Tarifstreit in der Chemiebranche Bescheiden war gestern

Die Chemiegewerkschaft IG BCE hat ihre Forderungsempfehlung für die kommende Tarifrunde abgegeben. Bescheiden ist sie nicht, doch an der Spitze des Tarifzugs stehen andere.

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IG-BCE-Verhandlungsführer Peter Hausmann sieht Deutschland auf stabilem Wachstumskurs. Dass müsse auch bei den Arbeitnehmern angekommen. Quelle: dpa

Berlin Verdi bleibt mit ihrer Sechs-Prozent-Forderung für die Beschäftigten von Bund und Kommunen an der Spitze des Tarifzugs. Neben der IG Metall und der IG Bau hat sich nun auch die IG BCE hinter der Dienstleistungsgewerkschaft eingereiht.

Der Hauptvorstand der Chemiegewerkschaft empfiehlt, mit einer Forderung nach fünf Prozent mehr Geld in die Tarifrunde für die 550.000 Beschäftigten der Branche zu gehen. Sollte die Bundestarifkommission am 25. Mai nach der Diskussion in den Betrieben die Empfehlung übernehmen, bewegt sich die IG BCE mit ihrer Forderung auf dem gleichen Niveau wie die IG Metall.

IG-BCE-Verhandlungsführer Peter Hausmann sieht Deutschland auf stabilem Wachstumskurs, Europa erhole sich, und zum Jahresende sei auch eine Beschleunigung der weltwirtschaftlichen Dynamik zu erwarten. Davon werde auch die chemische Industrie profitieren, die dank ihrer großen Wettbewerbsfähigkeit ihren Marktanteil weiter ausbaue.

Deshalb müsse es neben Dividendenerhöhungen eine kräftige Steigerung der Tarifentgelte geben: „Das ist nicht zuletzt eine Frage der Gerechtigkeit“, sagte Hausmann. „Es kann nicht sein, dass die Kluft zwischen Kapitaleinkommen und Arbeitnehmereinkommen ständig größer wird.“

Die Chemiearbeitgeber verweisen aber genau wie ihre Kollegen in der Metall- und Elektroindustrie auf eine wachsende Kluft zwischen Entgelt- und Produktivitätsentwicklung. So hätten die Chemie-Tariflöhne seit 2010 um 15 Prozent zugelegt, während die Produktivität im gleichen Zeitraum um zehn Prozent gesunken sei.

„Wer jetzt nochmal fünf Prozent mehr Geld draufschlagen will, weckt Erwartungen, die nicht zu erfüllen sind“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BAVC, Klaus-Peter Stiller. Für das laufende Jahr erwarte er kaum mehr als Stagnation. „Die wirtschaftliche Lage unserer Branche lässt keine großen Sprünge zu“, betonte er.

Im vergangenen Jahr war die IG BCE mit der Forderung nach 4,8 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten in die Tarifrunde gestartet. Am Ende hatte sie ein Plus von 2,8 Prozent für 16 Monate herausgeholt. Neben der Gehaltsforderung will sich die IG BCE in der laufenden Runde für die Verlängerung und Weiterentwicklung des Ausbildungstarifvertrags einsetzen, der Ende des Jahres ausläuft. Darin hatten sich die Arbeitgeber verpflichtet, von 2014 bis 2016 jährlich 9200 Ausbildungsstellen anzubieten.

Während die Chemie-Verhandlungen am 30. Mai im Tarifbezirk Hessen starten, gehen die Metall- und Elektroindustrie und der öffentliche Dienst bereits in die zweite Runde. Bei den auf regionaler Ebene laufenden Gesprächen der Metaller wird erwartet, dass die Arbeitgeber am 11. April in Nordrhein-Westfalen erstmals ein Angebot präsentieren. Die IG Metall ist mit der Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn angetreten.

Auch im öffentlichen Dienst für Bund und Kommunen startet am 11. April in Potsdam die zweite Runde. Die Gespräche sind kompliziert, weil Verdi und Beamtenbund nicht nur sechs Prozent mehr Geld verlangen, sondern auch bestimmte Berufsgruppen in einer neuen Entgeltordnung besserstellen wollen.

Für dabei entstehende Mehrkosten verlangen die Arbeitgeber eine Kompensation bei den Lohnprozenten. Außerdem verlangen die Kommunen Einschnitte bei der betrieblichen Altersversorgung der Beschäftigten, die sie für nicht mehr finanzierbar halten. Die Gewerkschaften haben bereits mit ersten Warnstreiks den Druck erhöht.

In den Verhandlungen für die rund 785.000 Beschäftigten der Bauwirtschaft haben die Arbeitgeber bereits ein Angebot vorgelegt, das die IG Bau allerdings als „Provokation“ bezeichnete. Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach 5,9 Prozent mehr Geld für zwölf Monate in die Verhandlungen gestartet und liegt damit nur knapp hinter Verdi.

Die beiden Arbeitgeberverbände HDB und ZDB bieten nach einem Nullmonat zwei Mal 1,3 Prozent für die Beschäftigten in Westdeutschland und zwei Mal zwei Prozent im Osten bei einer Laufzeit von 24 Monaten.

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