Teure Privatversicherung für Beamte Wie Deutschland 60 Milliarden Euro sparen könnte

Die private Krankenversicherung für Beamte kommt Deutschland teuer zu stehen. Laut einer Studie könnten Bund und Länder über 60 Milliarden Euro sparen, wenn Beamte wie normale Arbeitnehmer gesetzlich versichert würden.

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Die private Krankenversicherung für Beamte droht zum Kostenrisiko für den Staat zu werden. Quelle: dpa

Berlin Für die privaten Krankenversicherungen sind Deutschlands Beamten so etwas wie die sichere Bank. Sie sind im Durchschnitt gesünder als andere Arbeitnehmer und meckern auch selten über zu hohe Prämien. Der Grund: Der Staat zahlt ihnen im Krankheitsfall eine Beihilfe. Sie beträgt in der Regel 50 Prozent der Behandlungskosten. Im Pensionsalter steigt der Zuschuss sogar auf 70 Prozent. Sie müssen mithin über den Krankenversicherungsbeitrag nur einen Teil ihres Krankheitsrisikos abdecken.

Entsprechend gering sind für sie die Prämien. Im Durchschnitt kostet sie die Behandlung als Privatpatient nur 6,7 Prozent ihres Einkommens. Kein Wunder, dass rund 85 Prozent der Beamten von ihrem Recht Gebrauch machen, unabhängig von der Höhe des Einkommens sich privat zu versichern. Normale Arbeitnehmer dürfen das nur, wenn ihr Einkommen über der Pflichtgrenze von aktuell 57.600 Euro liegt. Kein Wunder ist es deshalb auch, dass nahezu die Hälfte der rund neun Millionen privat Versicherten Beamte oder Pensionäre und deren Familienangehörige sind. Würden die Beamten die PKV verlassen, wäre das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung ernsthaft gefährdet.

Trotzdem plädiert die einseitiger Parteinahme für linke oder grüne Bürgerversicherungsmodelle unverdächtige Bertelsmann-Stiftung genau dafür. Sie will die Beamten, die weniger als 57.600 Euro verdienen, genauso wie Otto-Normal-Arbeitnehmer zu Pflichtversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung machen. Wer mehr verdient, soll die freie Wahl haben, ob er sich gesetzlich oder privat versichert. Bisher hat der Beamte nur theoretisch eine Wahl. Er darf sich zwar auch freiwillig gesetzlich versichern. Doch muss er dann den vollen Beitragssatz, also Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag, selbst tragen. Dazu haben die wenigsten Beamten Lust.

Die Stiftung hat für ihre Forderung keine ideologischen, sondern rein fiskalische Argumente. Einfacher ausgedrückt: Es geht um Steuergelder: Die gigantischen Ausgaben des Staates für die Beihilfe sind das eine Argument. Sie werden, auch weil in Zukunft immer mehr Beamte ins Pensionsalter kommen, in den kommenden Jahren massiv zunehmen. Nach einer Modellrechnung, die das IGES-Institut für die Bertelsmann-Stiftung angestellt hat, steigen sie von 11,9 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 20,2 Milliarden Euro pro Jahr bis zum Jahr 2030. Die Lasten wären damit doppelt so hoch wie derzeit.

Im Bund steigen sie bis 2030 um 46 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro und in den Ländern um 83 Prozent auf 13,6 Milliarden Euro. Es droht eine finanzielle Überforderung des Staates, über dem bereits die künftigen Pensionslasten schon wie ein Damoklesschwert hängen. Während Deutschland diese Pensionslasten jedoch nicht abschütteln kann, weil er nach der Verfassung verpflichtet ist, seine Beamten lebenslang zu „alimentieren“, könnte er die Beihilfe abschaffen.

Denn sie gehört nicht zu den durch die Verfassung geschützten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, so Thorsten Kingreen, Spezialist für öffentliches Recht an der Universität Regensburg. Allerdings müssten Bund, Länder und Kommunen bei einer Überführung der Beamten in die gesetzliche Versicherung den normalen Arbeitgeberbeitrag zahlen. Das aber wäre auf Dauer deutlich billiger als die Beihilfe.


„Ein gerechteres System“

Wäre der Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung bereits 2014 umgesetzt worden, hätten Bund und Länder seither bereits 3,2 Milliarden Euro pro Jahr gespart. Bis 2030 saldieren sich die „Gewinne“ auf über 60 Milliarden Euro. Dabei geht das IGES-Institut nicht einmal davon aus, dass alle Beamten zur gesetzlichen Kasse wechseln würden. Bei gleichem Krankenkassenrecht für Beamte und Arbeitnehmer würden ja nur die Beamten, die keine Besserverdiener sind, pflichtversichert. Das trifft aber nur auf rund zwei Drittel der derzeit privat Versicherten 3,1 Millionen Beamten und Pensionäre zu.

Die andern könnten in der PKV bleiben. Wegen der beitragsfreien Familienversicherung würden gut ein Fünftel der 3,1 Millionen von einem Wechsel zur GKV profitieren. Am Ende blieben, so die Schätzung der Studie, nur 12 Prozent der Beamten ihrer alten Privatversicherung treu. „Schon wegen der Schuldenbremse muss der Ausstieg aus dem Beihilfesystem für Beamte eingeleitet werden. Je konsequenter die gesetzliche Versicherungspflicht umgesetzt wird, desto positiver sind die Effekte für die öffentlichen Haushalte“, sagt dazu Stefan Edgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann-Stiftung.

Edgeton hat im Bund der Steuerzahler einen starken Verbündeten. Dessen Präsident Rainer Holznagel warnt schon lange davor, dass die Beihilfekosten in Zukunft deutlich schneller steigen werden als die Pensionslasten. Doch damit nicht genug: Auch die gesetzlichen Krankenkassen würden von einem Wechsel der Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung profitieren. Zwar kämen auf die 115 gesetzlichen Kassen Mehrausgaben von rund 12 Milliarden Euro im Jahr zu. Ihnen stünden aber zusätzliche Beitragseinnahmen von 15,4 Milliarden Euro im Jahr gegenüber.

Der durchschnittliche Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung würde in der Folge um 0,34 Prozentpunkte gesenkt werden können. „Unter dem Strich würde damit unser Krankenversicherungssystem somit gerechter und nachhaltiger“, sagte Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Hinzu käme ein Teil der für die Beamten bislang in der PKV-angesparten Alterungsrückstellungen von insgesamt 72 Milliarden Euro, die die Beamten beim Wechsel in der GKV zumindest teilweise mitnehmen könnten.

Allerdings ist rechtlich noch nicht geklärt, in welchem Umfang die PKV-Unternehmen dazu per Gesetz verpflichtet werden können. Das klingt dann doch ein wenig nach Plädoyer für eine Bürgerversicherung. Immerhin spricht sich die Bertelsmann-Stiftung in der gleichen Studie auch dafür aus, wenig verdienenden Selbstständigen den Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung zu erleichtern. Bisher scheitert dass am starren Beitragsrecht, nach dem Selbstständige besonders hohe Beiträge zahlen müssen.

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