Tod von Guido Westerwelle Abschied der Bonner Republik

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Westerwelle wusste, dass zum politischen Wettkampf auch der politische Streit gehört

Viele, auch der Autor dieser Zeilen, haben sich in den folgenden Jahren an ihm abgearbeitet, ihn „Guido Who?“ genannt, weil ihn im Ausland so recht keiner ernst nahm. Das Diplomatische blieb ihm eher fremd, auch wenn er sich nach einer Weile besser in die Themen tastete. Die selbstbewussten Beamten des Auswärtigen Amtes haben ihn nie recht akzeptiert und Westerwelle gelang, was kaum einem seiner Vorgänger gelungen war: als Außenminister denkbar unbeliebt zu werden.

Soll man manch hartes Wort über seine Regierungs-Amtszeit am Tag seines Todes bedauern? Derlei Nachsicht wäre Westerwelle selbst kaum in den Sinn gekommen. Ihm war stets angenehm klar, dass zum politischen Wettkampf auch der politische Streit gehörte. Nachtragend war er nicht, und anders als so manche Mitstreiter konnte der Liberale auch einstecken.

Das Leben des Guido Westerwelle
Guido Westerwelle Quelle: dpa
Bundestag der Jungen Liberalen 1984 Quelle: dpa
Von 1994 bis 2001 war Westerwelle der Generalsekretär der FDP, von 1996 bis 2013 Mitglied des Bundestages. Quelle: REUTERS
Bundesvorsitzender der FDP wurde Westerwelle im Jahr 2001. Das Amt hatte er bis 2011 inne. Quelle: AP
Fraktionsvorsitzender der FDP war er von 2006 bis 2009. Quelle: REUTERS
In den Jahren 2009 bis 2013 war er Außenminister. Quelle: dpa
Im Jahr 2010 heiratete Westerwelle seinen Lebensgefährten Michael Mronz. Quelle: REUTERS

Er musste übrigens auch selbst einstecken, denn noch in einem anderen Punkt drängt sich beim Gedanken an ihn die Erinnerung an die Bonner Republik auf, die eine verklemmtere war. Dass Westerwelle homosexuell war, war in Bonner Kreisen früh ein offenes Geheimnis, öffentlich machen mochte er dies trotzdem lange nicht. In einem legendären Interview mit der Süddeutschen Zeitung ließ er sich zwar im weißen Anzug in einer Gondel in Venedig fotografieren, aber sein Coming Out brachte er nicht über die Lippen.  

Wie wohltuend erfrischend war dann dieses Jahr zu lesen, mit welcher Offenheit, Zärtlichkeit und Selbstverständlichkeit Westerwelle ein Buch über seine Krankheit vor allem in eine Liebeserklärung an seinen Lebenspartner Michael Mronz verwandelte.

Er wirkte bei diesem Interview ausgeruht und in sich ruhend. Es ist durchaus interessant, dass man Ähnliches in diesen Tagen kurz vor seinem Tod auch über den deutschen Liberalismus sagen konnte, der eine Art Renaissance beim Wähler zu erleben scheint. In den Berichten nach den Landtagswahlen waren viele Vergleiche des neuen FDP-Parteichefs Christian Lindner mit Westerwelle zu lesen. Der Tenor war immer gleich: Da bewegt sich was, da tut sich was, da kracht was. Und das dürfte Westerwelle noch mal richtig gefallen haben, denn da wo sich was bewegte, da fühlte er sich am wohlsten.

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