Tarifpolitik mal anders Best-Practice-Modell Trumpf

Im schwäbischen Ditzingen zeigt Trumpf, wie man die Arbeitszeit ganz ohne Streik flexibilisieren kann. Quelle: Trumpf/Udo Loster

In der Metallindustrie, der deutschen Leitbranche, droht der erste Flächenstreik seit 16 Jahren. In der Metallindustrie droht ein Flächenstreik. Knackpunkt ist die IG-Metall-Forderung nach einem individuellen Recht auf kürzere Arbeitszeiten. Im schwäbischen Ditzingen zeigt ein Unternehmen, wie man die Arbeitszeit ganz ohne Streik flexibilisieren kann.

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Oliver Maassen taugt für Manager-Klischees nur bedingt. Der Mann war einst Personalchef der Hypovereinsbank, verließ die Finanzbranche aber aus Protest gegen die ungebrochene Casino-Mentalität in der Beletage der Hochfinanz. Maassen machte erstmal eine Weltreise, kam „komplett durchgechillt“ zurück und schrieb ein Buch. Seit April 2017 nun ist er Personalchef des Maschinenbauers Trumpf – und dort verantwortlich für eines der innovativsten Arbeitszeitmodelle, das die deutsche Industrie derzeit zu bieten hat.

Und weil das so ist, regt sich Maassen über den aktuellen Tarifstreit in der Metallindustrie ziemlich auf: „Die Arbeitszeitforderungen der IG Metall sind für den betrieblichen Alltag nicht sinnvoll. Flexibilität hat immer zwei Seiten: Wer kürzere Arbeitszeiten einfordert, muss auch Abweichungen nach oben zulassen!“

Die IG Metall fordert für die 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie neben sechs Prozent mehr Lohn ein individuelles Anrecht der Arbeitnehmer, ihre Arbeitszeit für zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden pro Woche zu verkürzen. Wer Kinder erzieht, Verwandte pflegt oder belastende Schichtarbeit macht, soll dafür einen „Teillohnausgleich“ der Arbeitgeber erhalten, also einen Zuschuss zur Nichtarbeit. Gleichzeitig aber ist der Anteil der Arbeitnehmer, die 40 Stunden arbeiten dürfen, in der Regel auf 18 Prozent der Belegschaft begrenzt.

In den vergangenen Tagen sind Zehntausende Metaller in Warnstreiks getreten. Seit dieser Woche gibt es zudem erstmals so genannte 24-Stunden-Streiks, um Lieferketten zu unterbrechen. Gleichzeitig bereit sich die größte deutsche Gewerkschaft intern auf eine Urabstimmung über einen Flächenstreik vor.

Maassen hält das für überzogen – und verweist auf das Arbeitszeitregime, das Geschäftsleitung und Betriebsrat bei Trumpf ganz ohne Streik ausgehandelt haben. Trumpf ist ein Spezialist für Lasermaschinen, der weltweit rund 12000 Beschäftigte hat. Am Stammsitz unweit von Stuttgart gilt ein Bündnis für Arbeit zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat, das betriebsbedingte Kündigungen für fünf Jahre ausschließt und den Mitarbeitern weitreichende Wahlfreiheit bei ihrer Arbeitszeit gewährt.

Konkret kann jeder Mitarbeiter alle zwei Jahre selbst entscheiden, wie viel er arbeiten will - in einem Korridor zwischen 15 und 40 Stunden. 20 Prozent ihrer Arbeitszeit können die Mitarbeiter zudem mobil erbringen, sofern sich ihre Tätigkeit outsourcen lässt (was etwa Fließbandarbeit ausschließt). Das heißt, sie sind flexibel bei der Wahl von Arbeitsort und Tageszeit.

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