* Bei einem Lkw-Anschlag in Berlin sterben am Montag zwölf Menschen. Dutzende werden teils schwer verletzt. (Die Ereignisse am Vortag finden Sie in dieser Übersicht.)
* Der „Islamische Staat“ reklamiert die Tat für sich, doch viele Fragen bleiben weiter offen.
* Einen vorübergehend festgenommenen, tatverdächtigen Pakistaner ließ die Polizei am Dienstagabend wieder frei.
* Während die Ermittler mit Hochdruck nach dem Täter und möglichen Hintermännern fahnden, beginnen in der Parteienlandschaft heftige Debatten um die politische Verantwortung und mögliche Konsequenzen der Tat.
++19.58 Uhr++
Der dringend Tatverdächtige ist in der Hauptstadt über Monate auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft überwacht worden. Die Ermittlungen seien aufgrund von Hinweisen von Sicherheitsbehörden des Bundes eingeleitet worden, teilte die Berliner Ermittlungsbehörde mit. Es habe Informationen gegeben, wonach der in Nordrhein-Westfalen als „Gefährder“ geführte Verdächtige einen Einbruch plane, um Geld für den Kauf automatischer Waffen zu beschaffen - „möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen“. Die Observierung im Zeitraum von März bis September dieses Jahres habe aber keine Hinweise auf ein staatsschutzrelevantes Delikt erbracht.
++18.35 Uhr++
Der Tatverdächtige soll einem Medienbericht zufolge Tunesien bereits vor sieben Jahren verlassen haben. Der aus einer ländlichen Gegend stammende Nordafrikaner habe vor seiner Einreise nach Deutschland vier Jahre in einem italienischen Gefängnis verbracht, berichtet der tunesische Radiosender Mosaique unter Berufung auf den Vater des Mannes und auf Sicherheitskreise. In Italien soll er eine Schule angezündet haben. Nach Deutschland sei er vor einem Jahr gekommen.
++17.51 Uhr++
Die Bundesanwaltschaft bittet die Öffentlichkeit um Mithilfe bei der Fahndung nach dem mutmaßlich tunesischen Verdächtigen Anis Amri. Für Hinweise wurden bis zu 100.000 Euro Belohnung ausgeschrieben. Der Generalbundesanwalt mahnte aber auch zur Vorsicht: „Bringen Sie sich selbst nicht in Gefahr, denn die Person könnte gewalttätig und bewaffnet sein!“ Amri ist als islamistischer Gefährder bekannt. Der 24-jährige geborene Tuensier sei 1,78 Meter groß, wiege circa 75 Kilo, habe schwarze Haare und braune Augen. Wer den Gesuchten sieht, soll die Polizei benachrichtigen.
++15.54 Uhr++
Die für die Abschiebung des gesuchten Tatverdächtigen wichtigen tunesischen Ausweispapiere sind nach Angaben aus NRW erst zwei Tage nach dem Berliner Anschlag bei den deutschen Behörden eingetroffen. Zwar sei der Antrag im Juni 2016 abgelehnt worden. „Der Mann konnte aber nicht abgeschoben werden, weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte“, sagte NRW-Innenminister Jäger. Tunesien habe zunächst bestritten, dass es sich bei dem Mann um einen Tunesier handele. "Ich will diesen Umstand nicht weiter kommentieren", sagte Jäger.
++15.42 Uhr++
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger hat sich in einer PK zum Tatverdächtigen geäußert. Es wurde im Lkw ein Duldungsausweis aufgefunden, die Tatbeteiligung der betreffenden Person sei aber noch nicht geklärt. Zu den Maßnahmen äußerte er sich nicht, um die Fahndung nicht zu gefährden. Der Tatverdächtige soll 2015 nach Deutschland eingereist sein, suchte seit Februar 2016 Asyl in Berlin, war zuletzt kurz in NRW. Jäger bezeichnete den Tatverdächtigen als "hoch mobil". Bereits im November 2016 hat das GTAZ Informationen zu ihm ausgetauscht.
++14.13 Uhr++
Flüchtlinge und Berliner haben gemeinsam in der Nähe des Breitscheidplatzes gesungen. Der Chor der Gedächtniskirche „Everybody Can Sing“ und der Berliner Begegnungschor, in dem Flüchtlinge gemeinsam mit Berlinern singen, wollten so der Opfer des Anschlags gedenken und ein Zeichen der Solidarität setzen. Organisiert wurde das kleine Konzert von dem Kampagnen-Netzwerk Avaaz, das schon nach anderen Anschlägen ähnliche Aktionen gestartet hatte. Insgesamt seien mehr als 200 Menschen an dem kurzen Auftritt beteiligt gewesen, schätzte der Veranstalter.
