Tarifrunde der Länder Die acht wichtigsten Fragen

In Berlin haben die Tarifverhandlungen für rund 800.000 Beschäftigte der Länder begonnen. Die Gewerkschaften wollen Akademiker wie zum Beispiel Lehrer besser stellen, die Finanzminister die ohnehin überdurchschnittlich hohen Personalkosten im Griff behalten. Die wichtigsten Fragen zur Tarifrunde.

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Sprudelnde Steuereinnahmen Quelle: dpa

Berlin 1. Für wen wird verhandelt?

Arbeitgeber und Gewerkschaften verhandeln für rund 800.000 Tarifbeschäftigte in den Bundesländern (ohne Hessen). Insgesamt beschäftigen die Länder knapp 2,2 Millionen Menschen , darunter knapp 1,2 Millionen Beamte und 200.000 Arbeitnehmer, die unter andere Tarifverträge fallen oder außertariflich bezahlt werden. Die Gewerkschaften fordern, dass der Tarifabschluss, über den jetzt verhandelt wird, inhaltsgleich auch auf die Beamten und Versorgungsempfänger in den Ländern und auf die Beamten in den Kommunen übertragen wird. Damit würde er insgesamt rund drei Millionen Menschen erfassen.

2. Wer sitzt am Verhandlungstisch?

Verdi-Chef Frank Bsirske verhandelt zugleich für die Gewerkschaft der Polizei, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau). Für den Beamtenbund sitzt dessen Vizevorsitzender Willi Russ mit am Verhandlungstisch. Die Arbeitgeber werden durch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vertreten, der 15 Bundesländer angehören. Hessen verhandelt seit 2004 separat mit den Gewerkschaften. Die Verhandlungen führt TdL-Chef Peter-Jürgen Schneider (SPD), der seit 2013 Finanzminister in Niedersachsen ist. IG-Metall-Mitglied Schneider ist als früherer Arbeitsdirektor des Stahlkonzerns Salzgitter ein erfahrener Tarifpolitiker.

3. Was fordern die Gewerkschaften?

Verdi und Beamtenbund fordern insgesamt sechs Prozent mehr Geld für die Beschäftigten. Für untere Einkommensgruppen soll es einen Mindestbetrag geben, der noch nicht beziffert wurde. Für Landesbeschäftigte mit akademischer Ausbildung und viel Erfahrung fordern die  Gewerkschaften eine bessere Entlohnung. Dazu soll eine neue Entgeltstufe 6 eingeführt werden, wie es sie für die Staatsbediensteten von Bund und Kommunen bereits gibt. Außerdem fordern die Arbeitnehmervertreter mehr Geld und Urlaub für Auszubildende, ein Ende sachgrundloser Befristungen von Stellen und Verbesserungen für bestimmte Berufsgruppen wie Erzieherinnen.   

4. Welche Kosten kommen auf die Länder zu?

Die 15 Länder ohne Hessen haben im Jahr 205 insgesamt knapp 125 Milliarden Euro Personalkosten verbucht. Laut Verdi erhöht jeder Prozentpunkt Tariferhöhung diesen Posten  um rund 1,25 Milliarden Euro pro Jahr, wenn der Tarifabschluss wie gefordert auf Beamte und Pensionäre übertragen wird. Die Sechs-Prozent-Forderung beliefe sich damit auf 7,5 Milliarden Euro. Allein für die Tarifbeschäftigten würden laut Länder-Verhandlungsführer Schneider rund 2,3 Milliarden Euro fällig. Die Arbeitgeber  halten das angesichts eines Personalkostenanteil von heute schon 40 Prozent an den Länderausgaben für nicht vertretbar. Die Gewerkschaften argumentieren dagegen mit den sprudelnden Steuereinnahmen. Für die Länder wird für das laufende Jahr ein Plus von 2,6 Prozent und für 2018 sogar von 3,8 Prozent prognostiziert – nach einem Zuwachs von 4,8 Prozent im abgelaufenen Jahr. Außerdem hatten Bundesländer wie Berlin, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder Sachsen-Anhalt jüngst Haushaltsüberschüsse für das vergangene Jahr gemeldet. In NRW war es der erste Überschuss seit 1973. Diese Erholung bei den Finanzen weckt Begehrlichkeiten bei den Gewerkschaften.

