Streitgespräch Wie geht es weiter mit Hartz IV?

Seite 5/5

Komisch, dass keiner von Ihnen an dieser Stelle Mindestlöhne erwähnt.

Schneider: Die haben armutspolitisch keine große Bedeutung. Ein Mindestlohn kann nie so hoch sein, dass man davon eine vierköpfige Familie ernähren kann. Wir sprechen uns dennoch vor allem deshalb für branchenbezogene Mindestlöhne aus, weil einige Arbeitgeber anfangen, Hartz IV zu missbrauchen.

Ist das so, Herr Schlarmann?

Schlarmann: Ich will nicht ausschließen, dass es in einigen Branchen Vereinbarungen gibt, die darauf setzen, geringe Löhne vom Amt aufzustocken. Wenn Gesetze solche Möglichkeiten bieten, werden sie genutzt. Deswegen müssen wir aber nicht das ganze System infrage stellen. Sittenwidrige Löhne waren nie zulässig. Die Arbeitnehmer haben sich bloß nicht genug dagegen gewehrt. Ich bin aber gegen jede Form von Mindestlöhnen. Arbeitgeber, die Mindestlöhne fordern, wollen damit Konkurrenz ausschalten, die nicht tarifgebunden ist.

Jede gut gemeinte Maßnahme zeitigt negative Folgen: Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze. Erhöht man die Grundsicherung für Kinder, wird es mit dem Lohnabstandsgebot eng. Brauchen wir eine Zielhierarchie für das Soziale?

Schneider: Genau das ist die Aufgabe von Politik. Das Bundesverfassungsgericht hat gemahnt, dass die Politik so viel über das Lohnabstandsgebot philosophieren mag, wie sie will – am Ende muss sie nach Artikel eins des Grundgesetzes dafür sorgen, dass jedes Kind das bekommt, was es braucht. Alles andere ist zweitrangig.

Schlarmann: Mich ärgert es sehr, dass die Politik kein schlüssiges Konzept hat. Auch in Konzepten gibt es Zielkonflikte, aber man muss sich im Vorfeld entscheiden, welchem Ziel man den Vorrang gibt.

Und welches würden Sie empfehlen?

Schlarmann: Alle Parteien sagen doch, dass sie vor allem Vollbeschäftigung wollen. Aber der Weg dahin ist strittig. Mir geht auf den Senkel, dass unsere Politik allenfalls in Perioden von vier Jahren denkt, obwohl die Verschuldung ins Unermessliche geht. Das ist eine Fahrt gegen die Wand. Meine Strategie lautet: Wir brauchen mehr Wirtschaftsdynamik, und wir müssen die Haushalte vor allem über die Ausgabenseite konsolidieren.

Schneider: Sehen Sie, das ist jetzt wieder ein Unterschied zwischen uns. Ich sage: Wir brauchen mehr Wirtschaftsdynamik, aber wir müssen die Haushalte vor allem über die Einnahmen konsolidieren.

Schlarmann: Da bin ich beruhigt. Es wäre langweilig, wenn wir uns einig wären.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%