Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie Arbeitgeber fordern längere Arbeitszeiten

Bei den Verhandlungen in der ersten Tarifrunde der Metall- und Elektronikindustrie forderten die Arbeitgeberverbände unter anderem höhere Arbeitszeiten. Die IG-Metall empfand die Forderungen als Provokation.

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Rund 1.000 Metallarbeiter haben in Hamburg für die Forderungen der IG Metall in den laufenden Tarifverhandlungen demonstriert. Quelle: dpa

Böblingen In der ersten Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie ist der Streit über die Arbeitszeit voll entbrannt. Die Arbeitgeberverbände in Niedersachsen, Berlin-Brandenburg und Hamburg konfrontierten die Gewerkschaft IG Metall mit abgestimmten Forderungen nach höheren Arbeitszeiten, weniger Überstundenzuschlägen und längerer Befristung. „Die Unternehmen brauchen die Möglichkeit, individuell mit jedem Arbeitnehmer eine längere Arbeitszeit zu vereinbaren“, erklärte Stefan Moschko, Verhandlungsführer des Verbandes von Berlin-Brandenburg am Mittwoch. Die IG Metall gefährde mit ihrer Forderung nach einer Entgelterhöhung um sechs Prozent und einem Recht einzelner auf Arbeitszeitverkürzung die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen. „Sowohl beim Lohn als auch bei der Arbeitszeit hat die Gewerkschaft den Kompass verloren“, kritisierte Moschko.

IG-Metall-Verhandlungsführer reagierten entrüstet. So nannte der Chef des IG-Metall-Bezirks Küste die Gegenforderungen eine Provokation. „Die Arbeitgeber stellen auf stur und verschließen sich“, erklärte Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger in Hannover. Angesichts der hervorragenden Lage in der Branche sei das Verhalten grotesk.

Die IG Metall verlangt für die 3,9 Millionen Beschäftigten der größten deutschen Industriebranche neben der Entgelterhöhung ein Recht für Arbeitnehmer, im Einzelfall befristet auf zwei Jahre die Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden verkürzen zu können. Dies soll ohne Begründung möglich sein. Die Arbeitszeitverkürzung soll auch blockweise möglich sein.

Wer zur Betreuung von Kindern oder zur Pflege von Angehörigen kürzer treten will, soll vom Arbeitgeber einen Entgeltausgleich von 200 Euro brutto im Monat erhalten. „Die Beschäftigten wollen das, was wir fordern“, betonte der IG-Metall-Bezirksleiter von Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, zum Auftakt der Südwest-Verhandlungen in Böblingen. Umfragen zufolge seien vier von fünf Arbeitnehmern der Branche dafür, die Arbeitszeit zeitweise reduzieren zu können.

Die Arbeitgeber lehnten das bereits ab, weil die Lohnkosten damit steigen würden und sich der aktuelle Fachkräftemangel noch verschärfen könne. Allein schon die Lohnforderung sei „völlig überhöht“ und lasse den Unternehmen keinen Spielraum für Investitionen, erklärte Südwestmetall-Chef Stefan Wolf. Die Arbeitgeber wollen die Kündigung der Manteltarifverträge, die alle Tarifkonditionen abseits der Vergütungen regeln, zum Aufweichen der 1984 erstrittenen 35-Stunden-Woche nutzen.

Bisher gelten – je nach Tarifbezirk – unterschiedliche Quoten von 13 bis 18 Prozent der Belegschaft, die länger als 35 Stunden arbeiten dürfen. In der Realität sind es in Baden-Württemberg der IG Metall zufolge 34,5 Prozent. Die Arbeitgeber wollen nun über die Quoten hinaus im Bedarfsfall – etwa bei guter Konjunktur oder Großaufträgen – per Betriebsvereinbarung Gruppen von Beschäftigten länger arbeiten lassen. Überstundenzuschläge sollen wegfallen. Zudem wollen die Arbeitgeber, dass die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und -beginn gekippt wird.

Damit zeichnet sich eine harte Tarifrunde ab. Die Friedenspflicht endet am 31. Dezember, so dass ab Januar Warnstreiks möglich wären. Die IG Metall plant neben stundenweisen Arbeitsniederlegungen auch ganztägige Warnstreiks schon vor einem Scheitern von Verhandlungen, was die Unternehmen angesichts der brummenden Konjunktur empfindlich treffen würde.

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