5. Wie stehen die Länderbeschäftigten im Vergleich zu anderen Branchen da?

Im öffentlichen Dienst der Länder sind die Tarifentgelte seit dem Jahr 2000 um 40,6 Prozent gestiegen. Die Staatsdiener liegen damit knapp unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt von 44,8 Prozent. Die Industriebranchen Chemie und Metall haben Entgeltsteigerungen von mehr als 50 Prozent realisiert. Besonders schmerzt die Gewerkschaften aber der Abstand der Länderbeschäftigten zu den Kollegen beim Bund und in den Kommunen. Ab Februar, wenn die zweite Stufe des im April 2016 vereinbarten Tarifabschlusses für Bund und Kommunen in Kraft tritt, verdienen die Beschäftigten dort im Schnitt vier Prozent mehr als ihre Länderkollegen.


Noch mehr Geld für Besserverdiener

6. Warum sollen Besserverdiener noch besser gestellt werden?

Die Gewerkschaften begründen die Forderung damit, dass der öffentliche Dienst bei der Attraktivität als Arbeitgeber nicht weiter hinter die Privatwirtschaft zurückfallen dürfe. So falle es immer schwere, etwa qualifizierte Planungsingenieure für die Landesverwaltungen zu gewinnen. Dies führe mit zu dem auch von der Bundesregierung beklagten Investitionsstau, weil zwar die finanziellen Mittel vorhanden seien, nicht aber ausreichend Planer für Bauprojekte. Deshalb soll für die Entgeltgruppen 9 bis 15, die Beschäftigte mit Fachhochschul- oder Hochschulausbildung umfasst, eine neue Stufe 6 als Endstufe bei der Bezahlung eingeführt werden. Heute ist für erfahrene Bachelor- oder Fachhochschulabsolventen im Landesdienst bei 3.720 Euro Monatsentgelt Schluss, während Kollegen beim Bund und in den Kommunen mit viel Erfahrung 4.026 Euro erreichen können. Von der neuen Stufe sechs würden vor allem Lehrer profitieren.

7. Was hat es mit den Befristungen auf sich?

Das Thema „Schluss mit sachgrundlosen Befristungen“ im öffentlichen Dienst setzen die Gewerkschaften immer wieder auf die Agenda. 2014 hatten 12,3 Prozent der Länderbeschäftigten nur einen befristeten Job, einschließlich des besonders betroffenen Wissenschaftsbereichs steigt die Quote sogar auf 28,4 Prozent. In der Privatwirtschaft lag sie dagegen nur bei 6,7 Prozent. Laut Verdi kann es sich der Staat nicht länger leisten, jungen Beschäftigten keine Festanstellung anzubieten, weil diese sich dann nach anderen Jobs umschauten. In den kommenden  15 Jahren gehen rund 160.000 Staatsdiener in Pension oder Rente. Deshalb sei es wichtig, dem Nachwuchs verlässliche Perspektiven zu bieten.

8. Drohen Streiks?

Zunächst einmal wird in drei Runden verhandelt. Nach dem Auftakt am 18. Januar sind weitere Termine für den 30./31. Januar und den 16./17. Februar vereinbart. Die Streikmacht der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst der Länder ist begrenzt. Jahreszeitlich bedingt könnten sie zum Beispiel den Winterdienst der Straßenmeistereien zum Ausstand auffordern und so ein Verkehrschaos provozieren. Die öffentliche Wirkung wird aber kaum so groß ausfallen wie beim Streik in den kommunalen Kitas 2015. Wolfgang Pieper, im Verdi-Vorstand für den öffentlichen Dienst zuständig, lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Arbeitgeber sich im Ernstfall auch auf „kreative Einfälle“ gefasst machen müssten. In der vergangenen Verhandlungsrunde für Bund und Kommunen hatten die Gewerkschaften Gepäckabfertiger, Sicherheitskontrolleure oder Feuerwehrleute an sechs deutschen Flughäfen zum Streik aufgerufen und damit massive Flugausfälle verursacht.       

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