Stuttgart, München, ...? Wo als nächstes Diesel-Fahrverbote drohen könnten

Neben Stuttgart denkt nun auch München wegen zu hoher Stickoxid-Belastung laut über Diesel-Fahrverbote nach. Viele Städte in Deutschland kämpfen mit diesem Problem. Kommen Fahrverbote bald vielerorts? Eine Umfrage.

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Mehrere deutsche Städte überschreiten die Grenzwerte für Stickoxide teilweise deutlich. Quelle: dpa

Während die Nachrichten über Abgasschwindeleien in der Autobranche nicht abreißen, hat es den Anschein, als würden sich nun die kommunalen Politiker einiger Städte bewegen. Über Dieselfahrverbote gesprochen haben grundsätzlich schon viele – sie wirklich auf den Weg gebracht oder zumindest konkrete Pläne angekündigt bislang nur wenige.

Vorreiter ist Stuttgart. Und das zu Recht: Im Ranking des Umweltbundesamtes, welches die Städte Deutschlands benennt, die den festgelegten Stickstoffdioxid-Grenzwert überschreiten, landet die baden-württembergische Hauptstadt auf dem ersten Platz. 82 Mikrogram pro Kubikmeter im Jahresmittelwert maß das Umweltbundesamt im vergangenen Jahr – der liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel.

Ab 2018 soll es in Stuttgart für Dieselautos Fahrverbote geben – allerdings primär wegen einer überhöhten Feinstaubbelastung. In Stein gemeißelt sei das ganze allerdings noch nicht, ließ der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, wissen. Können die Dieselmotoren angemessen nachgerüstet werden, sei ein solches Verbot schließlich nicht notwendig.

Münchens Oberbürgermeister bringt Diesel-Fahrverbot ins Gespräch

Ganz konkret wegen zu hoher Abgas-Messungen zeigte sich nun in dieser Woche Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“: "So sehr ich mich freuen würde, wenn es ohne solche Verbote ginge, so wenig sehe ich, wie wir künftig weiter ohne Sperrungen auskommen werden", zitiert ihn die Zeitung. Auf vielen Straßen in der bayerischen Landeshauptstadt hätten die Abgas-Messungen erschreckende Ergebnisse gezeigt.

Die deutschen Städte mit der höchsten Stickoxid-Belastung

Nach Stuttgart wird nun auch dieses Ansinnen von der Umweltschutzorganisation Greenpeace bejubelt: „Endlich ist einem Bürgermeister die Gesundheit der Menschen wichtiger als freie Fahrt für schmutzige Diesel“, sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup am Mittwoch. „Immer mehr Städte werden einsehen, dass der andauernde Abgasbetrug der Hersteller Fahrverbote unumgänglich macht.“

Schließlich haben eine ganze Reihe Städte ähnlich wie Stuttgart und München Probleme mit deutlich zu hohen Grenzwerten. Das Ranking des Umweltbundesamtes (UBA) listet deutlich mehr Städte auf, die den Stickstoffdioxid-Grenzwert überschreiten. Auch diese geraten nun mehr und mehr unter Zugzwang, etwas gegen die Luftverschmutzung zu tun.

So wird etwa auch in Städten wie Reutlingen, Kiel, Köln, Hamburg und Düsseldorf die Frage auf den Plan gerufen, ob Dieselfahrverbote nicht sinnvoll wären. In diesen Städten zeigt man sich bislang allerdings zurückhaltend, wie eine Recherche von WirtschaftsWoche Online ergab.

Reutlingen zieht Blaue Plakette in Betracht

In Reutlingen (mit 66 Mikrogramm pro Kubikmeter Platz 3 im Stickoxid-Ranking hinter München) wurde gerade Anfang Juni die Aktualisierung des Luftreinhaltungsplans diskutiert – ohne klaren Beschluss. Grundsätzliche Dieselfahrverbote scheinen öffentlich derzeit kein Thema zu sein. Dafür wird die Einführung einer Blauen Umweltzone diskutiert.

Die Blaue Plakette und die damit verbundene Blaue Umweltzone sind eine Forderung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und weiterer Umweltverbände. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks befürwortet das Konzept der Blauen Plakette, hat der Initiative die Unterstützung des Bundes bislang aber verwehrt. Die Blaue Plakette soll ein Teilschritt zum Dieselfahrverbot sein, da sie nur für Fahrzeuge mit besonders niedrigem Stickstoffdioxid- Ausstoß erhältlich ist. Das heißt, nur noch für Diesel-Fahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 6 entsprechen sowie Benzin-Fahrzeuge mit der Norm Euro 3. „Sie gibt den Kommunen die Möglichkeit, Maßnahmen gegen die vielerorts auftretenden Stickstoffdioxid-Überschreitungen umzusetzen“, so die DUH.

Die Stadt Reutlingen habe bezüglich der Wirkung einer Blauen Umweltzone „noch weiteren Klärungsbedarf“ heißt es in der Beschlussvorlage. Neben den Neuberechnungen der Grenzwerte müsse auch die Betroffenheit von Reutlinger Dieselfahrern berücksichtigt werden. Reutlingens Oberbürgermeisterin Barbara Bosch fordert in dem Beschluss Bund- und Landesregierung dazu auf „mit der Autoindustrie schnellstmöglich eine wirksame Schadstoffreduzierung vorhandener Diesel-Fahrzeuge zu vereinbaren“.

