Studien von RWI und OECD So kassiert der Staat die Bürger wirklich ab

Die Steuerlast erreicht in Deutschland neue Höchstwerte. Die Abgaben sind höher als offiziell ausgewiesen, denn der Staat versteckt bestimmte Lasten. So werden die Bürger abkassiert.

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Steuern: Deutschland kassiert kräftig ab. Quelle: Marcel Stahn

Deutschland entwickelt sich wieder zum Hochsteuerland - auf leisen Sohlen schleichend. Schon die offizielle Statistik aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) belegt, dass die Steuer- und Abgabenquote im vorigen Jahr auf 40,2 Prozent gestiegen ist und damit den höchsten Stand seit der Jahrtausendwende und den Reformen des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder erreicht hat. Doch tatsächlich ist die Steuer- und Abgabenlast sogar noch deutlich höher, ermittelte nun das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung.

Dass eine von den Liberalen initiierte Studie zu einem solchen Ergebnis kommt, ist sicherlich nicht allzu überraschend. Bekanntlich kann jeder sich seine Statistiken nach eigenen Wünschen zurechtdeichseln. So zählt das RWI im Gegensatz zur offiziellen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auch die EEG-Umlage beim Strom (24 Milliarden Euro) zu den Lasten; diese ist strenggenommen zwar keine staatliche Abgabe, weil es sich um eine Umverteilung von privat zu privat handelt. Andererseits ist es nicht abwegig, sie wie das RWI als Abgabe anzusehen, da sie gesetzlich vorgeschrieben ist und von vielen Bürgern sicherlich als solche empfunden wird. Auch die Erbschaftsteuer von zuletzt mehr als sechs Milliarden Euro gilt laut VGR nicht als Steuer, sondern als „Vermögenstransfer“. Selbst Zölle und Abgaben zugunsten der EU gehen nicht in die VGR ein, so wenig wie die Bankenabgabe oder die Lkw-Maut. Summa summarum kommt das RWI auf fast 42 Prozent Steuer- und Abgabenlast.

Dass Deutschland seine Bürger kräftig schröpft, belegt auch eine OECD-Studie, die ebenfalls an diesem Dienstag veröffentlicht wurde. Nach den Berechnungen der in Paris ansässigen Organisation beträgt die Steuer- und Abgabenlast bei den deutschen Beschäftigten 49,4 Prozent. Nur in Belgien werden die Arbeitnehmer mit noch stärker zur Kasse gebeten (54 Prozent). Der OECD-Durchschnitt liegt derweil bei 36 Prozent Steuer- und Abgabenlast der Arbeitseinkommen. Selbst die als steuerfreundlich bekannten Schweden kommen mit 42,8 Prozent auf eine deutlich niedrigere Belastung als die Deutschen, ermittelte die OECD.

Die höchste prozentuale Belastung ermittelt das RWI für Arbeitnehmerhaushalte mit einem Einkommen zwischen 40.000 und 80.000 Euro jährlich. Dort beträgt die Steuer- und Abgabenlast rund 48 Prozent. Doch schon vorher schlägt der Staat kräftig zu, bei einem Haushaltseinkommen von 30.000 Euro liegt die Steuer- und Abgabenlast laut RWI bereits bei 45 Prozent.

Mit der Studie untermauert die FDP ihre – seit der verlorenen Bundestagswahl 2013 nur verhalten vorgetragene – traditionelle Forderung nach Steuerentlastungen. Offenbar wollen die Liberalen wenige Monate vor der nächsten Bundestagswahl doch wieder mit diesem Kernthema punkten. FDP-Chef Christian Lindner sieht bereits Spielraum für eine Steuerentlastung von 30 Milliarden Euro. FDP-Steuerfachmann Hermann Otto Solms fordert an diesem Dienstag zudem die Abschaffung der EEG-Umlage und eine Dämpfung der Sozialversicherungsbeiträge bei steigender Beschäftigung.

Danach könnte die FDP im Falle eines Wiedereinzugs in den Bundestag und bei entsprechenden Regierungsoptionen eigentlich nur mit CDU und CSU koalieren. Denn die Union tritt ebenfalls für Steuererleichterungen ein, wenn auch zunächst nur in Höhe von 15 Milliarden Euro. Da die Union aber auch den Soli nach und nach abschmelzen will, könnte sich eine schwarz-gelbe Koalition in der nächsten Legislaturperiode zumindest steuerpolitisch leicht zusammenraufen.

Anders ist die Situation bei einem rot-gelben oder rot-gelb-grünen Farbenspiel. Da steht die FDP mit ihren Forderungen nach Steuerentlastungen allein auf weiter Flur. Die SPD will am liebsten nichts ändern. Ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz hat angekündigt, lieber mehr Geld für den Ausbau von Kitas und für Schulen ausgeben zu wollen, als die Steuerlast der Bürger zu senken. Und die Grünen können sich nicht einmal von ihrem Gedanken einer Vermögensabgabe für so genannte „Superreiche“ distanzieren.

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