Teure Versicherung für Beamte Angriff auf die Privatversicherung

Die Bertelsmann-Stiftung argumentiert in einer Studie, dass der Staat besser fährt, wenn er seine Beamten künftig nicht mehr privat krankenversichert. Doch was ist besser für Versicherte?

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Quelle: dpa

Das war nur der erste Angriff auf die private Krankenversicherung (PKV) in diesem jungen Jahr. Die Bertelsmann-Stiftung, großen Umstürzen nicht verdächtig, kommt in einer Studie heute zu dem Schluss, dass Bund und Länder deutlich besser da stünden, wenn Beamte künftig nicht mehr privat versichert, sondern in einer gesetzlichen Kasse wären. Mit den Beamten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dürften sogar die Beiträge für alle dort leicht sinken, heißt es. Zahlten diese doch dann auch Beiträge anteilig am Einkommen und gehören sie doch zu einer Berufsgruppe mit unterdurchschnittlichen Gesundheitsrisiken.

Im Bundestagswahlkampf werden weitere Angriffe folgen. SPD, Grüne und auch die Linkspartei verlangen eine Bürgerversicherung – in einem solchen System wären alle krankenversichert, verschiedene gesetzliche Kassen und Privatversicherungen würden als Anbieter konkurrieren. Sie müssten alle mindestens einen bestimmten Leistungsschutz anbieten und jeden unabhängig vom Gesundheitszustand versichern. Gezahlt wird bei einer solchen Versicherung entweder abhängig vom Einkommen (wie das heute bei den gesetzlichen Kassen ist) oder per Kopfprämie (was viele Ökonomen für sinnvoller halten).

Ein wichtiges Ergebnis bietet die Studie: Richtig ist, zu fragen wie sinnvoll die Zweiteilung in der Krankenversicherung in Deutschland ist. Auf der einen Seite rund 72 Millionen gesetzlich Versicherte, auf der anderen die privat Versicherten, darunter rund 1,7 Millionen Beamte von Bund, Ländern und Kommunen plus ihre Ehepartner und Kinder. Es ist ein überholtes System, in dem Politiker mal der einen, dann wieder der anderen Seite Vorteile verschaffen.

Rund 85 Prozent der Beamten und damit auch deren Familien sind privat versichert. Sie bekommen die Hälfte ihrer Krankheitskosten in der PKV von ihrem Dienstgeber per Beihilfe erstattet. Das ist für Beamte lohnend, weil sie im Vergleich zur gesetzlichen Kasse häufiger einen geringeren Beitrag zahlen und zudem oft mehr Leistungen bekommen. Das lohnt sich auch für den Staat, er spart – zumindest, wenn die Beamtenfamilie nicht zu groß ist.

Werden aus Beamten Pensionäre, dreht sich der Vorteil für den Staat allerdings in einen Nachteil um. Als Dienstherr hat er zuvor 50 Prozent der Krankheitskosten per Beihilfe übernommen, bei Pensionären sind es sogar 70 Prozent. Zugleich steigen im Alter die Krankheitskosten deutlich. Hier setzt das Argument der Bertelsmann-Studie an, die vom Berliner IGES-Institut ausgeführt wurde. Je mehr Pensionäre dazukommen, desto teurer wird alles für den Staat. Die Riesensumme von 60 Milliarden Euro Einsparmöglichkeit wird für die Zeit bis 2030 genannt.

Und was würden die Beamten sagen?

So nachvollziehbar dieses Argument ist, so unvollständig bleibt allerdings die Studie. Sie sagt nichts dazu, wie der Übergang von privat zu gesetzlich laufen könnte. Zunächst würde es für den Staat teurer, wenn heutige Beamte anders versichert und von ihrem Dienstgeber unterstützt werden. Was wird außerdem aus den mehr als 70 Milliarden Euro an Altersrückstellungen, die privat versicherte Beamte in ihrer Assekuranz angespart haben? Die können sie nicht mitnehmen, weil sie im Privatsystem dazu vorgesehen sind, die stark steigenden Kosten für Gesundheit im Alter abzufedern. Ginge der Staat an dieses Geld heran, wäre schnell der Eigentumsschutz und das Grundgesetz zur Hand. Die Privatversicherer hätten gute Chancen, einen Umbau gegen ihre Interessen zu verhindern.

