Studie zu Diesel-Steuervorteilen 20 Cent pro Liter mehr fürs Klima – und den Nahverkehr

Klimaforscher fordern ein Ende der Diesel-Steuervorteile. Denn sie wissen: Bei Preiserhöhungen an der Zapfsäule würden Diesel-Kunden ihr Fahrtverhalten ändern. Mehreinnahmen könnten für saubere Mobilität genutzt werden.

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Diesel-Autos profitieren von Steuervorteilen. Forderungen, sie abzuschaffen, hat die Bundesregierung bislang zurückgewiesen. Quelle: dpa

Berlin Als Reaktion auf den Dieselskandal sollten die Steuervorteile des Diesels innerhalb der Europäischen Union komplett gestrichen werden. Das fordern Wissenschaftler in einer neuen Studie. In Deutschland beispielsweise würde Diesel dann zwar an der Zapfsäule etwa 20 Cent pro Liter teurer. Im Gegenzug könnten aber die CO2-Emissionen und der Ausstoß von Stickoxiden (NOX) innerhalb von fünf Jahren in Deutschland oder auch in Frankreich um jeweils etwa zehn Prozent gesenkt werden. Denn vor allem Dieselfahrer reagieren auf Spritsteuererhöhungen deutlich preissensibler als bisher angenommen – sowohl private Fahrer als auch Unternehmen mit Dieselfahrzeugflotte. Bei einem Preisanstieg von 20 Cent pro Liter würden sie Fahrten einsparen und dadurch etwa 14 Prozent weniger Kraftstoff tanken.

Das sind die Kernergebnisse einer neuen Studie unter Leitung des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. Die Wissenschaftler sind nicht die ersten, die die Steuervorteile für Dieselautos unter die Lupe nehmen. Das Umweltbundesamt hat sich wiederholt für die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen ausgesprochen, darunter die Subventionierung des Dieselautos, um auf diese Weise stärker emissionsfreie Autos, Busse und Bahnen fördern zu können. Bislang konzentrierte sich die Debatte aber eher auf drohende Fahrverbote in zahlreichen Städten, in denen zeitweilig vor allem die Grenzwerte für Stickoxide überschritten werden.

Eine andere Steuerpolitik würde den EU-Staaten erhebliche Mehreinnahmen bescheren, heißt es in der Studie. Die Steuerhaushalte von Deutschland und Frankreich würden über jeweils rund vier Milliarden Euro mehr im Jahr der Reform verfügen. Italien, Spanien und die Niederlande über jeweils eine Milliarde Euro mehr. Diese Summen sollten laut Studie in den öffentlichen Nahverkehr oder die Forschung und Entwicklung von sauberen Antriebstechnologien investiert werden.

„Wenn die Verkehrswende mit Elektroautos in Gang kommt, sind die Probleme mit Dieselautos nicht einfach gestoppt. Auf dem Land und für den Fernverkehr blieben sie weiter attraktiv, denn weniger Spritnachfrage führt zu einem Preisverfall, was eine höhere Nachfrage nach Diesel nach sich ziehen kann“, erklärt MCC-Wissenschaftler Nicolas Koch, der die Studie betreut hat. „Weil aber gerade Dieselfahrzeuge meist von Firmen genutzt werden, die besonders empfindlich auf die Preise an der Zapfsäule reagieren, liegt hier auch ein hervorragender Ansatzpunkt für die Politik, um eine Verhaltensänderung anzustoßen.“

Die Forscher haben auf der Grundlage von EU-Daten etwa über die Flottenzusammensetzung und den Spritkonsum bestimmt, wie stark die Fahrer von Benzin- und Dieselautos auf höhere Spritpreise reagieren. Auf dieser Basis haben sie dann berechnet, wie sich Emissionen durch eine Abschaffung der Dieselsteuervorteile einerseits und einer CO2-Steuer andererseits verändern würden. Um den reinen Preiseffekt hervorzuheben, haben sie angenommen, dass das Einkommen sowie die Fahrzeugflotte gleichbleiben. Beide Politikmaßnahmen könnten demnach erheblich zur Senkung der NOX-Emissionen und Einhaltung der CO2-Reduktionszielen in der EU beitragen.

„Bei der Elektrifizierung des Verkehrssektors kann die Politik verschiedene Wege befahren“, sagt MCC-Direktor Ottmar Edenhofer, der zugleich Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ist. „Um Fahrverbote zu vermeiden, sollte die Politik jede Chance nutzen und auf ein Ende der Diesel-Steuervorteile zurückgreifen, die bereits unmittelbar erhebliche Emissionsreduktionen mit sich bringen. Durch die neuen Einnahmen können die Belastungen von Pendlern und Vielfahrer durch neue sozialverträgliche Mobilitätskonzepte aufgefangen werden.“

Durch eine komplette Streichung der EU-Steuervorteile für Dieselkraftstoffe würden zudem selbst die ehrgeizigen EU-Klimaschutzziele für 2020 noch in greifbare Nähe rücken. Denn der Transportsektor mit seinen weiter steigenden Emissionen gilt als ein Schlüssel, um sie zu erreichen. „Klima- und umweltpolitisch gibt es eigentlich keinen Grund für die Privilegien des Diesels – pro Liter ist er deutlich schmutziger als ein Benziner. Das Ende der Steuervorteile für Diesel würde etwa genau so viel CO2 reduzieren wie es ein CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne könnte“, sagt PIK-Forscherin Anne Zimmer, ebenfalls Autorin der Studie. „Doch eine CO2-Steuer dieser Höhe wäre in Europa politisch schwer umsetzbar. Würden die einzelnen Staaten jedoch ihre jeweiligen Diesel-Steuervorteile streichen, hätten sie auch das nötige Geld für den Aufbau neuer klima- und umweltfreundlicher Infrastrukturen.“

Unabhängig vom Ergebnis der Bundestagswahl am 24. September wird die Verkehrswende eine wesentliche Rolle in der nächsten Legislaturperiode spielen. Getrieben von der Konkurrenz schwenken auch die deutschen Automobilhersteller langsam aber sicher zur Elektromobilität um. Zu den in der Elektromobilität führenden Autobauern gehören bislang vor allem Tesla und Toyota sowie Nissan.

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