Streit um Leistungsschutzrecht Union stärkt Zeitungsverlagen den Rücken

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger will die Position der europäischen Verlage gegenüber den Googles dieser Welt stärken. Sein Vorschlag für ein EU-Leistungsschutzrecht kommt im politischen Berlin gut an.

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Mit dem Leistungsschutzrecht wollen Verlage erreichen, dass sie dafür bezahlt werden, wenn Suchmaschinen wie Google ihre Inhalte anzeigen. Quelle: dpa

Berlin Noch ist nichts entschieden. Für die Verwertungsgemeinschaft VG Media war die jüngste Entscheidung des Berliner Landgerichts im Streit um das deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverlage aber dennoch ein Erfolg. Denn das Gericht halte die Klage „in Gänze oder in Teilen für begründet“, erklärte der VG-Media-Geschäftsführer Markus Runde am vergangenen Dienstag nach Verkündung des Beschlusses.

Das Verfahren, in dem VG Media von Google Schadenersatz verlangt, weil sich der Internet-Konzern weigert, für die Darstellung von digitalen Presseerzeugnissen in der Google-Suche zu zahlen, geht nun aber in die Verlängerung. Denn das Landgericht verwies den Streit an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dort soll nun geprüft werden, ob das umstrittene Gesetz zum sogenannten Leistungsschutzrecht vor In-Kraft-Treten im August 2013 der EU-Kommission hätte vorgelegt werden müssen. Für den Fall, dass dies nicht nötig gewesen sein sollte, signalisierte Richter Peter Scholz ein Entgegenkommen an die Verlage.

Für die VG Media, die etliche Presseverlage in Deutschland, darunter Axel Springer, Handelsblatt, Funke und Dumont vertritt, ist das immerhin ein Hoffnungswert. Positiv für die Verleger ist außerdem, dass auch auf europäischer Ebene in Sachen Leistungsschutzrecht einiges in Bewegung gekommen ist – angestoßen vom früheren Digital-Kommissar Günther Oettinger. Seine Überlegungen für ein EU-Leistungsschutzrecht, die am Ende die Verlage stärken könnten, kommen in Berlin gut an. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte es schon im vergangenen Jahr im Interview mit dem Handelsblatt für richtig befunden, „die grundsätzliche Frage, wie wir für mehr Gerechtigkeit im Netz sorgen können, auch auf europäischer Ebene anzugehen“.

Und auch die Union setzt auf eine europäische Lösung. „Der deutsche EU-Kommissar Günter Oettinger hat schon vor einiger Zeit einen Vorschlag für einen europaweiten Schutz von Presseveröffentlichungen im Internet gemacht, der Unterstützung verdient und nicht zerredet werden sollte“, sagte die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), dem Handelsblatt. „Demokratie und offene, freiheitliche Gesellschaften hängen im digitalen Zeitalter mehr denn je auch von einer unabhängigen Presse auf hohem Qualitätsniveau ab“, betonte sie. Das setze aber voraus, dass Presseverlage „die nötigen Rechte erhalten, um an der Nutzung ihrer Produkte durch Internetkonzerne finanziell beteiligt zu werden“.

Die Verwertungsgesellschaft VG Media hegt ebenfalls Sympathie für die vom früheren EU-Digital- und heutigen Haushaltskommissar Oettinger ins Spiel gebrachte Reform des europäischen Urheberrechts. In der Tat sei „die Rechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene ein ergänzender, wichtiger Schritt zur Durchsetzung der Rechte der Presseverleger und Autoren in der Gemeinschaft“, sagte VG-Media-Geschäftsführer Runde kürzlich dem Handelsblatt. „Kommissar Oettinger hat dazu einen guten Vorschlag erarbeitet, der hilft, die Asymmetrie der Verhältnisse zwischen den Presseverlegern und großen Internetplattformen, die unsere Rechte für ihr sehr eigenes Geschäft verwerten, abzumildern.“

Oettinger hat frühzeitig erkannt, „dass das gut gemeinte deutsche Leistungsschutzgesetz nicht greift oder nur eingeschränkt greift“. Wichtig sei daher ein gemeinsamer Rechtsrahmen für Europa. Gäbe es eine europäische Standardsetzung mit Sanktionen, „würde sie beachtet“, hatte der CDU-Politiker 2015 schon gesagt.


