Chemnitz Deutschland nur knapp großem Terroranschlag entkommen

1,5 Kilogramm höchstgefährlicher Sprengstoff in den Händen eines Mannes mit IS-Kontakten: Deutschland drohte offenbar ein verheerender Anschlag. Die Behörden sehen jedoch keine veränderte Bedrohungslage.

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Ein Polizeifahrzeug fährt vor dem Haus, in welchem der flüchtige Terrorverdächtige verhaftet wurde, in Leipzig entlang. Quelle: dpa

Deutschland ist offenbar nur knapp einem Terroranschlag von der Dimension der verheerenden Attentate von Paris und Brüssel entgangen. Der nach dem Bombenfund von Chemnitz festgenommene Terrorverdächtige Dschaber al-Bakr steht nach ersten Ermittlungen in Verbindung zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Die sichergestellten 1,5 Kilogramm Sprengstoff sind identisch mit der Art, die IS-Terroristen in Frankreich und Belgien verwendet haben.

„Die Vorbereitungen in Chemnitz ähneln nach allem, was wir heute wissen, den Vorbereitungen zu den Anschlägen in Paris und Brüssel“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Es gibt bisher aber keine Hinweise darauf, dass der 22-jährige festgenommene Syrer bereits ein bestimmtes Anschlagsziel ins Auge gefasst hatte.

Im März waren in Brüssel bei einem Doppelanschlag am Flughafen und in der U-Bahn 32 Menschen ermordet und mehr als 320 verletzt worden. Bei einem Angriff der Terrormiliz IS auf die Konzerthalle „Bataclan“ und andere Ziele in Paris im November vergangenen Jahres starben 130 Menschen. Bei den beiden Terroranschlägen in Deutschland in diesem Jahr - in Ansbach und Würzburg - gab es außer den Tätern keine Toten.

Vereitelte Anschläge

Die Terrorgefahr für Deutschland hat sich nach Einschätzung de Maizières mit dem Bombenfund nicht erhöht. Der CDU-Politiker sprach von einer „unverändert hohen Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus“. Die Ermittlungen zeigten aber, „dass solche Taten, wie wir sie in Frankreich und Belgien gesehen haben, auch in Deutschland nicht auszuschließen sind“, sagte der Minister.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schloss gesetzliche Konsequenzen nicht aus. „Wir müssen alles Menschenmögliche tun, notfalls dann auch die Gesetze verändern, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten“, sagte sie während ihrer Afrika-Reise in Niamey, der Hauptstadt des Niger.

Zwei Tage nach dem brisanten Bombenfund in Chemnitz hatte die Polizei den bundesweit gesuchten Terrorverdächtigen Al-Bakr in der Nacht zum Montag in Leipzig festgenommen. Die Polizei fasste den Syrer in einer Wohnung, wo drei Landsleute ihn bereits gefesselt hatten. Er hatte am Leipziger Hauptbahnhof einen Landsmann angesprochen und gefragt, ob er bei ihm schlafen könne. Der Syrer nahm ihn demnach mit, überwältigte ihn mit zwei Helfern und informierte die Polizei.

Ein möglicher Komplize des Hauptverdächtigen, der 33-jährige Wohnungsmieter, kam in Untersuchungshaft. Er ist ebenfalls Flüchtling und war Mitte Juli aus Nordrhein-Westfalen nach Chemnitz gezogen, wie der Chef des sächsischen Landeskriminalamts, Jörg Michaelis, sagte. Die Polizei hatte bei einer Razzia in der Wohnung 1,5 Kilogramm Sprengstoff gefunden. Dabei handelt es sich nach bisherigen Erkenntnissen um das hochgefährliche TATP.

„Diese Art würde dem verwendeten Sprengstoff bei den Attentaten von Paris und Brüssel entsprechen“, sagte Michaelis. „Vorgehensweise und Verhalten des Verdächtigen sprechen derzeit für einen IS-Kontext“, sagte er.

Die Ermittlungen wurden von der Bundesanwaltschaft übernommen. Die teilte am Montag mit, dass Al-Bakr dringend verdächtig sei, „die Begehung eines islamistisch motivierten Anschlags mit hochexplosivem Sprengstoff in Deutschland geplant und bereits konkret vorbereitet zu haben“. Weiter erklärte die Karlsruher Behörde: „Erkenntnisse dafür, dass der überaus professionell agierende Beschuldigte (...) bereits ein konkretes Ziel für seinen Sprengstoffanschlag ins Auge gefasst hat, liegen derzeit nicht vor.“

Dem ebenfalls inhaftierten 33-jährigen Syrer Khalil A. wirft die Bundesanwaltschaft vor, Al-Bakr seine Wohnung zur Nutzung überlassen und für ihn in Kenntnis seiner Anschlagspläne die notwendigen Stoffe im Internet bestellt zu haben.

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