Strompreise Was der Eon-Innogy-Deal für Verbraucher bedeutet

Mit der Übernahme der RWE-Tochter Innogy durch Eon verschwindet ein Player vom Energiemarkt. Drohen nun höhere Strompreise?

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RWE: Was der Eon-Innogy-Deal für Verbraucher bedeutet Quelle: dpa

Berlin Eon kauft den Rivalen Innogy und wirbelt die Energie-Branche durcheinander. Es entsteht ein Megakonzern mit großer Marktmacht. Der Ökostrom-Marktführer Lichtblick befürchtet schon: „Das gefährdet den Wettbewerb im Strommarkt und könnte auf Dauer zu höheren Strompreisen für die Verbraucher führen.“ Ob es so kommt, ist allerdings nicht ausgemacht.

Jeder Wettbewerber, der vom Strommarkt verschwinde, sei zwar für den Verbraucher „eine traurige Nachricht“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, dem Handelsblatt. „Innogy ist aber ein eher teurer Grundversorger, darum ist zu hoffen, dass Eon die Strompreise senken wird.“ Dennoch sollte das Kartellamt aus Müllers Sicht „einen kritischen Blick auf die Fusion werfen, um sicherzugehen“.

Die Grünen reagierten indes besorgt auf die Übernahme der RWE-Ökostromtochter Innogy durch Eon. „Der deutsche Strommarkt leidet ja immer noch unter zu wenig Wettbewerb, und die niedrigen Börsenpreise kommen bei den Verbrauchern nach wie vor nicht an“, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, dem Handelsblatt. „Insofern ist es keine gute Nachricht, wenn Wettbewerber verschwinden.“

Die Fusion müsse nun „genauestens vom Kartellamt geprüft werden“, sagte Rößner weiter. Denn die Marktmacht großer Unternehmen habe immer Auswirkungen auf die Verbraucher. „Gerade der Strommarkt ist ein hart umkämpfter Markt, und eine Neuordnung darf am Ende nicht der Verbraucher zahlen“, betonte die Grünen-Politikerin.

Die größten deutschen Stromkonzerne Eon und RWE hatten zuvor erklärt, sich komplett neu aufstellen zu wollen. Die RWE-Tochter Innogy soll demnach zwischen den Konzernen aufgeteilt werden und RWE eine Minderheitsbeteiligung an Eon erhalten, wie die Unternehmen am Sonntag mitteilten. Die komplexe Transaktion sehe einen umfassenden Tausch von Geschäftsaktivitäten und Beteiligungen vor sowie eine Barzahlung von RWE an Eon in Höhe von 1,5 Milliarden Euro.

Eon würde sich nach der Transaktion auf das Netzgeschäft mit Strom und den Vertrieb fokussieren, die erneuerbaren Energien sollen unter dem Dach von RWE gebündelt werden. RWE könnte sich dann auf die Produktion von Strom konzentrieren. Noch ist die Milliarden-Transaktion aber nicht in trockenen Tüchern: So müssen die Aufsichtsräte der Versorger zustimmen, ebenso die Kartellbehörden.

Bedeutet nun der Eon-Innogy-Deal womöglich, dass sich die Verbraucher auf höhere Strompreise einstellen müssen? Nicht unbedingt. „Die Befürchtung teile ich nicht unmittelbar, da die Konzentration von potentieller Marktmacht in erster Linie durch Eon und den Zukauf der Netze entstehen kann“, sagte die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dem Handelsblatt.

„Dieser Bereich ist aber reguliert und somit können überhöhte Strompreise durch kluge Regulierung verhindert werden, was aber leider unabhängig von der Marktstruktur derzeit nur unzureichend stattfindet.“

Die derzeitigen „Traumrenditen für Netzbetreiber“ ermöglichten zudem stark steigende Netzentgelte und somit Strompreise, fügte Kemfert hinzu. Und dieser Effekt könne durch die Marktfusion weiter verstärkt werden.