++13.50 Uhr++
Terroristen sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig schwerer an Geld kommen. Unter anderem sollen die Behörden bei der Ein- und Ausreise Verdächtiger in Europa auch bei Beträgen unter der bislang geltenden Bargeld-Zollanmeldeschwelle von 10.000 Euro eingreifen dürfen. Außerdem sollen die Zollkontrollen auf Bargeld oder Wertsachen in Postpaketen oder Frachtsendungen ausgeweitet werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass eine Behördenentscheidung eines jeweiligen Landes zum Sicherstellen und Einfrieren von Vermögen in Terrorverfahren in Zukunft in allen EU-Ländern gültig ist. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen den Vorschlägen noch zustimmen, damit sie in Kraft treten können.
++13.40 Uhr++
Das BKA bestätigte dem ARD-Hauptstadtstudio, dass ein Hackerangriff vorübergehend das Hinweisportal lahmgelegt hatte. Demnach war das Hinweisportal am frühen Dienstagabend für rund zweieinhalb Stunden nach einem sogenannten DDoS-Angriff nicht erreichbar. Über das Portal können Zeugen Fotos und Videos vom Tatort hochladen.
Terroranschlag in Berlin - Wie jetzt ermittelt wird
Komplizierte Verbrechen werden nur in Teamarbeit aufgeklärt. Die Polizei bietet Fachleute aus allen Bereichen auf: Kriminaltechniker, Computer-Experten, Befragungsspezialisten, Psychologen. In einem der Bereiche hofft sie auf den entscheidenden Hinweis.
Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt sucht die Kriminalpolizei mit allen Mitteln nach dem Attentäter und möglichen Unterstützern. Weil es sich um einen terroristischen Anschlag handelt, führt das Bundeskriminalamt (BKA) die Ermittlungen. Beteiligt ist auch das Berliner Landeskriminalamt (LKA).
Quelle: dpa
Klassische technische Methoden der Polizei sind Spurensicherung und die Auswertung von Filmen und Fotos. Besonders in der Fahrerkabine des Lastwagen gab es wohl zahlreiche Spuren. Der später getötete polnische LKW-Fahrer hatte Verletzungen, möglicherweise gab es einen Kampf, bei dem auch der Attentäter verwundet wurde und Blutspuren hinterließ. Von diesen wird dann die DNA analysiert. Außerdem suchen die Kriminaltechniker nach Fingerabdrücken oder Haaren des Täters. Die Informationen werden dann mit Datenbanken abgeglichen.
Die Kripo wertet Videoaufnahmen vom Breitscheidplatz, der Umgebung und auch von anderen Orten, an denen der Täter sich aufgehalten haben könnte, aus. Dazu gehört auch das Friedrich-Krause-Ufer in einem Industriegebiet im Nordwesten der Berliner Innenstadt. Dort soll der Attentäter den polnischen LKW-Fahrer überwältigt und den Lastwagen entführt haben. Die Polizei richtete eine Datenbank (nach dem Anschlag in den USA im Jahr 2013 „Boston-Cloud“ genannt) ein, in die jeder Foto und Filme einstellen kann.
Das Navigationssystem und die Elektronik des LKW liefern der Polizei eine ganze Reihe von Daten, die ausgewertet werden. Daraus ergab sich wohl, dass der LKW am Montagnachmittag nach 16.00 Uhr mehrfach gestartet wurde. Auch die gefahrene Strecke vom Abstellplatz des Lasters zum Weihnachtsmarkt dürfte klar sei. Entlang der Strecke kann die Polizei dann alle Handydaten analysieren, um eine oder mehrere Telefonnummern herauszufiltern und ein Bewegungsbild zu erstellen. Täter wissen das aber und können ihre Telefone und SIM-Karten vor der Tat oder danach vernichten.
Die Ermittler befragen auch zahlreiche Zeugen vom Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche und hoffen so, eine Beschreibung des Täters zu erhalten. Hinweise könnten auch aus dem Umfeld des Täters eingehen, besonders wenn Belohnungen ausgesetzt werden. Die Berliner Polizei hat nach eigenen Angaben mehr als 500 Hinweise zu dem Anschlag erhalten. Allerdings zeigte die frühe Festnahme eines Verdächtigen, der nicht der Täter war, dass Zeugenaussagen auch in die Irre führen können.
Andere Behörden und Geheimdienste wie der deutsche Verfassungsschutz und die amerikanische CIA und NSA können Ermittlungen mit eigenen Informationen unterstützen. Diese stammen zum Beispiel von V-Leuten aus der Szene der Täter. So beobachten die Verfassungsschutzämter Islamistengruppen in den meisten Bundesländern. Auch abgehörte Telefonate von Verdächtigen oder mitgelesene Mails und Whatsapp-Nachrichten können helfen.
