Streit um die Besoldung Das Beamtentum wird ausgetrocknet

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Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Verstehen Sie beamtendeutsch?
GrundstücksentwässerungsanlageDahinter muss sich kein kompliziertes System verbergen, wie der Name suggeriert. In der Regel ist eine Grundstücksentwässerungsanlage eine Regenrinne. Quelle: fotolia.com
chDer VerunfallteSo nennen Beamte Menschen, die einen Unfall erleiden. Das alltägliche „Unfallopfer" scheint wohl zu emotional. Quelle: dpa
Abflusswirksame FlächenDarunter verstehen Beamte alle Böden, die nicht zu betoniert oder anderweitig versiegelt sind – zum Beispiel Wiesen. Quelle: dpa
AusreisezentrumDieses Wort ist für Beamte unerwartet beschönigend. Bei einem Ausreisezentrum handelt es sich um ein Abschiebelager. Quelle: dapd
BagatellgastronomieZur Gastronomie zählen nicht nur Cafés, Restaurants oder Hotels. Denn auch in Modegeschäften oder in Friseursalons servieren die Mitarbeiter ihren Kunden gerne mal einen Kaffee oder ein Wasser. Auch das ist eine Form der Gastronomie – aber eben, wie Beamte sie nennen: Bagatellgastronomie. Quelle: AP
Atmosphärische EinwirkungenWetterverhältnisse klingen schon gestelzt – aber die Beamten legen mit „atmosphärischen Einwirkungen“ noch eins oben drauf. Quelle: dpa
ZugzielanzeigerDie Deutsche Bahn ist als ehemaliges Staatsunternehmen nicht vor der Beamtensprache sicher: Ein Zugzielanzeiger ist die Anzeigetafel im Bahnhof. Quelle: AP

Diese hergebrachten Grundsätze des Beamtentums sind scheinbar ein Fremdkörper in einer weitgehend durch Marktbeziehungen geprägten Gesellschaft, die soziale Ungleichheiten nur durch unterschiedliche Leistungen gerechtfertigt sieht. In seiner marktfremden Logik der Treue und Sicherheit erscheint das Beamtentum wie ein Relikt aus dem vormodernen Feudalismus mit Lehnsherren, die ihren treuen Vasallen besondere Privilegien verliehen.

In unserer traditionsentwöhnten Gesellschaft, die das Gleichheitsideal und das Leistungsprinzip anbetet - gleicher Lohn für gleiche Arbeit -, haben Privilegierte, die sich auf "hergebrachte Grundsätze" berufen, schlechte Karten. Jedes Privileg verliert seine Legitimation, wenn es nicht mehr den Wertvorstellungen der Gesellschaft entspricht. Privilegien bedeuten immer auch eine besondere Verpflichtung.

Wenn die Beamten ihre Privilegien erfolgreich verteidigen wollen, sollten sie daher auf den Wert des Beamtentums für die Gesellschaft pochen. Auf selbstgerechte Aktionen, wie die "letzten Hemden" vor dem Landtag, sollten sie ebenso verzichten wie auf den allzu lauten Ruf nach "gerechter Besoldung", der angesichts der immer noch großen Lücke zu den Nettoverdiensten der Angestellten des öffentlichen Dienstes, wenig Mitgefühl erzeugen dürfte. Beamte können ihre Sonderstellung langfristig nur rechtfertigen, wenn sie die besondere Qualität ihrer Pflichten und ihrer Diensttreue unter Beweis stellen. Die Idee des "Staatsdieners" mit dem Leistungsprinzip zu versöhnen, sollte ihr Ziel sein.

Wie ein Staat aussieht mit Beamten, die ihren Treueeid gegenüber dem Dienstherrn nicht ernst nehmen, kann man zum Beispiel an Griechenland sehen. Griechische Finanzbeamte treiben keine Grundsteuer ein, weil es keine funktionierenden Katasterämter gibt, die Feuerwehr ist nicht willens oder in der Lage, Waldbrände effektiv zu bekämpfen, und ein Beamter, der hundert Tage unentschuldigt den Dienst schwänzte, wurde erst nach zehn Jahren entlassen.

Mit deutlich weniger als den derzeit 1,9 Millionen Beamten kann Deutschland sicher auskommen. Grundsätzlich sollte die Frage nach der hoheitlichen Aufgabe entscheiden, ob eine Verbeamtung angebracht ist oder nicht. Für solche besonderen Aufgaben - Bildung kann man durchaus dazu zählen - sollte der Staat auf die besondere Treue und die durch gute Versorgung beförderte Unbestechlichkeit und Verlässlichkeit von Beamten nicht verzichten. Was ein funktionierendes Berufsbeamtentum wert ist, kann man wohl erst ermessen, wenn es nicht mehr da ist. So weit sollte es in Deutschland nicht kommen.

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