"Bei einem Großteil der Nutzer ist das der Fall. Zumindest, wenn man in politischen Lagern denkt", sagt Marschall. So hatten 28,1 Prozent der Nutzer des Wahl-O-Mat tatsächlich die meisten Übereinstimmungen mit der Partei, die im Vorfeld bereits präferiert wurde. Bei 63,5 Prozent der Nutzer gab es die größten Schnittmengen immerhin mit einer der Parteien aus dem jeweiligen Lager (etwa FDP bei bürgerlichen Wählern, Grüne bei SPD-Wählern, etc.). Nur bei 8,4 Prozent der User wich das Ergebnis deutlich von der eigentlichen Parteipräferenz ab.
Stimmen abjagen, werden die Parteien wohl kaum einem Gegner. Wohl aber ist das Ergebnis der Wahl-O-Mat wichtig, um die eigenen Leute zu mobilisieren. 70,5 Prozent der befragten Teilnehmer am Tool für die Bundestagswahl 2009 gaben an, über ihr Ergebnis und den Urnengang im Freundes- und Bekanntenkreis sprechen zu wollen. Immerhin jeder Zwölfte Nutzer wurde nach eigenen Angaben motiviert, zur Wahl zu gehen - obwohl er es vorab nicht vorhatte.
Wahl-ABC (A bis H)
Das haben deutsche Staatsbürger ab 18 Jahren, die seit mindestens drei Monaten in Deutschland leben. Mit ihren beiden Stimmen entscheiden sie über die Sitzverteilung im Bundestag. Unter bestimmten Bedingungen können auch Deutsche mit Wohnsitz im Ausland wählen.
Jeder Wahlberechtigte, der einen Antrag stellt, darf per Brief abstimmen. Dafür muss er – anders als noch 2005 – keinen triftigen Grund mehr angeben. Bei der Wahl 2009 gaben mehr als 9 von 44 Millionen Wählern (über 21 Prozent) ihre Stimmen per Post ab.
Nach dem Vorbild der USA gewinnt der Online-Wahlkampf an Bedeutung in Deutschland. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lässt allerdings bei Chats und Twitter-Interviews einen Helfer neben sich tippen. Und er notiert gerne auf Zetteln kurz seine Gedanken – diese werden dann vom P.S.-Team online verbreitet. Wie sehr die Wahlwerbung im Internet oder per SMS das Ergebnis beeinflusst, wird sich zeigen.
Wer in einem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhält, wird Abgeordneter. 2009 gewannen CDU- und CSU-Kandidaten 218 oder 299 Direktmandate. „Erststimmenkönig“ der Wahl war der 2011 an einem Plagiat gescheiterte CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg (68,1 Prozent im Wahlkreis Kulmbach).
Mit ihr wird der Direktbewerber in einem Wahlkreis gewählt. Dabei genügt eine relative Mehrheit. Die siegreichen Direktkandidaten werden bei der Sitzverteilung als erste berücksichtigt. Für die Stärke der Parteien ist das Zweitstimmenergebnis ausschlaggebend.
Sie soll für klare Verhältnisse im Bundestag sorgen. Nur Parteien, die bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten, werden bei der Verteilung der Sitze berücksichtigt. Alle anderen gehen leer aus. 2009 waren das 21 Parteien mit insgesamt 2,6 Millionen Stimmen. Bei mindestens drei gewonnenen Direktmandaten ziehen auch Parteien ins Parlament ein, die unter fünf Prozent der Zweitstimmen geblieben sind.
Wenn der Bundeswahlleiter und seine Länderkollegen festgestellt haben, dass alles nach Recht und Gesetz abgelaufen ist, erklärt der Bundestag die Wahl für gültig. Bei Anfechtungen wegen grober Fehler kann sie ganz oder teilweise annulliert werden. Eine noch so geringe Wahlbeteiligung ist dafür kein Grund. Es gibt schließlich keine Wahlpflicht in Deutschland.
Nach Schließung der Wahllokale gibt sie erste Erkenntnisse über das Wahlergebnis. Dabei werden Daten von ausgewählten Stimmbezirken fortgeschrieben, die zusammen ein repräsentatives Bild ergeben. Die letzten Hochrechnungen weichen nur minimal vom Endergebnis ab.