Die finanzstärksten privaten Krankenversicherungen
Krankenversicherer: AxaRating Krankenversicherer *: +++Punkte für ausgewählte wichtige Rating-Kennzahlen Nettoverzinsung Kapitalanlagen (max. 500) *2: 418 Ergebnisquote aus dem Versicherungsgeschäft (max. 500) *3: 0 Verhältnis Rückstellungen zu Beitragseinnahmen (max. 400) *4: 0 Wachstum Vollversicherte und Beiträge (max. 400) *5: 400 * Softfair hat anhand von zehn Kennzahlen aus den Geschäftsberichten (2014) analysiert, inwieweit die Versicherer aufgrund ihrer finanziellen Lage die Beiträge auch künftig stabil halten können, pro Kennzahl gab es maximal 100, 300, 400 oder 500 Punkte *2 misst, wie gut der Versicherer Kundengelder anlegt *3 ist die Quote zu niedrig, arbeitet der Versicherer unprofitabel, ist sie zu hoch, geht dies zulasten der Kunden *4 je höher die RfB-Quote, desto geringer kann der Versicherer Beitragserhöhungen *5 je mehr Neukunden und zusätzliche Beiträge, desto finanzkräftiger der VersichererQuelle: Softfair Analyse Quelle: REUTERS
Krankenversicherer: UniversaRating Krankenversicherer : ++++Punkte für ausgewählte wichtige Rating-Kennzahlen Nettoverzinsung Kapitalanlagen (max. 500): 311 Ergebnisquote aus dem Versicherungsgeschäft (max. 500): 460 Verhältnis Rückstellungen zu Beitragseinnahmen (max. 400): 192 Wachstum Vollversicherte und Beiträge (max. 400): 385 Quelle: Presse
Krankenversicherer: SignalRating Krankenversicherer : ++++Punkte für ausgewählte wichtige Rating-Kennzahlen Nettoverzinsung Kapitalanlagen (max. 500): 500 Ergebnisquote aus dem Versicherungsgeschäft (max. 500): 264 Verhältnis Rückstellungen zu Beitragseinnahmen (max. 400): 400 Wachstum Vollversicherte und Beiträge (max. 400): 239 Quelle: DPA
Krankenversicherer: R+VRating Krankenversicherer : ++++Punkte für ausgewählte wichtige Rating-Kennzahlen Nettoverzinsung Kapitalanlagen (max. 500): 484 Ergebnisquote aus dem Versicherungsgeschäft (max. 500): 295 Verhältnis Rückstellungen zu Beitragseinnahmen (max. 400): 169 Wachstum Vollversicherte und Beiträge (max. 400): 263 Quelle: Presse
Krankenversicherer: InterRating Krankenversicherer : ++++Punkte für ausgewählte wichtige Rating-Kennzahlen Nettoverzinsung Kapitalanlagen (max. 500): 465 Ergebnisquote aus dem Versicherungsgeschäft (max. 500): 327 Verhältnis Rückstellungen zu Beitragseinnahmen (max. 400): 400 Wachstum Vollversicherte und Beiträge (max. 400): 129 Quelle: Presse
Krankenversicherer: HanseMerkurRating Krankenversicherer : ++++Punkte für ausgewählte wichtige Rating-Kennzahlen Nettoverzinsung Kapitalanlagen (max. 500): 500 Ergebnisquote aus dem Versicherungsgeschäft (max. 500): 328 Verhältnis Rückstellungen zu Beitragseinnahmen (max. 400): 240 Wachstum Vollversicherte und Beiträge (max. 400): 400 Quelle: Presse
Krankenversicherer: DebekaRating Krankenversicherer : ++++Punkte für ausgewählte wichtige Rating-Kennzahlen Nettoverzinsung Kapitalanlagen (max. 500): 500 Ergebnisquote aus dem Versicherungsgeschäft (max. 500): 0 Verhältnis Rückstellungen zu Beitragseinnahmen (max. 400): 291 Wachstum Vollversicherte und Beiträge (max. 400): 400 Quelle: DPA

Bleiben auch die Ärzte, allen voran die niedergelassenen Mediziner. Unter Gesundheitspolitikern gilt als ausgemacht, dass deren Honorare für gesetzlich Versicherte steigen müssten, fiele die lukrativere Vergütung weg, die privat Versicherte bisher bringen. Seit Jahrzehnten argumentieren Privatkassen und Ärztevertreter, die privat Versicherten ermöglichten in vielen Regionen erst, dass sich Praxen ansiedelten. Mehr gesetzliches Honorar würde weniger Einsparung bedeuten.

Und was würden Beamte sagen? Vielen würde wohl nicht gefallen, künftig weniger Leistungen zu bekommen. Auch hier wäre wohl ein kostentreibender Kompromiss fällig, sollte eine Regierung den Umbau wagen. Den steilen Anstieg der Kosten verspüren Beamte im Alter zudem deutlich schwächer als Rentner oder Selbstständige. Von diesen beiden Gruppen, den Rentnern und älteren Selbstständigen, bekommen Politiker Druck, etwas am Versicherungssystem in Deutschland zu ändern. Diese Versicherten stöhnen unter hohen und noch weiter steigenden Gesundheitskosten bei den Privaten, doch zurück ins gesetzliche System kommen sie nicht. Die meisten Bundestagsabgeordneten bekommen Post von Älteren, denen die PKV zu teuer geworden ist. Beamte sind eher nicht darunter.

Deshalb hat die Studie von Bertelsmann nur bedingt Strahlkraft für die Befürworter einer Bürgerversicherung, in der alle Anbieter miteinander konkurrieren. Die Beamten gelten als größtes Hindernis, das einen Umbau des Versicherungssystems verhindert. Sie wollen es meistens wohl selbst nicht und gerade die Landesregierungen, die die meisten Beamten finanzieren dürften vor einem Umstieg zurückschrecken, der sie kurzfristig erst einmal deutlich teurer käme.

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