Der Wahl-O-Mat ist Chefsache. Bei der CDU wie auch bei der SPD schaut sich der Parteivorstand, so berichten Mitglieder, die Antworten auf die Thesen ganz genau an. Schließlich überprüfen mit dem bekannten Tool der Bundeszentrale für politische Bildung Millionen Deutsche ihre Wahlabsicht. Unaufmerksamkeiten der Parteien bei der Beantwortung der Fragen könnten wichtige Stimmen kosten - insbesondere bei den Jungwählern, die die Anwendung überproportional stark nutzen.
Wer die Anwendung noch nicht kennt: Der Wahl-O-Mat ist ein Frage-und-Antwort-Tool, das zeigt, welche zu einer Wahl zugelassene Partei der eigenen politischen Position am nächsten steht. 38 Thesen werden formuliert. Der Nutzer kann diesen zustimmen, sie ablehnen oder sich "neutral" äußern. Alle Parteien wurden im Vorfeld gebeten, ebenfalls die Thesen zu bewerten und eine Begründung zu formulieren. Die eigenen Antworten werden mit denen der Parteien abgeglichen, der Grad der Übereinstimmung mit den ausgewählten Parteien wird errechnet.
Eine einfache, spielerische Form also, um seine Wahlabsicht zu überprüfen. Millionen Deutsche haben das vor der Bundestagswahl 2009 gemacht und über das Ergebnis gegrübelt, mit Freunden gesprochen - und vielleicht auch in ihre Wahlentscheidung einbezogen.
"In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass insbesondere junge Menschen davon rege Gebrauch machen und sich über die Positionen der Parteien zu verschiedenen Themen informieren. Aus Sicht der SPD ist der Wahl-O-Mat somit ein sehr gutes Angebot, um gerade Jung- und Erstwähler bei Ihrer Wahlentscheidung zu unterstützen", heißt es auf Nachfrage beim SPD-Bundesvorstand.
Infos zum Wahl-O-Mat
Der Wahl-O-Mat wurde erstmalig 2002 zur Bundestagswahl eingesetzt und von der Zentrale für Politische Bildung entwickelt. Nach und nach übernahmen auch die Landeszentralen das Tool, das Voting Advice Application (VAA) genannt wird.
Der Wahl-O-Mat ist eine Applikation, die ausschließlich politische Positionen beziehungsweise Sachfragen, in den Vordergrund stellt: Zwischen 30 und 40 Thesen zu politischen Fragen, die im Wahlkampf eine Rolle spielen, werden präsentiert.
64,4 Prozent der Befragten bejahen die Aussage, dass der Wahl-O-Mat ihnen dabei geholfen habe, die Unterschiede zwischen den Parteien klarer werden zu lassen. Fast die Hälfte der Befragten (48,1 Prozent) bestätigt, dass der Wahl-O-Mat sie auf bundespolitische Themen aufmerksam gemacht habe, die den Wahl-O-Mat-Usern in ihrer Entscheidungsfindung zuvor nicht präsent waren.
Viele Wahl-O-Mat-Nutzer (70,5 Prozent) geben an, dass sie über das Wahl-O-Mat-Ergebnis mit anderen sprechen werden. 52,1 Prozent der Wahl-O-Mat-Nutzer sagen, dass sie sich im Anschluss an das Spielen des Wahl-O-Mat weiter politisch informieren werden. Eine entsprechend hohe Klickzahlen auf weiterführenden Dossiers zu den Themen legen nahe, dass sie das tatsächlich tun.
Wahl-O-Mat-Nutzer sind jünger sind als die Online-Gemeinde und damit deutlich jünger als die deutsche Bevölkerung. 38,4 Prozent geben an, unter 30 Jahre alt zu sein. Die Wahl-O-Mat-Nutzer sind zudem formal hoch gebildet: Rund 45 Prozent der Befragten verfügen über einen Hochschulabschluss oder sind im Begriff, diesen zu erwerben; der Anteil derjenigen mit formal niedriger Bildung ist gering; weniger als ein Drittel gibt an, einen Hauptschulabschluss/Mittlere Reife zu besitzen oder anzustreben.
Nur 7,1 Prozent der Befragten gaben an, dass der Wahl-O-Mat sie motiviert habe, tatsächlich an der Bundestagswahl teilzunehmen, obwohl sie dies nicht vorgehabt hatten. Und obgleich die Hälfte der Befragten äußert, dass der Wahl-O-Mat ihnen bei der Wahlentscheidung geholfen habe (46,1 Prozent), sagt nur ein geringer Teil der Befragten (rund acht Prozent), dass sie ihre Wahlabsicht aufgrund der Wahl-O-Mat-Nutzung "voraussichtlich" ändern werden. Ob dies tatsächlich geschieht, kann wiederum nicht nachgehalten werden. Die Frageformulierung legt nahe, dass der reale Anteil deutlich niedriger liegt.
Stefan Marschall 2011/Bundeszentrale für politische Bildung/Landeszentralen für politische Bildung
Stefan Marschall bestätigt die Bedeutung des Wahl-O-Mats. Der Professor für Politikwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat in einer Studie das Tool zur Bundestagswahl 2009 unter die Lupe genommen und festgestellt: "Der Wahl-O-Mat wird von einer Vielzahl von Bürgern genutzt, er regt Menschen an, über Politik zu diskutieren - und mobilisiert, bei der Wahl die Stimme abzugeben." Vor der letzten Bundestagswahl wurde er über 6,7 Millionen Mal gespielt, insbesondere junge Menschen nutzen das Tool. Mehr als ein Drittel (34,9 %) der Befragten sind zwischen 18 und 29 Jahre alt, 43,8 Prozent sind zwischen 30 und 49 Jahre alt. Ihr Ziel: Sie wollen überprüfen, ob ihre Parteipräferenz inhaltlich gedeckt ist. Ob die Lieblingspartei auch wirklich einen Großteil der politischen Fragen ähnlich beantwortet.