Die Parteien wissen um diese Zahlen und versuchen, per Wahl-O-Mat insbesondere Jungwähler zu gewinnen. Manchmal auch mit unlauteren Tricks. So stufte sich die CDU 2009 bei der These "Das Erststudium soll gebührenfrei sein" als "neutral" sein. Die Sozialdemokraten wetterten "Betrug". Zweifel am Wahrheitsgehalt der Unionsaussage waren durchaus berechtigt, schließlich führte die CDU gemeinsam mit der FDP in den Jahren vor der letzten Wahl in vielen Ländern Studiengebühren ein. In der mitgelieferten Erklärung schrieb die CDU auch: Bildung solle keine Frage des Einkommens sein. Aber: "Mit sozialverträglichen Studienbeiträgen sollen die Hochschulen ihre Lehrangebote gezielt verbessern und besondere Lehrprofile entwickeln."
Wahl-ABC (I bis P)
„Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden“. So ist der Schutz der Parlamentarier im Grundgesetz geregelt. Wenn der Abgeordnete auf frischer Tat ertappt wird, gilt dies nicht.
Rund drei Millionen junge Deutsche dürfen sich am 22. September erstmals an einer Bundestagswahl beteiligen. Das sind nur 4,8 Prozent der insgesamt 61,8 Millionen Wahlberechtigten. Die Politik erreichte 2009 weniger Erstwähler als zuvor. Die SPD musste bei jungen Wählern ungewöhnlich hohe Stimmenverluste hinnehmen, CDU und Grüne punkteten bei Erstwählerinnen.
Innerhalb von 30 Tagen muss ein neu gewählter Bundestag erstmals zusammentreten. Der älteste anwesende Abgeordnete – am 27. Oktober 2009 war dies der 73-jährige CDU-Abgeordnete Heinz Riesenhuber - leitet die Sitzung und die Wahl des Bundestagspräsidenten. Zu Beginn hält der sogenannte Alterspräsident eine kurze Rede.
Die auch Wahlperiode genannte Amtszeit des Bundestages beginnt mit seiner ersten Zusammenkunft und endet mit der Konstituierung des nachfolgenden Parlaments. Generell dauert sie vier Jahre, es sei denn der Bundestag wird vorzeitig aufgelöst. Der gegenwärtige Bundestag hat bislang weit über 500 Gesetze beschlossen.
Es ist frei, die Abgeordneten sind „Vertreter des ganzen Volkes“ und „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, sagt das Grundgesetz. Gleichwohl gibt es manchmal Druck – besonders die Erwartung der Fraktionsführung, dass sich ihre Abgeordneten an Vorentscheidungen halten.
Seit langem geht es mit der Beteiligung an Bundestagswahlen bergab. 2009 blieben 18,2 von 62,2 Millionen oder 29,2 Prozent der Wahlberechtigten der Urne fern. Damit war die „Partei der Nichtwähler“ größer als die Zahl der Unterstützer von Union oder SPD. Es gibt keine Wahlpflicht; selbst wenn 99 Prozent der Wahlberechtigten zu Hause blieben, wäre das Ergebnis gültig.
Die nicht an der Regierung beteiligten Parteien bilden das Gegengewicht zur Bundestagsmehrheit. Bei der letzten Wahl kamen SPD, Grüne und Linke auf zusammen 290 Sitze – 42 weniger als CDU, CSU und FDP. „Opposition ist Mist“, befand der SPD-Politiker Franz Müntefering 2004. Die Minderheit hat jedoch viele Möglichkeiten, der Regierung das Leben schwer zu machen.
Wer Deutscher und mindestens 18 Jahre alt ist, darf für den Bundestag kandidieren und sich wählen lassen. Wer aber etwa schwere Straftaten begangen hat, verliert dieses Recht. Bei der Wahl 2009 haben sich insgesamt 3556 Kandidaten um einen Parlamentssitz beworben.
Die Bundeszentrale für politische Bildung, die den Wahl-O-Mat herausgibt, redigiert oder zensiert die Angaben und Aussagen der Parteien nicht. "Gibt es Zweifel an den Aussagen, halten wir Rücksprache und fragen nach. Letztendlich entscheiden aber die Parteien über ihre Antwort", sagt Daniel Kraft von der Bundeszentrale für politische Bildung.
Nach dem Aufschrei von 2009 hat die Union offenbar aus ihren Fehlern gelernt. Ein erster Testdurchlauf des neuen Wahl-O-Mats wirft bei den Begründungen von CDU/CDU keine Irritationen auf. Bei der umstrittenen Einführung einer Pkw-Maut auf Autobahnen etwa, stuft sich die Partei "neutral" ein und erklärt ehrlicherweise: "Beim Thema Pkw-Maut auf Autobahnen sind CDU und CSU unterschiedlicher Auffassung. Die CDU lehnt eine Pkw-Maut ab. Die CSU will Autofahrer aus dem Ausland an den Kosten für den Bau und Unterhalt der Infrastruktur beteiligen und befürwortet deshalb eine Pkw-Maut für ausländische Fahrzeuge."