Terror und Kriminalität Der Staat muss sich wieder Respekt verschaffen

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Diskrepanz zischen Rechtsempfinden der Bürger und dem, was geschieht

Zu der personellen Überforderung (anders gesagt: Unterversorgung) der Polizei kommt ein weiteres Phänomen, das deren Motivation schwächt, das Vertrauen der schutzbedürftigen Bürger zersetzt und gleichzeitig die Motivation der Herausforderer des Gewaltmonopols stärkt: die immer offensichtlichere Diskrepanz zwischen dem was nach Gesetz und Rechtsempfinden der Bürger geboten wäre und dem was tatsächlich geschieht.

Diese Diskrepanz zeigt sich in der Existenz zweier Personengruppen, die sich außerdem noch allzu oft überschneiden: So genannte Intensivtäter, als professionelle Diebe und Drogenhändler, die auf vielen Hauptbahnhöfen und öffentlichen Plätzen ihr Unwesen treiben, die immer wieder von der Polizei festgenommen wurden, aber immer wieder auftauchen. Am Kölner Bahnhof sind das vor allem die von der Polizei so genannten „Nafris“ - aus Nordafrika stammende Intensivtäter. Die Mehrheit von ihnen hält sich als Asylsuchende in Deutschland auf. Und damit sind wir beim zweiten Personenkreis: Abgelehnte Asylbewerber.

Nicht nur Ex-Polizist Nick Hein fragt sich in seinem aktuellen Buch „Polizei am Limit“, „warum wir es immer wieder mit denselben Straftätern zu tun hatten“ und „ein Asylbewerber, während sein Antrag geprüft wird, Straftaten begehen [kann], ohne Angst zu haben, ausgewiesen zu werden“.

Wenn vermutlich kriminelle Vergehen de facto ungesühnt bleiben und Hunderttausende Menschen, deren Schutzersuchen nach Prüfung abgelehnt wurde, dennoch weiter in Deutschland bleiben, weil sie nicht abgeschoben werden „können“, weil sie ihre eigenen Ausweispapiere „verloren“ haben, dann verliert der Staat, der sich dies gefallen lässt, unweigerlich an Respekt. Zuerst bei denen, deren Straftaten oder Vergehen folgenlos bleiben – und dann bei allen anderen, die mit den Gefährdungen zu leben haben. Zumal wenn jene, die von den Sicherheitsorganen des Staates keine Sanktionen erfahren, zugleich noch dessen soziale Sicherungsleistungen konsumieren.

Für dieses Versagen – ausbleibende Bestrafung und ausbleibende Abschiebung, von der eigentlich im Falle des Tunesiers fälligen Abweisung an der Grenze ganz abgesehen - ist nicht die Polizei verantwortlich. An Richtern und ihren Urteilen Kritik zu üben, gilt als unfein. Aber dass eine allzu milde Rechtsprechung mittlerweile ein Klima erzeugt hat, in dem sich Täter ermutigt fühlen müssen, alle Hemmungen fallen zu lassen, erfahren nicht nur die in den Kriminalitätsbrennpunkten eingesetzten Polizisten alltäglich am eigenen Leib, sondern vor allem auch die Opfer der grassierenden Einbruchs- und Gewaltkriminalität. Deutschland ist nicht ohne Grund zum Eldorado von Diebesbanden geworden.

Natürlich ist es richtig, jetzt den Ausbau der Video-Überwachung an terror- und kriminalitätsgefährdeten Orten voranzutreiben. Noch viel wichtiger ist es, die Polizei, an der seit den 1990er Jahren in unverantwortlicher Weise gespart wurde, technisch und vor allem personell deutlich aufzurüsten. Aber ohne den Willen der Regierenden und der Rechtsprechenden, das Straf- und Asylrecht endlich wieder konsequent anzuwenden, und Verstöße hart und damit wirkungsvoll zu bestrafen, nutzen alle Gesetze und Investitionen überhaupt nichts.

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