Im Fußraum des LKW wurden persönliche Dokumente eines Asylbewerbers zur Duldung gefunden. Nach diesem Mann fahndete die Polizei am Mittwoch als Verdächtigen.
Am Mittwoch war zunächst nicht klar, an welchem Tag die Polizei diesen Duldungsbescheid in der Fahrerkabine entdeckte und ob sie diese Spur nicht bereits schon früher als Mittwoch verfolgte. Zudem war ungewiss, ob das Dokument auch tatsächlich zum Täter führt. Er hätte damit auch eine falsche Spur legen können. In Paris wurde vor einem Jahr bei einem der Attentäter ein gefälschter Ausweis gefunden. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, hält in dieser Hinsicht alles für denkbar. Solche Fälle gebe es hin und wieder einmal. Er betonte, dass bei solchen Funden allen Optionen nachgegangen werde.
Die Leiche des LKW-Fahrers wurde auf dem Beifahrersitz gefunden. Der Mann wurde direkt nach dem Anschlag erschossen. Vorher soll es einen Kampf gegeben haben, wie Spuren zeigen. Der Cousin des Mannes sagte, er habe auf Polizeifotos der Leiche Stichverletzungen gesehen. Die Polizei mutmaßt, dass der Fahrer noch Schlimmeres verhindert haben könnte, indem er dem Attentäter ins Lenkrad griff und den Laster nach links wieder aus dem Weihnachtsmarkt heraus steuerte.
Bevor der Attentäter eindeutig identifiziert und seine Motivation klar ist, kann diese Frage nicht beantwortet werden. Es gibt eine örtliche Nähe der problematischen As-Sahaba-Moschee zu dem Platz, an dem der LKW entführt wurde. Diese Moschee steht in der Torfstraße in Berlin-Wedding direkt gegenüber dem Friedrich-Krause-Ufer. Die Moschee wird im Berliner Verfassungsschutzbericht 2015 erwähnt. Wie in einigen anderen Moscheen auch fanden demnach dort „salafistische Islamseminare“ statt, bei denen Imame aus ganz Deutschland auftraten.
++13.38 Uhr++
Der neue Tatverdächtige ist den Ermittlern als Gefährder bekannt, dem jederzeit ein Anschlag in Deutschland zugetraut wird. Der Mann habe sich wechselweise in Nordrhein-Westfalen und Berlin aufgehalten, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Es geht den Informationen zufolge um einen Tunesier, dessen Asylantrag abgelehnt wurde und der in der Bundesrepublik geduldet wurde. Zuvor hatten die „Bild“-Zeitung, die Mainzer „Allgemeine Zeitung“ und der „Spiegel“ über den Fall berichtet. Abgelehnte Asylbewerber können in Deutschland geduldet werden, wenn ihnen bei einer Abschiebung ins Heimatland dort Verfolgung drohen würde, wenn sie keine Papiere haben oder krank sind.
++12.53 Uhr++
Die EU-Kommission erkennt Fortschritte bei den Versuchen, Anschläge zu verhindern. "Europa ist stärker und widerstandsfähiger als noch vor einem Jahr", sagt EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Die EU habe dazu eine Reihe von Maßnahmen im Kampf gegen Extremisten auf den Weg gebracht.
++12.40 Uhr++
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger kündigt "aus aktuellem Anlass" eine Stellungnahme für 15.30 Uhr in Düsseldorf an. Zuvor war bekanntgeworden, dass die Fahnder eine heiße Spur verfolgen.
++12.07 Uhr++
Bundespräsident Joachim Gauck hat den Verletzten des Anschlags die Anteilnahme der ganzen Nation übermittelt. „Die Menschen sollen spüren, dass sie nicht allein sind“, sagte Gauck nach einem Besuch bei Verletzten im Virchow-Klinikum der Charité. Gauck dankte auch den Ärzten und Pflegekräften für ihren Einsatz. In Gesprächen mit Verletzten sei er von ihrer Gefasstheit beeindruckt gewesen. „Ich habe sie an die Kräfte erinnert, die in ihnen sind“, sagte der Präsident. Unter anderem habe er mit einem Mann gesprochen, „der verletzt wurde, weil er geholfen hat“, sagte Gauck. Der Mann sei bei der Rettung der Verletzten von einem herabstürzenden Balken im Genick getroffen worden.
++11.50 Uhr++
Unsere Redakteure Gregor Peter Schmitz und Christian Schlesiger haben sich bei Facebook in einem Live-Chat dem Thema gewidmet, wie sich der Terroranschlag auf Angela Merkel auswirkt. Hier gibt es das Video: