Tauchsieder

Sozialistisch entspannen in der Öffentlichkeit

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Werben mit Entspannung

Andererseits liegen die beiden letzten standortrelevanten "Neuigkeiten" auf der Homepage von ReMass nun auch schon elf Monate zurück. Seit Oktober/November 2013 "freuen sich Kunden… im noch jungen MEP Einkaufszentrum in Meppen" und im Solinger Hofgarten Shopping Center "über entspannte Neuigkeiten": Weil "neben die vielen attraktiven Shoppingangeboten" die beliebten Massagesessel für eine Shiatsu Massage zwischendurch nicht fehlen dürfen, hat ReMass sie im Falle von Meppen "bei dm und Nanu Nana… installiert". Wie schön.  

Zehn Sofortmaßnahmen gegen Stress
Abwarten und aufschreiben Quelle: Fotolia
Tief durchatmenWenn Ihnen alles über den Kopf zu wachsen droht, atmen Sie erst einmal tief durch und beruhigen sich selbst. 1. Machen Sie die Augen zu 2. Atmen Sie tief ein 3. Sagen Sie sich im Stillen (wahlweise*): "Ich werde..." 4. Atmen Sie aus 5. Sagen Sie dabei im Stillen: "...meinen Chef nicht töten." Nach ein paar Wiederholungen fühlen Sie sich gelassener.*alternativ geht natürlich auch: "Ich bin total entspannt", "ich werde das schaffen" oder was Sie sonst gerade beschäftigt. Quelle: Fotolia
Sorgen Sie für Ruhe Quelle: Fotolia
Sorgen Sie für guten Duft Quelle: dpa
Kurze Wutpause einlegenUnd wenn Sie an Ihrem Arbeitsplatz gerade alles kurz und klein schlagen könnten, stehen Sie auf und holen Sie sich einen Kaffee, einen Tee oder Kakao. Trinken Sie den ganz in Ruhe in der Küche oder vor dem Gebäude und genießen Sie die kurze Auszeit. Erst danach sollten Sie zurück an den Schreibtisch. Quelle: Fotolia
Meditation in der MittagspauseWer es mit Meditation versuchen möchte, kann das App-sei-Dank mittlerweile sogar von unterwegs. Smartphone-Anwendungen wie "Headspace" bieten Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Tiefenentspannung. Quelle: AP
Bewegung in der PauseWem das zu esoterisch ist, dem sei ein wenig Bewegung ans Herz gelegt, das macht den Kopf frei: In der Mittagspause oder nach Feierabend ein paar Runden durch den Park joggen, kann Wunder bewirken. Quelle: dpa

Und – was lernen wir daraus? Wahrscheinlich war ich, als ich auf den globalen Erfolg der Massagesessel wettete, einfach zu optimistisch, was das Vorrücken der Schamlosigkeitsschwellen anbelangt. Wahrscheinlich hätte ich mir selber ein bisschen mehr vertrauen sollen.

Mein persönlicher Vorrat an Frivolität war noch nie so reich bemessen, um es mir zwischen Duty-Free-Shop und Hugo-Boss-Boutique in einem Massagesessel bequem zu machen. Es ist mir schier unmöglich, unter Aufsicht zu entspannen. Ich kann nicht einfach den Strom der Schlendernden und Eiligen an mir vorüberziehen lassen, mich öffentlich ausruhen, die Augen schließen und meine Gedanken auf Wanderschaft schicken, wenn ich weiß, dass ich dabei beobachtet werde.

von Karin Finkenzeller

Was ich damit sagen will: Ein Arbeitskollege, Bekannter oder Freund kann mich in so einem Massagesessel nicht ertappen - das wäre mir egal. Aber sich die Intimität einer Rückenmassage vor aller Augen gestatten, das ist mir unbegreiflich, das will mir nicht gelingen.

Ich staune immer wieder angewidert, dass es tatsächlich Menschen gibt, die sich in so einen Flughafen-Osim setzen. Dass es tatsächlich Menschen gibt, die sich auf Entspannungsminuten in einem öffentlichen Massagesessel vorbereiten. Menschen, die sich dann ihre Schuhe ausziehen. Die ihre Beine von sich strecken. Die bald darauf einnicken. Und die dabei zuweilen sogar - ja, tatsächlich: leise grunzen vor lauter Wohlbefinden.

Wofür hat die Menschheit Türen und Wände erfunden? Doch wohl dafür, dass man sich erstens hinter sie und zweitens ungestört zurückziehen kann!? Gewiss, man muss heute kommunal entspannen können, um überhaupt noch entspannen zu können.

Noch dazu wird einem die Fähigkeit dazu ausgerechnet im Urlaub abverlangt: Ob am Strand oder auf der Sonnenterrasse des Ausfluglokals, wir entspannen sozialistisch, teilen Sand und Sonne, Meer und Berge, Wellness-Oase und Frühstücksbuffet. Trotzdem bestehe ich darauf, dass uns Menschen noch irgendwas vom Affen unterscheiden muss. Dass wir uns nicht in aller Öffentlichkeit den Rücken krabbeln lassen.

Wie aber ist es Osim in den vergangenen zehn, zwölf Jahren ergangen. Nun, der Kurs der Aktie hat sich seit dem Börsengang, Moment, ich schau mal nach - vervierzehnfacht! Ja, aber. 5000 Euro mal 14, das wären ja: 70.000! Siebzigtausend! Heiliger Osim! Jetzt muss ich mich erst mal hinsetzen.

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