen fast zur Hälfte aus Personalkosten inklusive wachsender Lasten für die Pensionen der Beamten im Ruhestand. Ohne jemandem weh zu tun, lässt sich da nicht sparen. Die uneingeschränkte Übernahme des Tarifkompromisses für den gesamten öffentlichen Dienst in NRW würde 2013 und 2014 insgesamt 1,31 Milliarden Euro kosten. Die jetzt beschlossene Lösung kommt mit nur 600 Millionen Euro aus.

Aber hinter der verweigerten Anpassung steht eine sehr viel weiter reichende Entwicklung. Die Beamten dürften in Zeiten der Schuldenbremse zum Lieblingsobjekt des demonstrativen Sparwillens der Politik werden. Sie sind dazu prädestiniert: Ihre finanziellen Privilegien werden ihnen von weiten Teilen der Bevölkerung (also den Wählern) geneidet, ein starker Widerstand jenseits der 1,9 Millionen Beamten ist daher kaum zu erwarten. Und die Arbeit niederlegen dürfen sie nicht.

Das Beamtentum als solches gerät zunehmend unter einen öffentlichen Rechtfertigungsdruck, dem es nicht gewachsen scheint. Schon vor zehn Jahren gab es in Nordrhein-Westfalen unter Wolfgang Clement Pläne, den Beamtenstatus auf wenige Aufgaben zu begrenzen und für den Rest des öffentlichen Dienstes ein einheitliches Dienstrecht mit einheitlicher Bezahlung einzuführen. Damals blieb es bei Diskussionen, doch das Ende des Beamtentums, wie wir es kennen, dürfte nun schleichend kommen. Vor allem die Begrenzung der Pensionsverpflichtungen, die die Budgets auf Jahrzehnte belasten, wird ein immer stärkeres Argument gegen das Beamtentum. Am Ende dieses langen Prozesses könnte ein weitgehend ausgetrocknetes, um die meisten Privilegien beschnittenes und personell stark verkleinertes Beamtenheer stehen.

Die Zukunft der Beamtenprivilegien

Diese Berufe haben das mieseste Image
Platz 10: EDV-SachbearbeiterHinterm PC-Bildschirm versinken, Zahlenkolonnen tippen, Daten pflegen - der Beruf des EDV-Sachbearbeiters klingt schon nicht besonders spannend. Das Image: Bei 41 Prozent der Bürger steht die Berufsgruppe hoch im Ansehen. Quelle: Fotolia
Platz 9: BankangestellterBeratungsskandale bei Banken und verjubelte Millionen der Anleger sorgten für Negativ-Schlagzeilen. Banker und Kunden sprechen wohl oft nicht die gleiche Sprache. 36 Prozent der Befragten haben von Bankangestellten eine hohe Meinung. Noch schlechter war der Wert vor zwei Jahren, damals lag er bei 32 Prozent. Quelle: dpa
Platz 8: BeamteDer Stereotyp des Beamten kommt bei den Bundesbürgern nicht gut weg: Beamte gelten als der Inbegriff der Langsamkeit und Faulheit. Anerkennung für diesen Beruf haben nur 36 Prozent der Deutschen übrig. Quelle: dpa
Platz 7: SteuerbeamteWer liebt schon sein Finanzamt? Höchstens, wenn es nach der Steuererklärung mal was zurück gibt. 32 Prozent der Bürger hat eine hohe Meinung von Steuerbeamten. Steuerberater stehen indes etwas besser da: Sie kommen immerhin auf 43 Prozent. Quelle: dpa
Platz 6: Gewerkschaftsfunktionär30 Prozent der Befragten zollt Gewerkschaftsfunktionären Respekt. Streiks tragen wohl dazu bei, dass die Gewerkschaften in der Gunst der Bürger nicht gerade hoch angesiedelt sind. Quelle: dpa
Platz 5: ManagerDesignerklamotten, dicke Autos und mit dem Geld nur so um sich werfen: Der Beruf des Managers hat kein gutes Image. 29 Prozent der Deutschen haben etwas für Manager übrig. Die Berufsgruppe ist der größte Verlierer des Rankings: Seit Beginn der Befragung 2007 rauschte das Ansehen der Manager um acht Prozentpunkte nach unten. Quelle: dpa
Platz 4: PolitikerDas dürfte unsere Kanzlerin nicht freuen: Nur 19 Prozent der Deutschen haben eine hohe Meinung vom Beruf des Politikers. Quelle: dpa