Fragen und Antworten zu Diesel-Fahrverboten

Köln und Kiel bleiben vorerst zurückhaltend

In Köln, wo sich im Jahresmittelwert 63 Mikrogramm pro Kubikmeter (Platz 5) messen lassen, entwickelt die zuständige Bezirksregierung gerade einen neuen Luftreinhalteplan. Auf mögliche Dieselverbote angesprochen, verweist die Bezirksregierung auf ein laufendes Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dort wird voraussichtlich im Herbst entschieden, ob die Bundesländer für solche Verbote zuständig sind. In der Vergangenheit zeigte sich die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Rekers wenig begeistert von einem Dieselverbot. „Bei Diesel-Fahrverboten habe ich große Bedenken hinsichtlich der Praktikabilität und der Verhältnismäßigkeit“, sagte sie kürzlich.

Die Stadt Kiel, die mit 65 Mikrogramm pro Kubikmeter (Platz 4) im Jahresmittel zu kämpfen hat, war Dieselverboten in der Vergangenheit eher abgeneigt und plant auch in Zukunft keine. Sie begründet das damit, dass die Grenzwerte nur an einer einzelnen Stelle und in keiner Zone überschritten werden. Stattdessen überprüfe die Stadt mehrere Möglichkeiten, um die Belastung zu reduzieren. Dazu gehören unter anderem auch der Bau eines Tunnels oder die künstliche Durchlüftung der Straße, ebenso wie ein selektives Fahrverbot.

Düsseldorf wegen Gerichtsurteil unter Druck

In Düsseldorf (Platz 7 im UBA-Ranking mit 58 Mikrogramm pro Kubikmeter) steht die Kommunalpolitik besonders unter Druck – quasi von Gerichts wegen. Denn nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH), wegen zu starker Luftverschmutzung und überschrittener Grenzwerte, entschied das Düsseldorfer Verwaltungsgericht im Oktober 2015, dass die NRW-Landeshauptstadt mehr tun müsse zur Luftreinhaltung.

Die Bezirksregierung bekam eine Frist gesetzt bis Oktober 2017. Bis dahin muss der Luftreinhalteplan für die Stadt Düsseldorf so überarbeitet sein, dass die Stickstoffdioxid-Grenzwerte eingehalten werden können. Und nicht nur das. Die Richter legten der Bezirksregierung darüber hinaus nahe, Diesel-Fahrverbote in ihre Pläne aufzunehmen.

In der Düsseldorfer Kommunalpolitik traf diese Aufforderung jedoch bislang auf wenig Gegenliebe – konkrete Pläne, die Luftverschmutzung zu senken, sind bislang nicht bekannt. Und sowohl die Düsseldorfer SPD (die den Oberbürgermeister stellt) als auch die CDU sehen drängende Maßnahmen eher beim Nahverkehr. So forderten sie zuletzt vom Düsseldorfer Verkehrsunternehmen Rheinbahn die Diesel-Busse auf Elektroantrieb umzurüsten. Deren Chef lehnte ab. Außerdem verweist die Stadt darauf, dass zur Zeit über einen weiteren Ausbau der Fahrradinfrastruktur diskutiert wird. Ob es zu Dieselverboten kommt, könne derzeit noch nicht abschließen gesagt werden.

Hamburg legt neuen Luftreinhalteplan vor – ohne Dieselverbot

Auch Hamburg ist von einem Gericht aufgefordert worden einen neuen Luftreinhalteplan vorzulegen. Im November 2014 verlangte das Verwaltungsgericht Hamburg einen durchgerechneten neuen Luftreinhalteplan bis zum 30. Juni 2017. Um dem Folge zu leisten, beschloss Hamburgs Senat Anfang Mai einen entsprechenden neuen Luftreinhalteplan.

Uneingeschränkte Einfahrverbote wird es demnach allerdings nicht geben – auch nicht für Dieselautos. Lediglich an zwei kurzen Straßenabschnitten soll es in Hamburg bald Dieselverkehrsbeschränkungen geben.

Die Hamburger Zurückhaltung begründet Umweltsenator Jens Kerstan damit, dass das Problem „handhabbar“ sei. „Gründe dafür sind die erwartete Erneuerung der Dieselflotte und die Abnahme des Verkehrs im Innenstadtbereich“, so Kerstan. Hinzu käme der Trend zu alternativen Antrieben und mehr Radverkehr. Bei seinem Luftreinhalteplan setzt Hamburg deshalb auf emissionsarmen Nahverkehr und die Förderung der E-Mobilität.

Ebenso wie Reutlingens Oberbürgermeisterin sieht auch Kerstan den Bund in der Pflicht, die Autobranche in die Mangel zu nehmen: „Würden alle Autos die gesetzlichen Zulassungswerte auch auf der Straße einhalten, hätten wir schon heute nur noch an sehr wenigen Stellen in Hamburg ein Grenzwert-Problem.“

Sollten in deutschen Großstädten Dieselverbote durchgesetzt werden, hätte das weitreichende Folgen für weite Teile des innerstädtischen Verkehrs. Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" würde das Verbot je nach zu Grunde gelegten Grenzwerten allein in München zwischen 133.000 und 170.000 Fahrzeuge betreffen.

Auch deshalb kritisieren insbesondere Wirtschaftsverbände mögliche Verbotspläne. Sie befürchten Probleme bei der Warenlieferung und für Pendler, die den öffentlichen Nahverkehr überfordern könnten.

Auch der Verband der Automobilindustrie verweist darauf, dass es intelligentere und schneller wirkende Maßnahmen als ein Verbot von Dieseln gebe. So solle stattdessen der Verkehrsfluss verbessert und Staus vermieden werden.

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