Studie zu Verpackungen Die Lebensmittelwirtschaft steckt in der Misstrauensfalle

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„Hauptsache, es schmeckt“


Die Verbraucher sehen das laut der Studie allerdings anders. Untersucht wurden von den Experten, welche Erwartungen fiktive, aber an realen Produkten orientierte Verpackungen in unterschiedlicher Aufmachung bei den Befragten wecken. Demnach fühlen sich Verbraucher weniger getäuscht, wenn bereits auf der Vorderseite der Anteil einer prominent beworbenen Zutat in Prozent angegeben wird. Das gilt auch und gerade, wenn nur wenig von dieser Zutat enthalten ist. Laut der Umfrage wünschen sich jedenfalls aber 83 Prozent der Befragten, auf einen Aromazusatz schon auf der Verpackungsvorderseite hinzuweisen.

Die von der Lebensmittelwirtschaft genannte Quid-Regelung halten zwar auch die Studienautoren für grundsätzlich sinnvoll. Die Mengenangabe werde jedoch „in der Praxis meist auf der Rückseite einer Verpackung platziert und ist damit zu unauffällig“, kritisieren sie. Auf Basis der Untersuchungsergebnisse schlagen sie daher vor, eine Verpflichtung zur Angabe der Zutatenmenge auf der „Produktschauseite“ in Erwägung zu erziehen. Auch der VZBV fordert, die Menge beworbener Zutaten in Prozent auf der Vorderseite anzugeben.

Die Studie zeigt zudem, dass die gesetzlich definierten Aromabegriffe missverständlich und für Verbraucher schwer zu unterscheiden sind. Jeweils etwa 60 Prozent der Befragten meinen, dass man anhand der unterschiedlichen Begrifflichkeiten „mit natürlichem Aroma“, „mit Himbeeraroma“, „mit natürlichem Himbeeraroma“, „mit Aroma“ und „aromatisiert“ nicht erkennen könne, woraus das Aroma hergestellt werde. Bei „natürlichem Himbeeraroma“ (zu mindestens 95 Prozent aus Himbeeren hergestellt) zum Beispiel glauben 44 Prozent der Befragten, dass es künstlich hergestellt sei.

Für die Studienautoren liegen die Konsequenzen, die daraus resultieren können, auf der Hand. Werde die Differenzierung zwischen den verschiedenen Aromaarten nicht verstanden, wecke das Misstrauen und erschwere „informierte Kaufentscheidungen“. Die Begriffe sollten daher „so verändert werden, dass sie intuitiv verständlich sind“. Der VZBV fordert daher eine Anpassung der EU-Aromen-Verordnung, um die Aromabegriffe für Verbraucher verständlich zu formulieren.

Allerdings kommt die Studie auch zu dem Ergebnis, dass nur etwa jeder dritte Verbraucher (33,5 Prozent) überhaupt die Angaben auf den Lebensmittelverpackungen genau durchliest. Doch auch innerhalb dieser Gruppe vertrauen etwa 39 Prozent den Angaben nicht und nur 23,8 Prozent finden die Angaben verständlich.

Dass die Verbraucher hinsichtlich der Produktqualität stark sensibilisiert sind, zeigt ein anderer Befund der Umfrage. Danach achten so gut wie alle deutschen Verbraucher bei ihrem Lebensmitteleinkauf auf einen guten Geschmack der Produkte (95,4 Prozent). Vergleichbar verbreitet ist mit 86,7 Prozent Zustimmung auch die generelle Präferenz dafür, dass Lebensmittel so natürlich wie möglich sein sollten. Für 12 Prozent hingegen ist es egal, wie die Lebensmittel hergestellt wurden. Die agierten vielmehr nach dem Motto „Hauptsache, es schmeckt“.

Im Gegensatz dazu ist der Anteil der Konsumenten, die beim Einkauf der Lebensmittel auf die Zutatenliste (44,9 Prozent; 32,3 Prozent teilweise) und auf Lebensmittelzusatzstoffe (40,7 Prozent, 26,7 Prozent teilweise) achten beziehungsweise darauf, ob „künstliche Aromastoffe“ enthalten sind (39,4 Prozent, 31,5 Prozent teilweise), geringer.

Dabei zeigt sich der Studie zufolge, dass Frauen tendenziell eher auf die Zutatenliste achten. Auch nehme die Wahrscheinlichkeit, dass Verbraucher auf die Zutatenliste und auf Zusatzstoffe achten, mit einem höheren Bildungsniveau zu. Verbraucher mit einem geringen Einkommen achten demnach hingegen weniger auf diese Aspekte, dafür mehr auf den Preis.

Dessen ungeachtet sind aber 91,4 Prozent der Verbraucher der Auffassung, dass Zutaten, die auf der Verpackung abgebildet sind, auch im Produkt enthalten sein sollten – nur 15,8 Prozent stimmen zu, dass „Hersteller Zutaten auf Verpackungen auch abbilden dürfen sollten, wenn das Produkt nur durch Aromen danach schmeckt“ und 80,6 Prozent sagen, dass es nicht reicht, dass ein Produkt nach abgebildeten Zutaten schmeckt, sie müssen auch enthalten sein. Gleichzeitig stimmen aber auch 40 Prozent zu, dass sie die Abbildung von Lebensmittelzutaten wie Früchten lediglich als Geschmackshinweis verstehen.

Gleichwohl kann es auch schon mal zu juristischen Auseinandersetzungen über Produkte kommen, bei denen auf der Verpackung beworbene Zutaten zwar enthalten sind, aber nur in minimalen Mengen. Das Oberlandesgericht Nürnberg etwa sah im Februar 2017 die Kennzeichnung eines Mehrfruchtgetränks „Himbeer-Rhabarber“ als irreführend an. Auf dem Etikett wurden Himbeeren und Rhabarberstangen gezeigt und 30 Prozent Saftanteil versprochen – tatsächlich aber enthielt das Getränk nur jeweils 0,1 Prozent Himbeer- und Rhabarbersaft und fast ausschließlich Apfelsaft.

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