Interview mit Thomas Druyen Über die Psychologie der Vermögenden

 Über keine gesellschaftliche Gruppe wissen die Deutschen so wenig wie über ihre Geld-Elite. Der Düsseldorfer Soziologe Thomas Druyen erforscht sie – und findet: Die Reichen sind besser als ihr Ruf.

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Dagobert Duck Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Druyen, der Internationale Währungsfonds warnt, dass in den Industrieländern immer mehr Superreiche die Gesellschaft materiell spalten. Wer sind Deutschlands Superreiche?
Herr Thomas Druyen: Man muss zunächst mal festhalten, dass im gesamten Forschungsbereich in Deutschland Superreiche völlig unterrepräsentiert sind. Alle anderen Milieus werden analysiert. Es gibt kaum statistische Daten in Deutschland, die in den Bereich der Multimillionäre und Milliardäre gehen. Insofern haben wir eine Situation, die es in keiner anderen Wissenschaft gibt: Der Gegenstand, über den Reichtumsforschung betrieben und Aussagen gemacht werden, steht nicht zur Verfügung.

Zur Person

Auf was fußen dann die ganzen Aussagen über Vermögenskonzentration?
Das ist paradox: Die Schwelle, die Forscher überschreiten können, verrutscht zwar auf der Vermögensskala immer weiter nach oben. Aber es ist ein unfassbarer Aufwand. Und es bleibt dabei: Sobald die Reichen von statistischen Zusammenfassungen hören, sind sie reserviert. Sie haben Angst, dass aus statistischer Aufarbeitung in der Öffentlichkeit sofort moralische Empörung wird.

Über wen müssten wir reden, wenn wir „Vermögende“ adressieren?
Wenn ich von Reichen rede, rede ich anders als die klassische Reichtumsforschung von Menschen mit Vermögen jenseits der 30 Millionen. Unser Forschungsgegenstand sind zur Zeit vielleicht 150.000 Leute weltweit.

Der Vermögensforscher Thomas Druyen über die Psychologie der Reichen. Quelle: Laif

Die berühmten 0,1 Prozent?
Alle Zahlenmodelle sind subjektiv, weil alle, die sich in diesem Feld umtreiben, unter Vermögen etwas anderes verstehen. Die einen nehmen Kunst und Immobilien dazu, andere nicht, zum Beispiel. Es ist also eine extrem schwierige Gemengelage. Wir glauben: Es sind etwa 150.000 Familien weltweit. Jetzt wäre es ja fantastisch, wenn man mit den Familien sprechen und auch die sie umgebenden Netzwerke analysieren könnte. Das ist aber ein unfassbar kompliziertes Unterfangen.

Und scheint gerade in Deutschland besonders schwierig. In kaum einem Industrieland weiß man weniger über die Vermögens- und Einkommenselite.
Verschwiegenheit und Diskretion sind in Deutschland in dieser Klientel stark verinnerlichte Tugenden, wenn es um private Vermögensverhältnisse geht.

Weil in Deutschland der ganz überwiegende Teil der Vermögenselite Familienunternehmer sind, die per se Verschwiegenheit gelernt haben?
Das ist der psychologische  Hintergrund. Es gibt auch einen historischen: Nach Bismarck wurde die Sozialproblematik in Deutschland auf den Staat verlagert. Deswegen ist es eine routinierte Überzeugung, dass man mit Zahlung seiner Steuern und einer freiwilligen Philanthropie der Plicht und der Kür genüge getan hat. Das ist auch der Knackpunkt, wenn es um Reichendiskussionen geht: Die unterschiedlichen Bewertungen gehen von ganz anderen Beurteilungen aus.

Der Superreiche als Sündenbock?
Ideologisch wird diese Karte immer wieder gespielt. Sie sehen es vor Wahlen, sie lesen es in politischen Programmen und hören es, je nach Interessenstruktur. Grundsätzlich wird der Unternehmer in Deutschland nicht allzu euphorisch gefeiert und hält sich demnach zurück.

Naja. Über die Ottos oder die Reimanns oder die Henkels weiß man schon einiges. Auch, weil die eine sehr professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreiben.
Man könnte zuweilen auch von professioneller Öffentlichkeitsverhinderung reden. Die meisten Milliardärsfamilien reißen sich nicht, um einen Platz auf den Rankinglisten.

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