Die Arbeit wird für immer mehr Menschen von der Lust zur Last. Dies belegt eine neue Studie der Techniker-Krankenkasse (TK). Seit 2002 betreibt die Kasse mit eigenen Beratern aktives Gesundheitsmanagement in Betrieben. Nun hat sie insgesamt 29 Einzelbefragungen von fast 9.000 Arbeitnehmern mehr als Jahre ausgewertet.
Vertreten waren Betriebe aus dem produzierenden Gewerbe genauso wie Dienstleistungsunternehmen und der Öffentliche Dienst. Ziel der Untersuchung war herauszufinden, wie die Arbeitsbelastung mit der Zeit verändert hat. Zwar sind sieben von zehn Befragten mit ihrer Jobsituation insgesamt immer noch zufrieden.
„Doch der Belastungslevel steigt“ sagt der Vorstandschef der TK, Jens Baas. „Wir haben die zwölf Jahre in zwei Befragungszeiträume aufgeteilt. Dabei zeigt sich, dass in der ersten Phase von 2002 bis 2009 nur drei von zehn Befragten angaben, dass sie ihre Arbeit auch nach Feierabend stresst. Im späteren Zeitraum der Jahre 2010 bis 2015 sagten das fast zwei Fünftel der Befragten.“
Symptome einer Depression
Deutliche Geschlechtsunterschiede finden sich bei der sogenannten unipolaren Depression, von der Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Diese Form ist gekennzeichnet durch Symptome wie verminderten Antrieb oder gesteigerte Müdigkeit, ...
... depressive Stimmung in einem ungewöhnlichen Ausmaß, die fast jeden Tag mindestens über zwei Wochen hinweg auftritt, ...
...Verlust an Interessen, keinerlei Freude mehr an Tätigkeiten, die einem früher mal Spaß und Befriedigung gebracht haben, ...
...Verlust des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls sowie Selbstvorwürfe und Selbstzweifel,...
...Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Appetitverlust oder gesteigerter Appetit.
(Quelle: Ursula Nuber, "Wer bin ich ohne dich?", Campus-Verlag)
Dabei ist besonders bemerkenswert, dass der Anteil der Arbeitnehmer, die sich Arbeit mit nach Hause nehmen, in den zwölf Jahren kaum gestiegen ist. Zugenommen hat aber die Unzufriedenheit mit dieser Situation. Das Verschmelzen von Arbeit und Privatleben steigt mit der Position im Unternehmen. Zwei Drittel der befragten Führungskräfte geben an, sich auch außerhalb der offiziellen Arbeitszeit mit beruflichen Belangen zu befassen. Von ihnen empfindet immerhin jeder zweite das als Belastung. Unter der Beschäftigten ohne eigene Führungsverantwortung sagen allerdings drei von vieren, dass sie sich durch diese Situation gestresst fühlen.
Auch sonst hat die Zufriedenheit mit dem Job eher abgenommen. Beklagten sich vor 2009 vier von zehn Arbeitnehmern über eine ziemlich oder sehr starke Zusatzbelastung, waren das im Befragungszeitraum der vergangenen fünf Jahre bereits die Hälfte der befragten Arbeitnehmer. Nur 12,7 Prozent sind mit ihrer Arbeitssituation rundum zufrieden. Als überhaupt nicht oder kaum zufrieden bezeichnen sich 30 Prozent.
Der Stress im Job
Ein Grund dafür ist zunehmender Stress im Job. Der kann viele Ursachen haben. Berichtet wir von hohem Zeit und Termindruck, von zu vielen Aufgaben, die gleichzeitig erledigt werden müssen sowie von zahlreichen Unterbrechungen und Behinderungen im Arbeitsablauf. 60 Prozent gaben an, dass dieser Stress in den vergangenen zwei Jahren zugenommen hat. Dabei fällt auf, dass auch Führungskräfte sich durch diese Situation zunehmend überfordert fühlen. Im Befragungszeitraum 2002 bis 2009 beschreiben Beschäftigte in Führungspositionen zwar eine höhere Arbeitsintensität, liegen aber beim Belastungserleben etwa auf dem Niveaus aller Befragten.
„In der Befragtengruppe nach 2010 empfindet sich aber bereits jede zweite Führungskraft durch die hohe Arbeitsintensität als ziemlich bis sehr stark belastet“, heißt es im Report und weiter: „Unter dem Strich stellt sich die Frage, wie lange Beschäftigte die hohe Arbeitsintensität bewältigen können und wann Überforderungen zu körperlichen und psychischen Störungen führen?“
Ob und in welchem Umfang Gesundheitsschäden bereit eingetreten sind, beantwortet der TK-Report nicht. Zu gewagt wäre es, die aktuelle Arbeitsunfähigkeitsstatistik einfach mit den Ergebnissen der 29 Umfragen zu verbinden. „Die Fehlzeitenberichte zeigen aber, dass wir aktuell den höchsten Krankenstand in der Geschichte unserer Gesundheitsberichterstattung haben und das insbesondere psychisch bedingte Erkrankungen deutlich zugenommen haben“, so Baas. Dass es hier Zusammenhänge gibt, liege eigentlich auf der Hand.
Der TK Chef hält es daher für besonders wichtig, bei Themen wie betrieblichem Gesundheitsmanagement und Arbeit 4.0 nicht nur darüber zu sprechen, was Beschäftigte krank mache, „sondern auch darüber, welche Ressourcen wir fördern können, damit sie lange gesund arbeiten können.“ Dabei gehe es um mehr als ergonomische Arbeitsplätze und flexible familienfreundliche Arbeitszeiten.
Defizite zeigten sich bei den Umfragen vor allem bei Themen wie Informationsfluss, guter Arbeitsorganisation und Wertschätzung durch Vorgesetzte. „Viele Führungskräfte fürchten, dass es teuer wird, wenn sie in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren“ so Baas. Die Studie zeige aber, dass man auch mit guter Führung eine hohe Gesundheitsrendite erreichen könne.
Die Beschäftigten geben ihren Chefs zwar durchweg gute Noten, wenn es um Sachkompetenz geht. Handlungsbedarf besteht aber offenbar bei der Bereitschaft, sich am einzelnen Mitarbeiter zu orientieren. Fünf von zehn Beschäftigten wünschen sich mehr Motivation durch ihren Chef. 54 Prozent beklagen mangelnde Teambildung, 30 Prozent vermissen klare Arbeitsaufträge und 42 Prozent die Wertschätzung ihrer Arbeit.