Thomas Straubhaar "Wir Ökonomen sollten demütiger sein"

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„Deutschland ist ein unfassbar freies Land“

… wobei die Grundfrage trotz aller romantischen Begeisterung im Nebel bleibt: Wie soll man’s finanzieren?

Ob wir je ein Grundeinkommen haben werden, weiß ich nicht. Da bin ich auch völlig relaxt. Aber wofür wir sorgen müssen: Dass Arbeitseinkommen gegenüber Robotereinkommen künftig nicht diskriminiert wird. Die Maschine zahlt keine Sozialabgaben, verdrängt aber jenen Menschen, der auch wegen dieser einseitigen Belastungen zu teuer geworden ist.

„Radikal gerecht“ heißt Ihr Buch zum Thema. Wie hoch könnte ein Grundeinkommen konkret sein?

1000 Euro hielte ich in Deutschland für absolut finanzierbar. Aber nageln Sie mich bitte nicht auf eine Summe fest. Letztlich ist die Höhe des Grundeinkommens eine politisch zu entscheidende Frage.

Haben wir das Grundeinkommen nicht sogar längst? Es heißt Hartz IV plus sonstige Sozialleistungen.

Korrekt. Am Ende geht es ja auch nicht nur um ein Grundeinkommen, sondern um die Debatte der vielen Stellschrauben, die wir in der Sozialpolitik längst besitzen. Und wir sollten endlich die Illusion aufgeben zu glauben, dass der Erfolg der deutschen Volkswirtschaft davon abhängig sein wird, Hartz-IV-Empfänger mit teils unwürdigen Methoden in den Arbeitsmarkt zu prügeln. Ein Grundeinkommen könnte es den vielen Leistungsfähigen und -willigen, die wir in Deutschland haben, ermöglichen, künftig einfacher das zu tun, was sie wirklich wollen…

"Ich glaube, die Polizei war gestern überfordert"
Cord Wöhlke, Mitinhaber der völlig zerstörten Drogerie-Filiale Budnikowsky„Das ist auch eine Tragödie für Hamburg. (...) Ich glaube, die Polizei war gestern überfordert. Es war zum Heulen.“ Quelle: dpa
Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD„Jeder friedliche Protest gegen G20 ist willkommen. Aber: Das Recht, zu demonstrieren, ist kein Freibrief für hemmungslose Randale. Diese extremistischen Kriminellen gehören nicht auf die Straße, sondern vor Gericht. Wer Autos anzündet und Polizisten verletzt, hat keine Toleranz verdient.“ Quelle: REUTERS
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, SPD„Ich appelliere an die Gewalttäter, mit ihrem Tun aufzuhören und sich zurückzuziehen und die Gewalttaten nicht mehr zu verüben, sondern ein friedliches Miteinander in dieser Stadt weiterhin möglich zu machen. (...) Ich bin sehr besorgt über die Zerstörungen, die stattgefunden haben. Ich bin bedrückt über das, was viele zu ertragen haben, die die Gewalt unmittelbar erlebt haben, in dem zum Beispiel ihre Fahrzeuge oder ihr Eigentum zerstört worden ist oder sie eben gesehen haben, mit welcher Brutalität auch gegen Polizistinnen und Polizisten vorgegangen wird.“ Quelle: dpa
CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach„Verantwortlich sind jene, die viel zu oft verharmlosend „Aktivisten“ genannt werden und die unter dem Vorwand eines politischen Engagements ihrer kriminellen Energie freien Lauf lassen.“ Quelle: dpa
Anwohner Urcu (44) im Hamburger Schanzenviertel„Ich hab das Gefühl, man probt hier in Hamburg schon mal den Bürgerkrieg, und zwar von beiden Seiten aus. (...) Das ist keine Art: Diese zerschlagenen Fenster, brennende Autos, ist nicht der richtige Weg.“ Auf dem Bild zu sehen: Ein Mitglied einer Spezialkräfte-Einheit der Polizei in Hamburg Quelle: dpa
Hamburgs Grünen-Landeschefin Anna Gallina und der Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion, Anjes Tjarks„Die brennende Schanze markiert den traurigen Höhepunkt der Zerstörungswut krimineller Randalierer. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Autos anzuzünden, Scheiben einzuwerfen und den Budni zu plündern.“ Quelle: dpa
CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn„Diese vermummten Linksfaschisten zerstören die Autos von Familien, Azubis, Bürgern, sie verletzen Menschen und skandieren Hass. Und zur Belohnung gibt es Applaus von den Linken und eine verständnisvolle Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen. Ätzend.“ Quelle: dpa

… zum Beispiel die Füße hochlegen…

… woran ich nicht glaube. So ist der Mensch nicht. Und eine Sozialpolitik, die sich nicht um die Chancen, sondern nur die Probleme kümmert, finde ich armselig. Die Digitalisierung ist nicht ohne Gefahren, aber zugleich eine Jahrhundertchance.

Ihre Heimat Schweiz hat sich zuletzt per Volksabstimmung gegen ein Grundeinkommen entschieden. Haben Sie mit abgestimmt?

Ja, und ich war in diesem Fall aus zweierlei Gründen dagegen: Die geforderte Summe von 2500 Franken war für mich nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig wie die Mechanik der Finanzierung. Dazu kommt: Das deutsche System der einseitig aus dem Arbeitseinkommen der Unselbständigen finanzierten Sozialversicherungen kennt die Schweiz gar nicht…

…was für ein Paradies!

Ja, trotzdem finde ich Deutschland durchaus auch attraktiv.

Wo konkret?

Manche Deutsche wissen gar nicht mehr, in welch unfassbar freiem Land sie leben. Selbst in der Schweiz werden viele Themen nicht mal ansatzweise so liberal gehandhabt wie hier. Aber der G20-Gipfel hat mal wieder eindrucksvoll gezeigt: Wir haben es immer noch nicht geschafft, die Bevölkerung hinter der Globalisierung zu versammeln, obschon wir als Gesellschaft insgesamt davon profitieren – beim nächsten Mal, also bei der anstehenden Digitalisierung, sollten wir es wirklich besser hinkriegen. Das Grundeinkommen wäre ein erfolgversprechender Weg.

Herr Straubhaar, vielen Dank für das Gespräch.

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