Thüringen nach der Wahl Historiker warnt vor linkem Ministerpräsidenten

Nach dem Patt bei der Landtagswahl wird in Thüringen über stabile Bündnisse gerätselt. Worauf sich die SPD aus Sicht des DDR-Experten Knabe nicht einlassen sollte, ist eine Koalition mit einem linken Regierungschef.

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Der Thüringer Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow (Die Linke): Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, warnt vor den Folgen einer möglichen Regierung unter Führung der Partei Die Linke. Quelle: dpa

Berlin Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat vor den Folgen einer möglichen Regierung unter Führung der Partei Die Linke in Thüringen gewarnt. „SPD und Grüne sollten sich bewusst sein, dass dies weitreichende Folgen für die politische Kultur in Deutschland hätte.

„Wenn eine Partei, die die DDR bis heute nicht klar verurteilt hat, den Ministerpräsidenten eines Bundeslandes stellen sollte, würde diese Haltung auf höchster politischer Ebene hoffähig“, sagte Knabe dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Das wäre nicht nur für die Opfer der SED-Diktatur sehr schmerzhaft, sondern würde auch alle Bemühungen konterkarieren, den nachwachsenden Generationen ein kritisches DDR-Bild zu vermitteln.“

Der Berliner Historiker wies darauf hin, dass die Linke bis heute keinen Parteitagsbeschluss gefasst habe, in dem sie das DDR-Regime ohne Wenn und Aber verurteilt hätte. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst sei für die Linke kein Grund, jemanden von politischen Führungsämtern auszuschließen, kritisierte Knabe.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg hätte die Partei vielmehr erneut mehrere ehemalige Stasi-Mitarbeiter in die Parlamente entsandt. „Die Linke hat leider bis heute nicht die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Geschichte gezogen“, unterstrich der DDR-Experte. Das mache ihre Bekenntnisse zur Demokratie „extrem“ unglaubwürdig. „SPD und Grüne sollten sich genau überlegen, ob sie dieser Haltung Absolution erteilen wollen.“

Insbesondere die SPD wäre aus Knabes Sicht gut beraten, die Linke nicht noch größer zu machen. „Ich habe nie verstanden, warum manche Sozialdemokraten sich durch Koalitionen mit der SED-Nachfolgepartei ihre Konkurrenz selbst heran gezogen haben“, sagte er. „Wenn sie jetzt noch einen Linken-Politiker zum Ministerpräsidenten wählen, graben sie weiter an ihrem Totenbett.“

Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) strebt eine Fortsetzung des schwarz-roten Bündnisses an und kündigte Sondierungsgespräche mit den Grünen als potenziellem dritten Partner an. Eine schwarz-rot-grüne Koalition hätte 52 der 91 Sitze im Erfurter Landtag und damit eine deutliche Mehrheit.

In Thüringen sind nach der Landtagswahl eine schwarz-rote Koalition wie auch ein bundesweit erstes rot-rot-grünes Bündnis unter Führung der Linken möglich - jeweils nur mit einer Stimme Mehrheit. Eine stabile Regierung sei auch für Schwarz-Rot alleine möglich, sagte Lieberknecht am Montag nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien in Berlin. Zuvor hatte die CDU lediglich Gespräche mit der SPD, aber noch nicht mit den Grünen angekündigt. Lieberknecht machte deutlich, dass sie längere Verhandlungen erwartet.


„Wir sind nicht der Ersatzspieler“

Grünen-Spitzenkandidatin Anja Siegesmund sieht aber eine Dreierkoalition mit CDU und SPD skeptisch. „Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass ein solches Bündnis auf Landesebene trägt“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Schwarz-Rot habe auch ohne die Grünen eine Mehrheit. „Wir sind nicht der Ersatzspieler, wenn einer auf dem Feld nicht mehr will.“

Sondierungsgesprächen wollte sie sich allerdings nicht verschließen. Die Linke rief SPD und Grüne zu einer linken Koalition auf Augenhöhe auf. Sie hat beide Parteien bereits zu Sondierungen eingeladen und will diese innerhalb von zwei Wochen abschließen.

„Die Staatskanzlei gehört nicht der CDU“, bekräftigte Spitzenkandidat Bodo Ramelow am Montag in Berlin. Und mit Blick auf die Wahlsiegerin: „Die CDU hat das Recht, sich in der Opposition zu erholen.“ Eine entscheidende Rolle bei der Koalitionsfindung fällt der abgestürzten SPD zu, die für jede der Optionen gebraucht wird. Doch innerhalb der Partei rumort es, die bisherigen Spitzen gelten als beschädigt. Bundesparteichef Sigmar Gabriel hatte sich noch am Wahlabend für einen Neuanfang ausgesprochen.

Die CDU hatte die Wahl am Sonntag mit 33,5 Prozent der Stimmen erneut deutlich gewonnen. Die Linke blieb nach dem vorläufigen Endergebnis mit 28,2 Prozent zweitstärkste Kraft. Die SPD rutschte auf ihr schlechtestes Thüringer Ergebnis seit der Wiedervereinigung: 12,4 Prozent. Die Grünen kamen auf 5,7 Prozent. Die AfD holte aus dem Stand 10,6 Prozent.

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