Tarifpolitik Grüne und Beamtenbund gegen Tarifeinheit

Die Grünen-Politikerin Beate Müller-Gemmeke bezweifelt, dass die Pläne zur Tarifeinheit verfassungskonform sind. Der Deutsche Beamtenbund protestiert ebenfalls – und kündigt bereits seine Klage in Karlsruhe an.

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Teilnehmer einer Mahnwache von dbb Beamtenbund und Tarifunion protestieren gegen eine Zwangs-Tarifeinheit vor der CDU-Parteizentrale in Berlin. Quelle: dpa

Berlin Vor den ersten Beratungen des Bundestages über die Tarifeinheit wächst der Protest gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke warf der Koalition am Montag vor, sie ignoriere Warnungen von Juristen, dass das Vorhaben vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern werde.

„Die Bundesregierung hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken, alle anderen aber schon“, erklärte die Arbeitsrechtsexpertin in Berlin unter Berufung auf ein Gutachten der Bundestags-Juristen. Vor den Parteizentralen von CDU und SPD protestierten etwa zwei Dutzend Vertreter des Deutschen Beamtenbundes (dbb) und seiner Gewerkschaften gegen die Gesetzesregelung, über die der Bundestag am Donnerstag erstmals debattieren wird.

Mit der Tarifeinheit will die Regierung per Gesetz unterschiedliche Gewerkschaften in einem Betrieb dazu bringen, in Tarifverhandlungen für dieselbe Beschäftigtengruppe gemeinsam aufzutreten. Sie können sich absprechen, eine Tarifgemeinschaft bilden oder den Tarifvertrag der andren Gewerkschaft übernehmen.

Kommt es jedoch zum Streit zwischen den Gewerkschaften, gilt das Recht des Größeren: Dann soll nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb gelten. Das Streikrecht wäre indirekt berührt: Arbeitsrichter könnten einen Arbeitskampf als rechtswidrig ansehen, wenn die streikende Gewerkschaft im Betrieb keine Mehrheit hat.

Kritiker sehen darin einen Eingriff in die im Grundgesetz geschützte Koalitionsfreiheit. Müller-Gemmeke stützte sich unter anderem auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. „Alles in allem besteht Zweifel, dass das Gesetz verfassungskonform ist“, sagte die Grünen-Politikerin. Der Vizefraktionschef der Linken, Klaus Ernst, sagte: „Dieser geplante Verfassungsbruch lässt sich nicht mehr schönreden.“

In dem 30 Seiten umfassenden Gutachten heißt es unter anderem: „Wie sich das Bundesverfassungsgericht zu dieser Frage letztlich positionieren könnte, erscheint offen.“ Im Fazit kommen die Autoren zu der Einschätzung, es handele sich um einen Grundrechtseingriff: „Dieser Grundrechtseingriff dürfte auch durch das erklärte Ziel der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nicht gerechtfertigt sein.“

Der Deutsche Beamtenbund (dbb) bekräftigte seine Absicht, gegen das Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. „Am Tag nach dem Inkrafttreten werden wir zur Klage in Karlsruhe sein“, sagte dbb-Chef Klaus Dauderstädt vor der CDU-Zentrale.

Bei einer Kundgebung von etwa zwei Dutzend Beamtenbund-Vertretern vor der SPD-Zentrale sagte der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt: „Das ist der verfassungswidrige Versuch, freie Gewerkschaften zu verbieten.“

Der Chef der Lokführer-Gewerkschaft GdL, Claus Weselsky, sagte, Lobbyisten wollten im „Hinterzimmer bei Rotwein und einem guten Essen dafür Sorge tragen (...), dass uns das Genick gebrochen wird“. GdL und DPolG gehören zum Beamtenbund. Die massiven Streiks der Lokführer bei der Deutschen Bahn hatten die Debatte über die Tarifeinheit befördert.

Allen Bedenken zum Trotz hält die Bundesregierung an ihrem Vorhaben fest. "Den verfassungsrechtlichen Belangen von Minderheitengewerkschaften trägt der Gesetzentwurf durch ein vorgelagertes Anhörungsrecht und ein nachgelagertes Nachzeichnungsrecht Rechnung", heißt es in der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen.

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