„Die Zeit der Energieriesen ist abgelaufen“

Eigentlich haben Verbraucher die Möglichkeit, höheren Strompreisen zu entgehen. Denn die Energiemärkte sind seit Jahren liberalisiert. Kunden können somit den Stromanbieter frei wählen. Allerdings sind immer noch rund 30 Prozent der Stromkunden in Deutschland im teuren Grundversorgungstarif, wie eine DIW-Studie kürzlich zeigte. Alle Appelle von Verbraucherschützern und Bundesnetzagentur, die Strompreise zu vergleichen und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln, gehen demnach an einem großen Teil der Stromverbraucher vorbei.

In Deutschland ist der Grundversorger nach dem Energiewirtschaftsgesetz der Energieversorger, der in einem bestimmten Netzgebiet die Mehrzahl der Haushaltskunden versorgt. Häufig handelt es sich dabei um das örtliche Stadtwerk. Der Grundversorgungstarif gilt immer dann, wenn der Kunde mit dem Energieversorger keine andere vertragliche Vereinbarung trifft.

Das kann dann dazu führen, dass man von den „Großen Vier“ (Eon, RWE, EnBW und Vattenfall) versorgt wird. Was mitunter teuer sein kann. Laut der DIW-Studie stellten die Energieriesen zwar in 59 Prozent der untersuchten Gebiete den Grundversorger, sie boten aber nur in 22 Prozent der Fälle den günstigsten Tarif an. Dagegen werden 61 Prozent der günstigsten Tarife von unabhängigen Einzelhändlern angeboten, die dabei nur drei Prozent der Grundversorger stellen.

Gerade der Ökostrom-Anbieter Lichtblick fürchtet jetzt höhere Strompreise, weil ein Wettbewerber vom Markt verschwindet. DIW-Expertin Kemfert hält die Sorgen für unbegründet. „Im Bereich Ökostrom ist der Anteil von Eon oder RWE/Innogy zu klein, als dass er etablierten Ökostromanbietern ernsthaft Konkurrenz machen könnte“, sagte sie. „Von der Schwäche im Bereich Ökostrom kann der Wettbewerb eher profitieren, da Stadtwerke und mittelständische Energieunternehmen die Chancen der Energiewende nutzen können.“ Kemfert mahnte aber: „Der Wettbewerb sollte vor allem nicht weiter durch die Deckelung des Ökostromausbaus und künstliche Bevorteilung von Kohlekraftwerken behindert werden.“

Innogy sieht Kemfert als den großen Verlierer dieses Deals. Die Gründung des Ökostrom-Anbieters sei von Anfang an aufgrund unglaubwürdiger Geschäftsmodelle zum Scheitern verurteilt gewesen. Der Verkauf des Bereichs der Erneuerbaren Energien von Eon an RWE sei allerdings ebenso ein Fehler, ist Kemfert überzeugt. „Die Stromnetze mögen aufgrund von Traumrenditen zu kurzfristigen Profiten führen“, erläuterte die Energieökonomin, „doch mittel- bis langfristig wird der gesamte Bereich der Energiewende, inklusive dezentraler erneuerbarer Energien und nachhaltiger Mobilität boomen.“

Kemfert schätzt, dass aufgrund der Dekarbonisierung der gesamten Wirtschaft auch Gas im kommenden Jahrzehnt mehr und mehr zum Auslaufmodell werde, genauso wie Kohle und Atom schon heute. „Hier hatte Eon bisher erfolgversprechende Geschäftsmodelle für die zukünftige Energiewende begonnen, diese nun aufzugeben ist ein Fehler.“

Kritisch sieht Kemfert, dass die Erneuerbaren Energien unter dem Dach von RWE gebündelt werden sollen. Die Erneuerbaren seien bei RWE „schlecht aufgehoben, da dieser Konzern ausschließlich das konventionelle Energiegeschäft umsetzen kann und will“, sagte sie. „Es scheint, als könnten die Energieriesen nur das großskalige konventionelle Energiegeschäft bedienen, weniger das dezentrale, erneuerbare und innovative, welches langfristig aber das erfolgversprechendere ist.“

Die DIW-Ökonomin stellt vor diesem Hintergrund eine düstere Prognose: „Die Zeit der Energieriesen ist abgelaufen.“ Nun wolle man mit Megafusionen diesen Trend aufhalten. „Dies wird kaum gelingen, wenn sich die Konzerne nicht konsequent auf die Energiewende-Märkte konzentrieren.“

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