Studie Sozialer Ausgleich in Deutschland funktioniert

Die Schere zwischen Arm und Reich kann im Wahlkampf zum Thema werden. Ein arbeitgebernahes Institut ist der Ansicht: Langsam nähern sich die Einkommen in Deutschland wieder an - das Sozialsystem funktioniere.

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Wohnungsklingeln am Eingang eines Hauses in Frankfurt am Main:

Über die Frage, wie es mit der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland bestellt ist und ob es eine ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen gäbe, herrscht regelmäßiger Streit. Nun hat sich das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) mit Sitz in Köln in die Diskussion geschaltet. Demnach ist die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich nur noch ein Vorurteil. Die Behauptung, Einkommen und Vermögen seien zunehmend ungleich verteilt, sei nicht haltbar, sagte IW-Direktor Michael Hüther am Montag in Berlin. Stattdessen sei wegen des funktionierenden sozialen Ausgleichs in Deutschland eine „Entspannung der Ungleichverteilung“ zu beobachten.

„Die Ungleichheit ist tendenziell etwas rückläufig“, bestätigte auch ein Sprecher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Über mehrere Jahre gesehen zeige sich aber, dass Deutschland noch längst nicht wieder auf dem Niveau vom Ende der 1990er Jahre zurück sei.

Dem IW Köln zufolge hat Deutschland im Vergleich der 27 EU-Mitgliedsstaaten eine überdurchschnittlich ausgeprägte Umverteilung von Einkommen. So liege die Bundesrepublik auf Platz sechs der Länder, in denen untere Einkommensbereiche am meisten von staatlichen Transferleistungen profitieren. Das Steuersystem verteile beständig von oben nach unten um. Im unteren Einkommensbereich bestehe das Nettoeinkommen zu über 60 Prozent aus Transferleistungen.

Dem progressiven Effekt der Einkommenssteuer wirkten aber die Sozialabgaben entgegen, gab der DIW-Sprecher zu bedenken. „Der relative Anteil der Sozialabgaben ist umso höher, je geringer das Erwerbseinkommen ist. Diese Form der Umverteilung funktioniert nicht.“ Die Statistik des IW Köln zeigt, dass die Abgabenbelastung bei den zehn Prozent der Bevölkerung mit dem größten Einkommen sogar zurückgeht.

Auch die Annahme, immer mehr Menschen könnten von ihrer Arbeit nicht leben, ist aus Sicht des IW Köln falsch. Die Zahl der Hartz-IV-Aufstocker sei zuletzt deutlich gesunken. In der Rangliste der niedrigsten Armutsquoten rangiere Deutschland in Europa im oberen Mittelfeld. Die Zahl der Arbeitslosen habe im vergangenen Jahr mit 2,9 Millionen ihren niedrigsten Stand seit 1991 erreicht. Entgegen häufiger Behauptungen hätten Teilzeit- und befristete Beschäftigung dabei Vollzeitstellen nicht verdrängt, sondern ergänzt. „Langfristig haben wir keinen weiter steigenden Anteil von Niedriglohnbeschäftigung“, sagte Hüther.

Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro könne Einkommensarmut daher nicht zielgenau bekämpfen, schließt das IW Köln. Nur 18 Prozent der Arbeitnehmer verdienten weniger als 8,50 Euro - in bestimmten Branchen wie dem Gastgewerbe aber seien es fast 60 Prozent. Hier werde ein gesetzlicher Mindestlohn viele Arbeitsplätze gefährden. Auch das DIW rät bei einem flächendeckenden Mindestlohn zu Vorsicht. In einigen Regionen könne dieser einen Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten.

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