Tarifpolitik mal anders Best-Practice-Modell Trumpf

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"Instrumente gegen den Fachkräftemangel"


Für Konflikte, wenn etwa der Vorgesetzte Arbeitnehmer-Wünsche aus betrieblichen Belangen ablehnt, gibt es einen genau festgelegten Eskalationsmechanismus. Bei dem wird auch der Betriebsrat einbezogen. Sabbaticals bis zu zwei Jahren sind möglich. Dazu können die Mitarbeiter vorher Stunden auf einem Zeitkonto ansparen.

„Wir wollen ein Arbeitsumfeld schaffen, das größtmögliche Arbeitszeitsouveränität der Mitarbeiter mit größtmöglicher Flexibilität auf Unternehmensseite verbindet“, sagt Maassen. Was übersetzt so viel heißt wie: Es gibt bei Trumpf ein Geben und Nehmen.
Rechnerisch ist seit 2016 nicht mehr die Woche, sondern das Jahr die „Verrechnungseinheit“ für die Arbeitszeit. Innerhalb eines Geschäftsjahres können Führungskraft und Mitarbeiter die Arbeitszeit abhängig von der Auftragslage ungleichmäßig verteilen. Der Korridor liegt zwischen minus 100 und plus 200 Stunden. Wenn die Auftragsbücher überquellen, müssen die Beschäftigten ihre Arbeitszeitkonten auch schon mal bis zu 200 Stunden aufblähen. Und sie leeren, wenn die Geschäfte ruhiger laufen. Es kann also passieren, dass jemand, der seine Arbeitszeit eigentlich heruntergefahren hat, konjunkturbedingt und temporär mehr arbeiten muss.

Allerdings: Es gibt bei Trumpf keinen Run auf (mit entsprechend niedrigerem Einkommen verbundenen) sinkende Arbeitszeiten. Viele wollen – für gutes Geld – sogar mehr arbeiten. Laut Maassen haben sich im Rahmen des Wahlarbeitszeitmodells 61 Prozent der Mitarbeiter für längere Arbeitszeiten bis zu 40 Stunden entschieden.

Und warum das Ganze? Hinter der weitreichenden Individualisierung der Arbeitszeit bei Trumpf steckt durchaus ökonomisches Kalkül. Maassen: „Unsere Arbeitszeitmodelle sind auch Instrumente gegen den Fachkräftemangel. Der Wettbewerb um Top-Leute wird immer härter, da reicht ein hohes Gehalt allein nicht mehr aus.“ Die junge Generation schaue „nicht mehr nur aufs Geld – sondern insbesondere auf die Unternehmenskultur und die Vereinbarkeit von Job und Privatleben.“

Ein für das Management nicht unangenehmer Nebeneffekt: Die IG Metall kriegt bei Trumpf den Fuß nicht richtig in die Tür, der Organisationsgrad ist schwach - und der Rückhalt im Betriebsrat für die Tarifforderungen der Gewerkschaft bestenfalls verhalten.

Vielleicht hören die Tarifparteien, die möglicherweise am Montag im Bezirk Baden-Württemberg einen letzten Anlauf zur Lösung des Konflikts unternehmen, ja auf Trumpf-Manager Maassen. Der „könnte gut mit einem Tarifabschluss leben, der eine individuelle Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich vorsieht und zugleich allen Beschäftigten erlaubt, die Arbeitszeit zu erhöhen.“ Denn das „wäre ja im Grunde das Trumpf-Modell.“

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