Streitgespräch Wie geht es weiter mit Hartz IV?

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Josef Schlarmann Quelle: Werner Schüring für WirtschaftsWoche

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch fordert, wer staatliche Unterstützung bekomme, müsse als Gegenleistung arbeiten. Richtig?

Schneider: Roland Koch ist für mich absolut keine Kapazität in dieser Frage. Wer staatliche Unterstützung bekommt, muss natürlich alles tun, um aus dieser Lage herauszukommen. Zu einer Gegenleistung sollten wir aber nur Menschen verpflichten, die unnötig lange im Transfersystem bleiben. Wenn wir einen erwerbslosen Facharbeiter für einen Euro Schnee schippen lassen, verbessern wir seine Biografie nicht. Es wäre doch viel klüger, etwas für seine Qualifikation zu tun, damit er wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fasst. Die Leute einfach irgendwie zu beschäftigen ist völlig sinnlos – auch aus Sicht des Steuerzahlers.

Schlarmann: Solidarität ist eine beiderseitige Verpflichtung. Jeder hat Anspruch auf Leistungen, wenn es ihm schlecht geht. Jeder muss aber auch selber alles tun, um seine Notlage zu beenden. Das ist der Geist unseres Sozialstaates. Er bedeutet die Verpflichtung, jede zumutbare Arbeit anzunehmen.

Schneider: Steht doch längst im Gesetz!

Schlarmann: Aber die Verwaltung setzt diese Vorgabe nicht um. Die Jobvermittler müssen allen, die einen Antrag auf Leistungen stellen, für den nächsten Tag Arbeit anbieten, so wie in Holland. Dort hat sich gezeigt: Von 100 Bewerbern machen mindestens 15 einen Rückzieher. Das ist doch ein probates Mittel! Ich unterstütze den Vorschlag von Roland Koch: Die Leute müssen sofort eine Arbeitsgelegenheit bekommen.

Schneider: Richtig. Das Beste, was einem arbeitslosen Menschen passieren kann, ist Arbeit. Allerdings müssen wir auch genügend öffentliche Beschäftigung anbieten, und das ist teuer. Wir können niemanden in den Park schicken, der keine Arbeitsgeräte hat. Und außerdem können wir uns noch etwas vom holländischen Modell abschauen: Da werden die Menschen nicht in irgendeinen Job gesteckt, sondern ihre Arbeit muss eine integrierende Funktion haben. Es gehört eine Menge Gehirnschmalz dazu, ein solches System in Deutschland aufzubauen.

Schlarmann: Da habe ich einen Vorschlag: Wir sollten die Zeitarbeitsfirmen einbeziehen. Die kennen sich mit Menschen aus, die schwierige Biografien haben. Die Zeitarbeitsbranche könnte Hartz-IV-Empfänger weiterbilden und sie ihrer Qualifikation gemäß einsetzen...

Schneider: ...damit machte die Zeitarbeit der gewerblichen Wirtschaft Konkurrenz. Außerdem verfügt die Zeitarbeit nicht über die nötige Kompetenz in der Qualifizierung und im Schaffen der Arbeitsfelder für die Menschen, um die es hier geht. Verraten Sie doch mal, wo Sie Hartz-IV-Empfänger einsetzen würden.

Schlarmann: Das überlasse ich den Zeitarbeitsunternehmen.

Schneider: Nennen Sie fünf Beispiele.

Schlarmann: Es gibt überall Arbeit. Da brauche ich nur durch Berlin zu fahren.

Schneider: Fünf Beispiele, Herr Schlarmann! Sie können nicht Hypothesen in den Raum stellen, ohne sie zu belegen.

Schlarmann: Es geht nicht um Hypothesen, sondern um praktische Eindrücke.

Schneider: Ich sag Ihnen mal was: In Deutschland gibt es schon jetzt 250.000 Ein-Euro-Jobs – einen Großteil davon bieten wir an. Und bei uns ist erst mal Schluss. Wir haben keine Kapazitäten mehr, das weiter auszubauen.

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