Tauchsieder

Der unerträgliche Narzissmus der SPD

Seite 3/3

Traum von Fortschritt

Das Problem: Schröder schoss mit seinem Reformeifer übers Ziel hinaus. Er passte die Sozialdemokratie nicht (nur) veränderten Bedingungen an, sondern lieferte sie (auch) einer "alternativlosen" Globalisierung aus. Er ließ den deutschen Arbeiter als Dienstleistungsproletarier links liegen und rollte den Geldinteressen einen roten Steuersenkungsteppich aus. Als dann die Finanzkrise hereinbrach, hatten sich die Marktgläubigen in Union und FDP bloß geirrt - die SPD aber hatte ihre Seele verkauft. Seither ist es Angela Merkel ein stilles Vergnügen, mit Hilfe der SPD an Schröders Reformen soziale Korrekturen vorzunehmen.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma kann es für die SPD nur geben, wenn sie sich den Wählern, wie mit Schmidt und Schröder, erneut als bessere Union empfiehlt - wenn sie aufhört, immer neue Opfergruppen zu erfinden, um sie als Ziel ihrer politischen Zuwendung zu bewirtschaften und sich statt dessen allen Deutschen andient - etwa mit einem Programm für eine "solidarische Leistungsgesellschaft“, die schon Alt-Vordenker Erhard Eppler im Sinn hatte. Dabei müsste die SPD beide Pole des Begriffs unter Starkstrom setzen - und aus der daraus entstehenden Spannung einen ambitionierten Fortschrittsbegriff gewinnen: einerseits aus scharfer Kritik an der überragenden Bedeutung von Kapitalinteressen, an Machtkonzentration und sozialer Ungleichheit - andererseits aus scharfer Kritik an das anspruchslose Anspruchsdenken derer, die die „Stallfütterung des Staates“ (Wilhelm Röpke) mit intelligenter Sozialpolitik verwechseln.

Allein als „bürgerliche“ Partei einer „guten Gesellschaft“ der Tüchtigen hat sie in zwei Jahren eine Chance - und gar keine schlechte: Wenn die Post-Merkel-Union sich unter dem eingebildeten Druck der AfD weiter in Richtung kraftmeiernder Unseriosität und Rechtspopulismus aufmacht wie weiland die Union unter Franz-Josef-Strauß, könnte eine hanseatische Olaf-Scholz-SPD den Deutschen ganz plötzlich als ein Vernunfts- und Sicherheitsanker erscheinen.

Die SPD befand auf ihrem Parteitag daher nicht über ihren Untergang oder ihre Wiederauferstehung: Eine große Koalition bedeutet nicht ihr Ende und verheißt keinen Neuanfang. Ebenso wie #NoGroko keinen Neuanfang verheißen hätte und nicht das Ende der SPD bedeutet hätte. Statt dessen werden wir Zeuge, welchen Traum von Fortschritt die SPD 2018 träumt: den Traum, sich mit entschiedener Randgruppen- und Diversitätspolitik á la Martin Schulz, Andrea Nahles und Manuela Schwesig selbst zu marginalisieren und mit Steuererhöhungen ins politische Abseits zu befördern - oder den Traum, mit Olaf Scholz, auch Sigmar Gabriel und Katarina Barley, eine „bürgerliche“ Mehrheit im Namen einer breiten, „solidarischen Leistungsgerechtigkeit“ zu gewinnen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%