Tengelmann-Deal Gabriels Weihnachtsgeschenk

Das Tauziehen um Tengelmann ist vorbei: Die Verträge sind unterzeichnet, Rewe zieht seine Klage zurück, die Ministererlaubnis tritt in Kraft. Gewinner sind nicht nur die Kaiser's-Mitarbeiter. Ein Kommentar.

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Für die Mitarbeiter der Kaiser's-Supermärkte dürfte die nun so gut wie erreichte Jobsicherheit eine große Erleichterung darstellen. Quelle: dpa

Das Timing hätte nicht besser sein können. Pünktlich zum Weihnachtsfest, mitten in der besinnlichen Zeit, reichen sich zwei zerstrittene Unternehmen nach monatelanger Schlammschlacht doch noch die Hand, und sichern damit die Jobs von fast 16.000 hart arbeitenden und oftmals gering verdienenden Menschen – den sprichwörtlichen kleinen Leuten – in Deutschland.

Edeka und Rewe haben sich geeinigt, Rewe bekommt ein paar Kaiser's-Filialen verkauft, und zieht dafür seine Klage gegen die Ministererlaubnis zurück. Wirtschaftsminister Gabriel freut sich, dass sie damit in Kraft tritt. Edeka kann nun doch noch einen Großteil der darbenden Kaiser's-Supermärkte von Tengelmann übernehmen. Für deren Mitarbeiter gibt es statt Zukunftsangst nun eine Jobgarantie für mindestens die nächsten fünf Jahre.

Und all das möglich gemacht hat: Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Eine Weihnachtsgeschichte, wie er sie sich nicht schöner hätte wünschen können.

Gabriel hat einen guten Lauf. Mit seiner Frau Anke erwartet er ein zweites Wunschkind, und der nun besiegelte Tengelmann-Deal ist innerhalb kurzer Zeit schon der zweite große Erfolg für den lange oft glücklos agierenden Vizekanzler. Er war es schließlich auch, der seiner Partei für die nächsten Jahre jüngst den wichtigen Posten des Bundespräsidenten gesichert hat.

Nun werden die Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann, die zwei Jahre lang um ihre Stellen bangen mussten, unter dem Weihnachtsbaum an ihren sozialdemokratischen Retter denken und vielleicht zufrieden lächeln.


Coup für den SPD-Chef

Es ist nicht übertrieben, von einem Coup für den SPD-Chef zu sprechen. Hatte doch Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub bereits mit der Zerschlagung seiner seit langem darbenden Supermarktkette gedroht.

Die Mitarbeiter der Filialen, die kleinen Leute, um die sich Gabriel als SPD-Chef kümmern will und muss, waren in den letzten Jahren einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Erst hieß es, Edeka übernimmt die Kaiser’s-Filialen. Dann verbot das Bundeskartellamt den Zusammenschluss. Die Unternehmen gingen zu Wirtschaftsminister Gabriel und baten um eine Ministererlaubnis. Die bekamen sie auch, aber unter der Bedingung, dass alle Arbeitsplätze erhalten bleiben müssen.

Sieg für die Kaiser’s-Mitarbeiter! Doch die Freude währte nicht lange. Die Wettbewerber Norma, Markant und Rewe klagten gegen die Erlaubnis, das Oberlandesgericht leitete ein Verfahren ein. Die Ministererlaubnis war gestoppt. Die zerstrittenen Unternehmen verhandelten daraufhin zunächst allein, trennten sich jedoch ergebnislos.

Bis Gabriel seinen Parteifreund Gerhard Schröder überraschend als Schlichter einsetzte. Zum Wirtschaftsminister und einem ehemaligen Kanzler kann man nicht Nein sagen.

Ein netter Nebeneffekt für die Lösung, die jetzt in trockenen Tüchern ist: Gabriel kommt um die genauere Überprüfung des Verfahrens und der Begründung, die zur Ministererlaubnis geführt hatten, durch das Oberlandesgericht Düsseldorf herum. Rechtlich wird der Minister laut Gesetz bei der Erteilung einer Ministererlaubnis nämlich wie eine Behörde behandelt – mit all den Pflichten, die daraus entstehen.

Die bisherigen Untersuchungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf dazu hatten ergeben, dass sich Gabriel und seine Beamten offenbar in manchen Situationen eher wie Menschen als Behörden verhalten haben könnten. Richter hätten eine lückenhafte Dokumentation aller Gespräche als Mauschelei deklarieren können. Ein langwieriges Verfahren hätte keine gute Begleitmusik für den möglichen Kanzlerkandidaten der SPD geboten.

Doch nun ist alles gut. Nicht alles natürlich. Die Edeka-Mitarbeiter müssen sich nun nämlich ihrerseits fragen, ob wegen des Neuzuwachses bei dem Supermarkt-Platzhirschen Deutschlands nicht die eine oder andere Filiale überflüssig werden wird. Dann trifft es natürlich die alten Edeka-Mitarbeiter, denn die künftigen sind ja durch eine Jobgarantie geschützt.

Dass dieser mögliche Jobverlust aber direkt auf die Entscheidung Gabriels, die Übernahme der Kaiser's-Filialen zu erlauben, zurückgeführt wird, ist zu bezweifeln. Und auch wenn die bevorstehende, stärkere Marktkonzentration den Druck auf die Zulieferer noch erhöht, wie Experten immer wieder gewarnt haben – wer wird da schon genau den Finger drauf legen können, dass es da einen direkten Zusammenhang gibt?

Am Ende bleibt die Rettung der Arbeitsplätze ein großer Erfolg für Gabriel in letzter Minute. Und das auch noch in der Weihnachtszeit.

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