Tag der Deutschen Einheit Ein letzter Tusch für Bonn

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Baustelle des World Conference Quelle: dpa

De Mazières allzu deutlich artikulierter Wunsch, der Stadt möglichst bald und möglichst umfassend den Rücken zu kehren ist dabei nur der öffentlich artikulierte Teil eines Eisbergs, der seit den 90er Jahren Rutschbahneffekt genannt wird. Die Sorge damals: Auch wenn man die Position Bonns gesetzlich fixiere, nach und nach werde es die Bundesbeamten nach Berlin ziehen. Genau das scheint einzutreten. Berlin ist als Arbeitsplatz schlichtweg attraktiver. Und so findet ein überwiegender Teil der Neueinstellungen seit Jahren in Berlin statt, statt über 60 Prozent arbeiten heute nur noch rund 45 Prozent der Angestellten in Bonn. Für fünf Ministerien, darunter der Bereich Verteidigung, gibt das Bonn-Berlin-Gesetz vor, dass der zentrale Dienstsitz in Bonn verbleiben müsse. Doch wen diese Regelung nicht bindet, der sieht zu, dass er unauffällig Land gewinnt. Zuletzt war es Ex-Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), die vormachte, wie man die Stadt geräuschlos räumt. Nach und nach gliederte sie einen erheblichen Teil ihrer Mitarbeiter in Bundesbehörden aus, die verbleibenden Ministerialbeamten holte sie fast alle nach Berlin.

Washington als Benchmark

Dabei hat der Bund über Jahre alles getan, um die Stadt herauszuputzen, ihr anstelle des bundesrepublikanischen Herzens ein neues zu implantieren. Mit den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost hat man drei Großkonzerne hier angesiedelt, Mehr als 1,4 Milliarden Euro sind dafür allein zwischen 1999 und 2004 in die Stadt geflossen, mehr als jede Kommune vergleichbarer Größe in Ostdeutschland im selben Zeitraum an Bundesmitteln ausgeben durfte. International sollte es sein und auch ein bisschen was mit Kultur. Der erste Anspruch kostete die Stadt ihre finanzielle Unschuld, der zweite offenbarte ihre Provinzialität.

Zunächst blieb für Bonn dabei nur der Trostpreis. An UN-Institutionen konnte man sich lange Zeit nur mit dem Sekretariat des Abkommens zur Erhaltung der Fledermauspopulationen in Europa schmücken, in dem heute vier Mitarbeiter beschäftigt sind. Später folgte das Klimasekretariat, eine durchaus bedeutsame Institution, mehr als 800 Mitarbeiter brachte sie an den Rhein, im Langen Eugen, wo früher die Parlamentarier hausten, versuchen sich heute Mitarbeiter aus 170 Ländern an der Rettung des Weltklimas. Doch mit diesem ersten Erfolg kam nach Bonn auch der Leichtsinn. In diesen Tagen beginnt im Landgericht der Stadt gegen den südkoreanischen Staatsbürger Man Ki Kim, der die Stadt an der Nase in einer Weise an der Nase herumgeführt hat, die kaum vorstellbar ist.

Um neben dem UN-Sekretariat auch Großveranstaltungen des Ländernetzwerks in die Stadt zu holen, hatte der Rat der Stadt sich 2002 entschlossen, den ehemaligen Bundestag zu einem Veranstaltungszentrum umzubauen, im Namen steckte der Anspruch: „World Conference Center Bonn“, nicht Wuppertal oder Essen, Washington und Genf waren die Benchmark. Der koreanische Hallodri stand der Stadt in Sachen Großspurigkeit in nichts nach trat ihr mit dem Versprechen entgegen, den Bau des Zentrums zu finanzieren und zu betreiben. Als Ausweis seiner Glaubwürdigkeit musste dabei der Firmenname SMI Hyundai genügen, der eine Verbindung zum bekannten Großkonzern nahelegen sollte, die es nie gab. Zudem lockte Kim mit der vagen Aussage, schon am Bau des Berliner Hauptbahnhofs in leitender Rolle beteiligt gewesen zu sein. Dabei hatte er bloß den Bau eines einzelnen Bürotrakts überwacht.

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