Streit um EU-Richtlinie Bedrohte Reisebüros können hoffen

Mit ihren Plänen für ein schärferes Reiserecht hat die Bundesregierung großen Unmut in der Branche ausgelöst. Doch der Spielraum für Korrekturen am Gesetz ist gering. Das Justizministerium sucht dennoch nach Lösungen.

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Die Arbeit für Reisebüros, die Einzelleistungen für ihre Kundschaft zusammenstellen und verkaufen wollen, dürfte durch die neuen Regelungen aufwändiger werden. Quelle: dpa

Berlin In den Streit um die Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht kommt Bewegung. Das Bundes-Justizministerium hat nach Informationen des Handelsblatts Vertreter der Reisebranche für diesen Freitag ins Ministerium geladen, um nach „vertretbaren Lösungen“ für diverse kritische Punkte im Gesetzentwurf von Bundesminister Heiko Maas (SPD) zu suchen.

Insgesamt acht Verbände, darunter der Deutsche Reiseverband (DRV), der Deutsche Tourismusverband (DTV), der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) und der ADAC, sollen im Rahmen eines ganztägigen „Praxis-Workshops“ dem Ministerium „einige der wesentlichen Probleme detailgenau erläutern“.

Die Tourismusverbände hatten jüngst schon in einer Anhörung vor Schäden für die Branche gewarnt, sollte die Bundesregierung wie geplant das Recht bei Pauschalreisen im Einklang mit EU-Vorgaben verschärfen. „Wird der Referentenentwurf nicht geändert, würde das die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Reisebüros massiv verschlechtern und zu einer erheblichen rechtlichen Unsicherheit führen“, erklärte der DRV gegenüber dem Handelsblatt. „Wir sind der Überzeugung, dass sich ein Großteil der Befürchtungen der Branche auflösen lassen, wenn klare, präzise definierte und ausbalancierte Regelungen entwickelt würden.“

Hintergrund ist die neue EU-Pauschalreiserichtlinie, die bis Ende 2017 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Sie soll den Verbraucher unter anderem vor den Auswirkungen einer Insolvenz von Reiseanbietern schützen. Da die neue Richtlinie den Pauschalreisebegriff erweitert und besondere Regeln für so genannte verbundene Reiseleistungen vorsieht, befürchten Reisebüros in die sogenannte Veranstalterhaftung zu geraten. Die Richtlinie strebt eine Vollharmonisierung des Reiserechts an. Die Politik in Deutschland hat daher kaum Spielräume bei der Umsetzung.


Treuesiegel soll fallen

Zehn Tourismusverbände, darunter der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), hatten indes bemängelt, dass die Pläne des Ministeriums über jene der EU hinausgingen. In einem gemeinsamen Schreiben an Maas hatten sie gewarnt, der aktuelle Referentenentwurf gefährde „die Existenz von Hotels und Pensionen, Ferienwohnungsvermietern, der Campingwirtschaft, Reisebüros und Reiseveranstaltern, Busunternehmen und regionalen und kommunalen Tourismusorganisationen“.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisierte: „Sollte es bei der bestehenden Regelung bleiben, ist die Vermittlung von Einzelleistungen in stationären Reisebüros kaum noch möglich“, heißt es in einem Papier.

Der Deutsche Reiseverband kritisierte einige „überschießende“ Regelungen im Bereich des Verbraucherschutzes. „Auf diese Weise wird zum Beispiel der sogenannten Schwarztouristik eine Entfaltungsmöglichkeit geboten, die der EU-Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt intendiert hat.“ Als „Schwarztouristik“ wird das nicht-gewerbliche Organisieren von Reisen bezeichnet. Das können Einzelpersonen, häufig aber auch Sportvereine, Kirchengemeinden und Verbände sein, die für ihre Mitgliedern Reisen planen und damit quasi in Konkurrenz zu professionellen Reiseveranstalter treten.

Nicht nachvollziehen kann der Reiseverband auch nicht den Vorstoß des Ministeriums, den von Reisenden und Branche „gleichermaßen geschätzten“ Sicherungsschein abzuwickeln. „Aus unserer Sicht liefert die EU-Pauschalreiserichtlinie keinen triftigen Grund, warum künftig auf dieses Treuesiegel verzichtet werden sollte.“ Bleibt es bei den bisher angestrebten Regelungen, werde es zu einer „spürbaren Veränderung bei der in Deutschland vitalen Reiseindustrie“ kommen.

Trotz geringer Margen haben laut einer Erhebung des DRV fast 40 Prozent aller Reisebüros angegeben, aufgrund des „enormen Auswuchses an rechtlicher Unsicherheit“ künftig völlig darauf verzichten zu wollen, dem Kundenwunsch zu folgen und individuelle Reiseleistungen zusammenzustellen. „Dies ist weder für die Vertriebsseite noch aus Verbraucherperspektive eine erfreuliche Entwicklung“, betonte der Verband. Der Kunde würde damit künftig nur noch auf ein reduziertes und eingeschränktes Angebot zugreifen können. Der DRV fordere das Ministerium daher „dringend“ dazu auf, den Referentenentwurf an „entscheidenden Stellen“ nachzubessern.

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