Für Beamtenprivilegien macht sich in der Politik niemand mehr stark. Auch die Düsseldorfer Oppositionspolitiker von CDU und FDP, die gegen das neue Besoldungsgesetz klagen werden, ziehen nicht für das Beamtentum vors Landesverfassungsgericht in Münster. Spricht man mit CDU-Abgeordneten über das geplante "Normenkontrollverfahren", wird schnell klar, dass es nicht um die grundsätzliche Verteidigung der besonderen Rechte der Beamten, sondern um formaljuristische Kritik geht: Die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" sind im Grundgesetz verankert, und die CDU will Hannelore Kraft des Verfassungsbruchs überführen. Die SPD-geführte Regierung solle "handwerklich sauber" sparen, also über eine Dienstrechtsreform, sagt Marcus Optendrenk, Sprecher der CDU-Landtagsfraktion im Haushaltsausschuss. Die Rechte der Beamten sind da eher Mittel als Zweck.

Wie schlecht es um die Zukunft der Beamtenprivilegien steht, könnte gerade im Falle eines Erfolges der Klage vor dem Landesverfassungsgericht deutlich werden. Dann wird nämlich die Besoldung im höheren Dienst mit dem entsprechenden Entgelt von Angestellten verglichen werden, die in vielen Fällen am Schreibtisch gegenüber und im Klassenzimmer nebenan dieselbe Arbeit verrichten, aber auch nach dem neuen Besoldungsgesetz netto meist noch ein paar Hundert Euro weniger im Monat verdienen. Die Richter und erst recht das öffentliche Gerechtigkeitsempfinden könnten dann zu dem Schluss kommen, dass die Beamten durchaus noch die eine oder andere Nullrunde verkraften können. Führende SPD-Politiker sind ohnehin mehr oder weniger offen der Ansicht, dass nicht die verweigerte Anpassung, sondern die immer noch klaffende Lücke zwischen Angestellten- und Beamtenbezügen das Problem sei.

In der öffentlichen Diskussion ist es kein überzeugendes Argument, dass Beamte nicht nur ihre Arbeit tun, sondern ein Amt ausüben, und ihre besonderen Privilegien durch besondere Loyalität und Dienstpflichten gegen den Staat als Dienstherrn begründet sind. Wieso nimmt ein Studienrat in der Schule "hoheitliche Aufgaben" wahr, während ein angestellter Lehrer, der dieselben Schüler unterrichtet, das nicht tut? Waren vor nicht allzu langer Zeit auch die Damen und Herren hinterm Postschalter und im Führerstand der Lokomotive hoheitlich aktiv? Antworten auf diese naheliegenden Fragen vernimmt man vom Beamtenbund nicht.

So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Um die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Beamten von politischem und medialem Druck zu gewährleisten, ist der Dienstherr - also der Staat und letztlich der Steuerzahler - verpflichtet, den Beamten lebenslang "amtsangemessen" zu versorgen. Das ist das Alimentationsprinzip: Der Beamte trägt seine Arbeitskraft nicht zu Markte, er unterschreibt keinen Arbeitsvertrag, sondern wird ernannt, er erhält keinen Lohn für Leistungen, sondern die Garantie seines Lebensunterhalts. Der Beamte schwört dafür bei seiner Ernennung, dass er das ihm "übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Der Dienstherr verlangt vom Beamten Treue und gibt dafür absolute Sicherheit.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Verstehen Sie beamtendeutsch?
GrundstücksentwässerungsanlageDahinter muss sich kein kompliziertes System verbergen, wie der Name suggeriert. In der Regel ist eine Grundstücksentwässerungsanlage eine Regenrinne. Quelle: fotolia.com
chDer VerunfallteSo nennen Beamte Menschen, die einen Unfall erleiden. Das alltägliche „Unfallopfer" scheint wohl zu emotional. Quelle: dpa
Abflusswirksame FlächenDarunter verstehen Beamte alle Böden, die nicht zu betoniert oder anderweitig versiegelt sind – zum Beispiel Wiesen. Quelle: dpa
AusreisezentrumDieses Wort ist für Beamte unerwartet beschönigend. Bei einem Ausreisezentrum handelt es sich um ein Abschiebelager. Quelle: dapd
BagatellgastronomieZur Gastronomie zählen nicht nur Cafés, Restaurants oder Hotels. Denn auch in Modegeschäften oder in Friseursalons servieren die Mitarbeiter ihren Kunden gerne mal einen Kaffee oder ein Wasser. Auch das ist eine Form der Gastronomie – aber eben, wie Beamte sie nennen: Bagatellgastronomie. Quelle: AP
Atmosphärische EinwirkungenWetterverhältnisse klingen schon gestelzt – aber die Beamten legen mit „atmosphärischen Einwirkungen“ noch eins oben drauf. Quelle: dpa
ZugzielanzeigerDie Deutsche Bahn ist als ehemaliges Staatsunternehmen nicht vor der Beamtensprache sicher: Ein Zugzielanzeiger ist die Anzeigetafel im Bahnhof. Quelle: AP

