Studie Die meisten Deutschen wollen das Grundeinkommen

Ist es zu teuer? Macht es faul? Oder werden alle glücklich und kreativ? Kaum eine wirtschaftspolitische Idee wird so kontrovers diskutiert wie das bedingungslose Grundeinkommen. Nun gibt es erstmals internationale Daten dazu, was die Menschen von dem Konzept halten.

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Macht das bedingungsloses Grundeinkommen faul? Oder doch eher kreativ und glücklich? Quelle: Fotolia

Geld bekommen, einfach so, ohne arbeiten zu müssen. 52 Prozent der Deutschen befürworten die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. 20 Prozent sind in der Frage unentschieden, genau so viele lehnen das Konzept ab. Das ergab eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos.

Für ihre repräsentative Untersuchung haben die Forscher 1007 Menschen befragt. Außer Deutschland wurden elf weitere Länder in Europa und Nordamerika untersucht. Deutschland hat nach Serbien und Polen die meisten Grundeinkommensbefürworter in der Gesellschaft.

Am wenigsten Zustimmung findet das Grundeinkommen in Spanien und Frankreich: Dort wird die Idee von fast jedem zweiten Befragten abgelehnt. Der Grund dafür sind vor allem Sorgen vor hohen Kosten: 63 Prozent der Franzosen sagen, dass die erhöhte Steuerlast nicht zu bewältigen sei.

Die hohen Kosten sind einer der größten Streitpunkte in der Debatte. Die Modelle für eine Finanzierung des Grundeinkommens sind unterschiedlich: Von dm-Gründer Götz Werner stammt der Vorschlag, den Konsum stärker zu besteuern. Der Ökonom Thomas Straubhaar hingegen möchte hingegen die Einkommen stärker belasten und das Grundeinkommen wie einen Freibetrag von der Steuerschuld abziehen. Wer kein Einkommen und deshalb keine Einkommenssteuerschuld hat, soll die Gutschrift ausgezahlt bekommen.

Straubhaars Modell zur Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens

Derweil hat sich ein buntes Lager von prominenten Grundeinkommens-Befürwortern gebildet. Neoliberale Silicon-Valley-Unternehmer wie Peter Thiel und Elon Musk treffen auf linke Kapitalismuskritiker wie Katja Kipping oder Dax-Chefs wie Timotheus Höttges und Joe Kaeser. Die einen wollen wegfallende Jobs durch die Digitalisierung kompensieren, die anderen für mehr Gerechtigkeit sorgen. Wieder andere sehen darin die komplette Emanzipation des Arbeitnehmers. Zur Bundestagswahl tritt sogar eine Partei an, die kein anderes Ziel verfolgt, als das Grundeinkommen einzuführen.

Auch Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS-Bank, gehört zu den Fürsprechern des Grundeinkommens. "Die These "Wer nicht arbeitet soll nicht essen" ist aus meiner Sicht völlig überholt in der heutigen Zeit. Wir leben doch längst im Überfluss. Aus meiner Sicht ist es eine Selbstverständlichkeit, dass hier jeder Nahrung, Kleidung und eine Wohnung haben soll.“ Um dies zu finanzieren, möchte Jorberg Kapitalerträge stärker belasten.

Konzepte zur Förderung eines bedingungslosen Grundeinkommens

Damit argumentiert Jorberg ähnlich wie der Sozialpsychologe Erich Fromm. Dieser schrieb bereits vor über 50 Jahren, dass in einer Gesellschaft des Überflusses niemand mehr vom Hungertod bedroht sein müsse und damit aus der Psychologie des Mangels und der Angst befreit werden könne. Letztere sei schließlich der Grund, warum die Menschen Arbeitsbedingungen annehmen, die sie nicht möchten. „Ein garantiertes Einkommen könnte den Menschen zum ersten Mal von wirtschaftlicher Bedrohung wahrhaft frei und unabhängig machen“, so Fromm.

Keine Chancengleichheit durch das Grundeinkommen

Die Frage, ob das Grundeinkommen gleichzeitig gesellschaftliche Ungerechtigkeit bekämpfen kann, wird kontrovers diskutiert. Anke Hassel ist wissenschaftliche Direktorin des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, die traditionell den Gewerkschaften nahe steht. So findet die Wissenschaftlerin alle Konzepte gut, die für Gerechtigkeit und Umverteilung sorgen. Doch das Grundeinkommen lehnt sie scharf ab.

„Ein gleicher Geldbetrag nahe am Existenzminimum bedeutet doch keine Chancengleichheit. Die haben Sie durch Bildungszugang oder durch Zugang zu kulturellem Kapital. Das sind Aspekte der Teilhabe, die das Grundeinkommen nicht ermöglicht“, sagt Hassel.

Was das Grundeinkommen ermöglichen kann, ist mehr freie Zeit, davon sind die Befürworter überzeugt. Zwei Drittel der Deutschen erhoffen sich von einem Grundeinkommen mehr Zeit mit ihrer Familie. 46 Prozent denken, dass sie sich häufiger in Gemeinschaften engagieren würden.

Die Wissenschaftlerin Hassel ist skeptisch: „Es gibt heute schon Wohngebiete, wo die Bezugsquote von Sozialhilfe sehr hoch ist. Das korreliert nicht mit einem zunehmenden gesellschaftlichen Engagement.“

Inwieweit sich die Arbeitsmoral der Menschen ändert, wenn sie nicht mehr gezwungen sind, zu arbeiten, ist bislang kaum erforscht. In den Niederlanden und Kalifornien wird das Konzept getestet. In Finnland läuft derzeit ein Experiment, das die Restriktionen in der Arbeitslosenhilfe abschafft. Erste Ergebnisse zeigen, dass viele der Versuchsteilnehmer motiviert sind, mehr zu arbeiten: Früher wurde ihnen die staatliche Hilfe gekürzt, heute bekommen sie das Geld obendrauf - für viele ist das nicht nur Absicherung, sondern auch Anreiz, sich einen Job zu suchen.

Denn schließlich ist das Grundeinkommen zunächst nicht mehr als eine grundlegende Existenzsicherung. Reich wird dadurch niemand. „Es wäre ja nicht so, dass sich Arbeit dann nicht mehr lohnt. Wenn jemand mehr leistet, bekommt er mehr Geld. Diejenigen, die nichts tun, werden in unserer Gesellschaft doch nicht beneidet“, sagt auch GLS-Vorstand Jorberg.

Damit ist er jedoch optimistischer als die Mehrheit der Deutschen. Denn die Ipsos-Forscher haben in ihrer Studie auch gefragt, inwieweit sich das Grundeinkommen auf die Arbeitsmoral auswirken würde. 55 Prozent der Deutschen gehen davon aus, dass die Menschen mit Grundeinkommen eher abgeneigt wären, einer Erwerbsarbeit nachzugehen.

Gleichwohl sind es immer „die anderen“, die faul werden. Das wird in Umfragen deutlich, die die Frage andersherum stellen. Demnach geben weniger als zehn Prozent an, nicht mehr arbeiten zu wollen, sobald sie nicht mehr müssen. Die Mehrheit würde weiterarbeiten, allenfalls etwas weniger.

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