Studie zum Betreuungsgeld Mythos Herdprämie

Untersuchungen des Deutschen Jugendinstituts ernüchtern eine erhitzte Debatte: Das Betreuungsgeld hat viel Geld gekostet, aber kaum ein Kind von der Kita ferngehalten.

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Kinder in einer Kindertagesstätte. Es wurde befürchtet, das Betreuungsgeld für Eltern hielte Kinder von der Kita fern Quelle: dpa

Um wenige Leistungen der deutschen Politik ist in den vergangenen Jahren so erbittert gekämpft, so polemisch gestritten geworden wie um diese: das Betreuungsgeld. An der Haltung über diese 150 Euro pro Kind und Monat für Eltern, die ihr Kind zuhause betreuen, entzündeten sich leidenschaftliche Grundsatzdebatten: über gesellschaftliche Chancengerechtigkeit und Elternliebe, über die Rolle des Staates und der Familie, überhaupt über progressive oder konservative Geisteshaltungen.

Wie so häufig in der Bundesrepublik wurde dieser Fundamentalstreit nicht politisch beigelegt, sondern juristisch. Seit das Bundesverfassungsgericht im Juli 2015 das Betreuungsgeld kippte, ist dessen Auslaufen absehbar. Nur Bayern hat angekündigt, die künftig verbotene Bundesleistung als Landesprogramm fortzuführen.

Das Betreuungsgeld hält Kinder nicht von der Kita fern

Die umfassende Studie, die das Deutsche Jugendinstitut (DJI) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zu den Wirkungen des Betreuungsgeldes vorgelegt hat, hat deshalb einerseits nur noch notariellen Charakter. Andererseits ist sie die bislang beste, weil gründlichste Datengrundlage. Unterm Strich sorgt sie für eines: Ausnüchterung einer erhitzten Debatte.

Denn der Hauptvorwurf, der von den Kritikern des Betreuungsgeldes in Richtung der Befürworter gemacht wurde, war folgender: dass es sich um eine Herdprämie handle, einen Kita-Fernbleib-Bonus, der gerade förderbedürftigen Kindern schade und Geringverdiener dazu verleiten werde, nicht arbeiten zu gehen. Aber dem ist offenbar nicht so. Zumindest nicht mehrheitlich.

Laut der Studie sind immerhin 40 Prozent der Bezieher „überzeugte Familienerziehende“. Mütter und Väter also, die sich aus Prinzip gegen die Kita entschieden, ganz unabhängig von den 150 Euro. Die allerdings nahmen das Geld natürlich gerne mit. Kaum mehr als jeder zwanzigste der Befragten (5,7 Prozent) antwortete hingegen, ohne Betreuungsgeld wäre das Kind in der Tat in eine Einrichtung gegangen.

Auf der anderen Seite hat sich die Mehrheit der Betreuungsgeld-Eltern (60 Prozent) während des Bezugs gleichzeitig um einen Kita- oder Tagesmutter-Platz bemüht. Der Zuschuss war und ist also eher ein Überbrückungsfinanzierung der Wartezeit und weniger ein handfester, üppiger Anreiz, zuhause zu bleiben. Am Ende der Debatte bleibt also übrig: Das Schlimmste, was man über das Betreuungsgeld sagen kann, ist – es hat für eine Menge Geld wenig Schaden angerichtet.

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