Diese hergebrachten Grundsätze des Beamtentums sind scheinbar ein Fremdkörper in einer weitgehend durch Marktbeziehungen geprägten Gesellschaft, die soziale Ungleichheiten nur durch unterschiedliche Leistungen gerechtfertigt sieht. In seiner marktfremden Logik der Treue und Sicherheit erscheint das Beamtentum wie ein Relikt aus dem vormodernen Feudalismus mit Lehnsherren, die ihren treuen Vasallen besondere Privilegien verliehen.

In unserer traditionsentwöhnten Gesellschaft, die das Gleichheitsideal und das Leistungsprinzip anbetet - gleicher Lohn für gleiche Arbeit -, haben Privilegierte, die sich auf "hergebrachte Grundsätze" berufen, schlechte Karten. Jedes Privileg verliert seine Legitimation, wenn es nicht mehr den Wertvorstellungen der Gesellschaft entspricht. Privilegien bedeuten immer auch eine besondere Verpflichtung.

Wenn die Beamten ihre Privilegien erfolgreich verteidigen wollen, sollten sie daher auf den Wert des Beamtentums für die Gesellschaft pochen. Auf selbstgerechte Aktionen, wie die "letzten Hemden" vor dem Landtag, sollten sie ebenso verzichten wie auf den allzu lauten Ruf nach "gerechter Besoldung", der angesichts der immer noch großen Lücke zu den Nettoverdiensten der Angestellten des öffentlichen Dienstes, wenig Mitgefühl erzeugen dürfte. Beamte können ihre Sonderstellung langfristig nur rechtfertigen, wenn sie die besondere Qualität ihrer Pflichten und ihrer Diensttreue unter Beweis stellen. Die Idee des "Staatsdieners" mit dem Leistungsprinzip zu versöhnen, sollte ihr Ziel sein.

Wie ein Staat aussieht mit Beamten, die ihren Treueeid gegenüber dem Dienstherrn nicht ernst nehmen, kann man zum Beispiel an Griechenland sehen. Griechische Finanzbeamte treiben keine Grundsteuer ein, weil es keine funktionierenden Katasterämter gibt, die Feuerwehr ist nicht willens oder in der Lage, Waldbrände effektiv zu bekämpfen, und ein Beamter, der hundert Tage unentschuldigt den Dienst schwänzte, wurde erst nach zehn Jahren entlassen.

Mit deutlich weniger als den derzeit 1,9 Millionen Beamten kann Deutschland sicher auskommen. Grundsätzlich sollte die Frage nach der hoheitlichen Aufgabe entscheiden, ob eine Verbeamtung angebracht ist oder nicht. Für solche besonderen Aufgaben - Bildung kann man durchaus dazu zählen - sollte der Staat auf die besondere Treue und die durch gute Versorgung beförderte Unbestechlichkeit und Verlässlichkeit von Beamten nicht verzichten. Was ein funktionierendes Berufsbeamtentum wert ist, kann man wohl erst ermessen, wenn es nicht mehr da ist. So weit sollte es in Deutschland nicht kommen.

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