Nächste Woche ist wieder Buchmesse in Frankfurt. Es wird mit Sicherheit viel von Amazon die Rede sein und vom Trend zur Verbilligung des digital verbreiteten Wortes, von den Möglichkeiten und Gefahren des Self-Publishings und von einer Flatrate für Bücher, die den Verlagen den Garaus machen wird. Man wird über die tiefgreifenden Veränderungen sprechen, von denen der Buchmarkt betroffen ist und von neuen Geschäftsmodellen, die auf den programmierten Unterhaltungs- (und Geschäfts-)erfolg abzielen: Bücher mit Figuren, die der Leser auch in seinem digitalen Leben antreffen wird, also bei Twitter oder Facebook, auf dem Smartphone, im Game oder im Fernsehen... Kurzum, die Branche wird sich mal wieder Gedanken darüber machen, wie man das Lese-Geschäft im Digitalzeitalter betreibt. Allein worüber sie sich mal wieder keine Gedanken machen wird: Dass durch die Digitale Revolution auch die Kulturtechnik des Lesens selbst zur Disposition steht - zum ersten Mal seit 2500 Jahren.
Die aktuellen Bücher zum Ersten Weltkrieg
Zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs erscheinen bereits seit Monaten zahlreiche neue Bücher: Gesamtdarstellungen, Neueditionen von Antikriegsromanen, zeitgenössische Verse, Bücher zu Einzelthemen. Bis zum Sommer sind weitere geplant. Einige Neuerscheinungen im Überblick:
Christopher Clark zeigt in seiner detaillierten Gesamtdarstellung die komplexen globalpolitischen Entwicklungen vor dem Ersten Weltkrieg. Er zeichnet die Entscheidungsmöglichkeiten nach und stellt dar, wie die Verantwortlichen «Schlafwandlern» gleich in einen Krieg hineinsteuern, weil Alternativen nicht genutzt werden.
(Christopher Clark: Die Schlafwandler - Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, DVA, 39,99 Euro, 896 Seiten, ISBN-13: 978-3421043597)
Herfried Münkler legt ebenfalls eine Gesamtdarstellung zur «Urkatastrophe» mit zahlreichen Neubewertungen vor. Zentrale These: "Wenn wir den Ersten Weltkrieg nicht verstehen, wird uns das ganze 20. Jahrhundert ein Rätsel bleiben."
(Herfried Münkler: Der Große Krieg, Rowohlt, Berlin, 2013, 928 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-87134-720-7)
Adam Hochschild erzählt die historischen Ereignisse auch anhand zeitgenössischer Charaktere. Herausragend ist die Beschreibung der Unfähigkeit einzelner Handelnder, die Armeen in den Krieg schicken, ohne dass teils die Grundvoraussetzungen geschaffen sind.
(Adam Hochschild: Der große Krieg. Der Untergang des alten Europa im Ersten Weltkrieg, 2. Auflage 2013, 525 S., 26,95 Euro, ISBN 978-3-608-94695-6)
Eine Gesamtdarstellung bietet auch Oliver Janz. Er geht Fragen der Verantwortung und der Möglichkeiten der Handelnden nach. Das Buch ist dabei sehr militärhistorisch geprägt.
(Oliver Janz: 14 Der Große Krieg, Campus, 2013, 415 S., 24,99 Euro ISBN 978-3-593-39589-0)
Der Historiker Jörn Leonhard beschreibt in seiner umfassenden Studie "Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkrieg" den Weg in einen Krieg, an dessen Ende ein völlig neue Welt steht. Dazu beschreibt er die Erfahrungen unterschiedlichen Zeitgenossen.
(Leonhard, Jörn, Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, 1157 S., 38 €, ISBN 978-3-406-66191-4)
Das komplexe Ursachengeflecht, das zum Ersten Weltkrieg führte, beleuchtet der Harvard-Professor Niall Ferguson in «Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert». Er beschreibt das politische Unvermögen, den Ehrgeiz und die Fehleinschätzungen, die zur Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts führten.
(Ferguson, Niall, Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, Pantheon, 512 S., 16,99 €, ISBN 978-3-570-55200-1)
Der Historiker Gerd Krumeich gibt in seinem schnellen Überblick "Der Erste Weltkrieg. Die 101 wichtigsten Fragen" kurze prägnante Antworten über verschiedene Themenfelder wie die Schuldfrage, die Waffentechnik, aber auch den Keim zum Aufstieg des Nationalsozialismus.