Verlagslandschaft „bedarf eines besonderen Schutzes“

Oettinger hat in diesen Tagen seine Position noch einmal bekräftigt und dafür plädiert, die Reform des europäischen Urheberrechts auf höchster politischer Ebene zu behandeln. Die geplante Reform sei „von höchster strategischer Bedeutung für die nächsten zehn Jahre und muss zur Chefsache werden“, sagte der CDU-Politiker kürzlich dem Handelsblatt. „Wenn wir das jetzt nicht hinbekommen, werden wir uns wundern, wie stark die Vielfalt in der europäischen Presse in den nächsten zehn Jahren leiden wird“, warnte er. Die europäische Verlagslandschaft sei in ihrer Vielfalt „wie eine Serengeti – sie bedarf eines besonderen Schutzes“.

Oettinger hatte noch als Digitalkommissar im September unter anderem ein europäisches Leistungsschutzrecht für Verlage vorgeschlagen und die Hoffnung geäußert, alles bis Ende 2017 unter Dach und Fach zu bringen. Bis dahin sollten die Mitgliedsländer und das EU-Parlament die Pläne der EU-Kommission billigen, sagte Oettinger seinerseits. Danach sollen kommerzielle Internet-Anbieter wie etwa Google für die Verbreitung von digitalen Presseerzeugnissen an deren Urheber zahlen; und die Rechte sollen bis zu 20 Jahre lang durchgesetzt werden können.

Ziel sei der Schutz der Interessen von Urhebern und Verlegern, deren Geschäftsmodell wanke, erklärte Oettinger damals. Er gab außerdem zu bedenken, dass die EU als Ganzes mit 510 Millionen Menschen einen weltweit attraktiven Werbemarkt biete – und sich daher also auch US-Konzerne an europäische Regeln halten müssten. „Wenn ihr das nicht akzeptiert, habt ihr ein Problem“, sagte Oettinger seinerzeit an die Adresse der großen Internetanbieter.

Mit ihrem Vorhaben, Internetkonzerne wie Google oder Facebook dazu zu zwingen, Presse-Verlage und Musikindustrie besser für die Nutzung ihrer Erzeugnisse zu entlohnen, trifft die EU-Kommission aber auf großen Widerstand. Der Rat der Mitgliedsstaaten und das Europaparlament diskutieren die Vorschläge derzeit, ob sie die nötigen Mehrheiten in den beiden Institutionen finden, ist ungewiss. Er wolle für sein Konzept „kämpfen“, sagte Oettinger. Er habe dafür die volle Unterstützung des Kommissionspräsidenten: Jean-Claude Juncker erwarte, dass „wir unseren Vorschlag mit allen Kräften vertreten“.

Wie es im aktuellen Streit um das deutsche Leistungsschutzrecht weitergeht, liegt nun nach der Entscheidung des Berliner Landgerichts zunächst in der Hand des EuGH. Die CDU-Rechtspolitikerin Winkelmeier-Becker wollte den Beschluss nicht bewerten. Es sei Sache der Gerichte, über die Anwendung und Auslegung der Gesetze zu entscheiden, sagte sie.

Fakt sei nun aber, so Winkelmeier-Becker, dass nun der Europäische Gerichtshof zu beurteilen habe, ob es sich bei dem Leistungsschutzrecht im Urheberrechtsgesetz um eine „technische Vorschrift“ im Sinne der einschlägigen EU-Richtlinie handle. „Das Bundesjustizministerium war und ist der Auffassung, dass dies nicht der Fall ist“, sagte sie. Unabhängig davon müsse jedoch die Diskussion über eine Beteiligung von Verlagen und Journalisten an der Nutzung ihrer Leistungen weitergeführt werden. Und der Oettinger-Vorschlag könnte in dieser Hinsicht vielleicht einen Weg in die richtige Richtung weisen.

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