Terrorismus-Gefahr Neues System soll Risiko von Gefährdern besser erkennen

Anis Amri war als „Gefährder“ bekannt, dennoch konnte der Anschlag von Berlin nicht verhindert werden. Ein neues Programm soll jetzt helfen, besonders gefährliche Personen eher zu identifizieren.

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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere bei einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestags. Quelle: dpa

Angesichts massiver Kritik an den Sicherheitsbehörden nach dem Anschlag von Berlin soll ein neues Computerprogramm helfen, Gefährder mit besonders hohem Risiko früher zu erkennen. Das System namens „Radar“ wurde vom Bundeskriminalamt (BKA) gemeinsam mit der Universität Zürich entwickelt und soll die Bewertung des Gefahrenpotenzials objektivieren, berichteten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR.

Der Tunesier Anis Amri war am 19. Dezember mit einem Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt gerast und hatte zwölf Menschen getötet. Er war den Behörden als islamistischer Gefährder bekannt, dennoch konnte sein Terroranschlag nicht verhindert werden.

„Radar“ soll mit einer Punkte-Skala in drei Stufen moderates, auffälliges und hohes Risiko differenzieren. Das neue System wurde nachträglich auch am Fall Amri getestet. Aus seinen vor dem Anschlag bekannten Daten stufte es ihn als hoch gefährlich ein, wie es im Bericht weiter hieß.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erwartet durch das neue System eine bessere Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz. Er sagte der „Bild am Sonntag“: „Der Fall Amri hat gezeigt, dass die Behörden in Bund und Ländern auch gegenüber der Justiz noch bessere Argumente brauchen, wenn sie Maßnahmen beantragen. Auch hierbei wird das neue Analyseinstrument ein entscheidender Baustein sein.“ Mehr als bisher müssten die Person der Gefährder in den Blick genommen werden und weniger die Gefährdungsszenarien.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) verteidigte im Terrorfall Amri ihren Innenminister Ralf Jäger (SPD) und die Sicherheitsbehörden des Landes. „Ich mache da niemandem persönlich einen Vorwurf“, sagte Kraft der „Bild am Sonntag“. Es sei im Nachhinein eine Fehlentscheidung des Bundes und der Länder gewesen, Amris Beobachtung zu beenden und seine Gefährlichkeit nicht richtig zu beurteilen.

Der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet warf Kraft Unaufrichtigkeit vor. Sie habe die Öffentlichkeit nicht darüber informiert, dass der Berliner Attentäter im Mai 2016 ein zweites Mal von Sicherheitsbehörden in NRW als Gefährder eingestuft worden sei.

Bundespräsident Joachim Gauck hat Angehörige der Opfer des Berliner Terroranschlags zu einem Treffen ins Schloss Bellevue eingeladen, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Zuerst berichteten „Spiegel“ und „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ darüber. Das noch nicht terminierte Gespräch soll vertraulich und nicht-öffentlich sein. Zuvor hatte es Vorwürfe mangelnder Anteilnahme des Staates gegeben.

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