(Gerd Krumeich: Der Erste Weltkrieg. Die 101 wichtigsten Fragen, Verlag C.H.Beck, München, 155 S., 10,95 €, ISBN 978-3-406-65941-6)
An Hand von fünf Zeitgenossen erläutert der Historiker Tillmann Bendikowski, dass es im August 1914 keineswegs eine allgemeine Kriegsbegeisterung in Deutschland gab. An ihrem Beispiel beschreibt er die Gefühlswelten in den Wochen vor dem Kriegsausbruch.
(Tillmann Bendikowski, Sommer 1914. Zwischen Begeisterung und Angst - wie Deutsche den Kriegsbeginn erlebten, C.Bertelsmann, 464 S., 19,99 €, ISBN: 978-3-570-10122-3)
Den Ablauf der Schlacht von Verdun 1916 beschreibt der Historiker Olaf Jessen in «Verdun 1916. Urschlacht des Jahrhunderts». Neben Plänen der Entscheidungsträger beschreibt er auch das Leid der Soldaten und die Konsequenzen der bis dato größten Materialschlacht der Geschichte.
(Jessen, Olaf, Verdun 1916. Urschlacht des Jahrhunderts, C.H. Beck, 496 S., 24,95 €, ISBN 978-3-406-65826-6)
Yury und Sonya Winterberg beschreiben in "Kleine Hände im Großen Krieg" die Schicksale von Kindern im Krieg. Sie zeichnen nach, wie Hurrapatriotismus Ernüchterung weicht, der Krieg unbeschwerte Kindheit zerstörte und den Rest des Lebens prägte.
(Kleine Hände im Großen Krieg. Kinderschicksale im Ersten Weltkrieg. Aufbau Verlag, Berlin, 368 Seiten, 22,99 Euro, ISBN 978-3-351-03564-8)
Die diplomatischen Verwicklungen im Juli 1914 zeichnet der amerikanische Historiker Sean McMeekin nach. In seinem Buch «Juli 1914. Der Countdown in den Krieg» erstellt er in einer Chronologie ein Stimmungsbild anhand von Depeschen, Protokollen und Schriftwechseln. (McMeekin, Sean, Juli 1914. Der Countdown in den Krieg, Europaverlag, 560 S., 29,99 €, ISBN 978-3-944305-48-6)
Anhand von Fotos erzählt Guido Knopp in zwei- bis vierseitigen Kapiteln über den Alltag an der Front und in der Heimat. Das Buch ist keine Gesamtdarstellung, gewährt aber einen kurzweiligen Einblick in die Geschehnisse vor 100 Jahren.
(Guido Knopp: Der Erste Weltkrieg. Die Bilanz in Bildern, Verlag Edel Books, Hamburg, 2013, 384 S., 24,95 Euro, ISBN 978-3-8419-0241-2)
Damals, als das Schreiben und Lesen gerade in Mode kam, warnten Sokrates und Platon, dass die schriftliche Fixierung von Gedanken ein Angriff auf des Menschen Gedächtniskraft sei und den beredten, lebendigen Austausch von Argumenten erschwere. Aber so prominent die beiden griechischen Philosophen damals schon waren, den globalen Siegeszug der größten medialen Innovation in der Geschichte der Menschheit haben sie nicht aufhalten können. Im Gegenteil, seit der Attischen Demokratie sind Schreiben und Lesen die zentralen Welterschließungstechniken des Menschen.
Eben das aber dürfte sich mit der Digitalen Wende nun ändern: Auf die beiden Zeitalter oraler und literaler Zurechtlegung von Wirklichkeit und "Wahrheit", wird sehr wahrscheinlich ein drittes, Mensch-Maschinen-Zeitalter der multi-zeichenhaften Vernetzung folgen. Wir stehen am Beginn einer neuen Ära der Aufbereitung, Bearbeitung und Verarbeitung von Information - und es spricht viel dafür, dass die Menschheit sich längst auf dem Weg gemacht hat, die "Gutenberg-Galaxis" zu verlassen. Jenseits von ihr, in einem anderen Medienuniversum, verwandeln wir uns die Welt nicht mehr (nur) rezeptiv und sukzessiv in Texten und Theorien an, sondern (auch) interaktiv und simultan, in Bildern, Zahlen, Grafiken, Tabellen, Projektionen und Modellen.