Teure Rentenkampagne Bundestag bringt Rechnungshof gegen Nahles in Stellung

Mehr als eine Million Euro kostet die Kampagne von Sozialministerin Andrea Nahles für die Rentenpläne der Koalition. Nun wird sich der Rechnungshof dem Vorgang annehmen. Das beschloss der Haushaltsausschuss.

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Die Werbekampagne der Großen Koalition für die Rente mit 63 verschlingt der Opposition zu viel Budget. Quelle: dpa

Die Renten-Werbekampagne von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat ein Nachspiel. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beschloss am Mittwochnachmittag einstimmig, den Bundesrechnungshof damit zu beauftragen, die hohen Ausgaben für die Kampagne zu überprüfen. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, bestätigte einen entsprechenden Bericht von "Süddeutsche.de".

"Es ist gut dass der Rechnungshof die Nahles-Kampagne unter die Lupe nimmt. Alles an dieser Kampagne riecht nach Amtsmissbrauch", sagte Riexinger "Handelsblatt Online". Die Gestaltung ähnle verdächtig alten SPD-Kampagnen. Und mit der Begründung, die das Arbeitsministerium jetzt abgeliefert habe, hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch das Bundespresseamt mit der Umsetzung ihrer Wahlkampagne als Informationsmaßnahme beauftragen können.

Das Arbeitsministerium hatte vergangene Woche auf Anfrage von "Süddeutsche.de" erklärt, dass die bundesweite Werbekampagne für die Rente mit 63 und die Mütterrente etwa 1,15 Millionen Euro kosten werde. Nach Ansicht der Opposition ist das nicht mit den Regeln der vorläufigen Haushaltsführung für das Jahr 2014 vereinbart. Noch ist der Bundeshaushalt für das Jahr 2014 nicht verabschiedet. Die Ministerien sind bis zu einer Verabschiedung an eine besondere Ausgabendisziplin gebunden. Neue Projekte dürfen nicht angeschoben werden.

So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Nahles hatte die Kampagne am 21. Januar vorbehaltlich eines Kabinettsbeschlusses über das Rentenpaket der Bundesregierung bewilligt. Jetzt beruft sich die Ministerin auf eine Tischvorlage des Finanzministeriums für den Haushaltsausschuss aus dem Jahr 2006. Daraus geht unter anderem hervor, dass bewilligte Projekte auch unter den Bedingungen der vorläufigen Haushaltsführung weitergeführt werden dürfen.

Vorwurf lautet "Beugung des Haushaltrechts"

Die aktuelle Rentenkampagne ist offenbar nach Ansicht des Arbeitsministeriums eine solche Fortführung. Nämlich die einer noch von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) "angedachten" Werbekampagne für ihre Idee einer Lebensleistungsrente, soll die zuständige Staatsekretärin im Arbeitsministerium, Anette Kramme (SPD) im Ausschuss gesagt haben. Diese Lebensleistungsrente wurde jedoch nie umgesetzt. Es gibt dazu auch keinen Kabinettsbeschuss.

Ekin Deligöz, grünes Mitglied im Haushaltsausschuss, hält das für eine "sehr weit hergeholte" Erklärung der Staatssekretärin. Das sei der "sehr dreiste Versuch, die haushaltspolitischen Grundsätze des Bundestages auszuhebeln", sagte die Grünen-Politikerin zu "Süddeutsche.de". Und komme einer "Beugung des Haushaltsrechtes" gleich. Dem Arbeitsministerium warf sie "sehr überzeugte Selbstbedienungsmentalität" vor.

Linke-Chef Riexinger sagte: "Das Rentengesetz ist schlecht, die Rentenkampagne ist rechtsblinde Selbstbedienung einer Ministerin in der Probezeit." Nahles wäre "erstens gut beraten, die Rentenkampagne zu suspendieren und alle weiteren Ausgaben zu stoppen", fügte Riexinger hinzu. "Sie sollte zweitens endlich dem Parlament und der Öffentlichkeit erläutern wie sie dazu kommt, Steuergeld für die Bewerbung eines noch nicht beschlossenen Gesetzes zu verpulvern, dessen endgültige Details sie noch gar nicht kennen kann.".

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